Es gibt nur drei Berge, an denen Tadej Pogacar je eingebrochen ist: der Mont Ventoux, der Hautacam und der Col de la Loze. Die Tour-Organisatoren haben in diesem Jahr alle drei ins Programm aufgenommen – als hätten sie gezielt Pogacars Schwächen studiert. Zwei davon hat der Slowene bereits bezwungen. Bleibt noch einer: der Col de la Loze, Ziel der Königsetappe am Donnerstag. 5 Erktenntnisse zum bisherigen Tour-Verlauf
Das Schweizer Team Tudor macht vieles richtig. Auf Etappen mit flachem Beginn und bergigem Finale bringt es systematisch Fahrer in die Fluchtgruppen – klug verteilt: ein Rouleur und ein Kletterer. So etwa am Ventoux, wo erst Haller mit Hirschi ausreisst, später Trentin mit Alaphilippe im Schlepptau.
Diese Taktik funktioniert bei Etappen mit flachem Start und Bergankunft so gut, weil die Bergfahrer im Windschatten der generell grösseren Rouleure Energie sparen können und dann mit einem Vorsprung auf die besten Kletterer im Feld in den letzten Anstieg fahren.
Doch jedes taktische Geschick bringt nichts, wenn die Beine fehlen, wie bei den Fluchtversuchen von Storer und Hirschi auf der Hautacam-Etappe sowie bei Alaphilippe am Ventoux. Die nächste Chance kommt für Tudor am Samstag. Auf der zweitletzten Etappe wird aller Voraussicht nach die Fluchtgruppe gewinnen.
Das Colnago Y1Rs – das ist seit dieser Saison das neue, aerodynamisch gebaute Velo des Radsuperstars. Mit seinem flügelförmigen Lenker sieht das Rad eher aus wie ein Raumschiff als wie ein Velo.
Doch es gibt einen Haken: Das Velo ist 300 Gramm schwerer als das von der UCI erlaubte Mindestgewicht. Es ist, als hätte er die ganze Zeit über ein volles Bidon Wasser an sein Rad geklebt.
Beim Bergzeitfahren tauchte nun ein neuer, schwarzer Prototyp auf. Leichter, nackter Carbon, mit aufgemalten Regenbogenstreifen. Es scheint, als würden die Ingenieure bei Colnago mit aller ihnen zur Verfügung stehenden Macht versuchen, das Aero-Rad des Slowenen leichter zu machen.
Und Pogacar will jeden möglichen Nachteil ausmerzen, als Zeichen von Schwäche ist das aber eher nicht zu interpretieren.
Wer kann Tadej Pogacar schlagen, wenn nicht Jonas Vingegaard? Aber was, wenn nicht mal der dänische Superkletterer gegen Pogacar etwas ausrichten kann? Es scheint, als ob der Slowene jeden Angriff des Dänen ohne Mühe pariert. Dreimal attackiert Vingegaard das Maillot Jaune am Mont Ventoux. Während Vingegaard aus dem Sattel geht und sprintet, bleibt Pogacar am Hinterrad des Dänen, ohne selbst überhaupt aus dem Sattel zu müssen. Das ist Dominanz.
Ebenso dominant ist das ganze Auftreten der UAE-Mannschaft und deren Leader – im Gegensatz zu Vingegaard. Als Pogacars Teamkollege Tim Wellens in Etappe 16 vor dem Ruhetag im Angriff ist, rollt der Slowene selbst an die Spitze des Feldes, kontrolliert weitere Fluchtversuche allfälliger Gegner. Das Signal ist klar: «Ich halte dir den Rücken frei, wie du ihn mir freihältst.»
Und Wellens gewinnt. Es ist ein Zeichen psychischer Dominanz, die Pogacar immer wieder zeigt. Eine Dominanz, die Vingegaard schon nur seiner Persönlichkeit wegen nie erreichen kann.
Und doch gibt es Hoffnung für Vingegaard. Pogacars Team beginnt zu bröckeln. João Almeida ist verletzt raus. Adam Yates verliert am Ventoux früh den Anschluss. Auch Soler und Sivakov können am Schlussanstieg nicht helfen.
Ganz anders Visma: Benoot und Campenaerts fahren lange in der Ausreissergruppe, bieten Vingegaard später wertvollen Windschatten als sogenannte Satelliten. Sollte Pogacar auch auf den kommenden Alpenetappen isoliert sein, müsste er seine Verpflegung selbst holen und allfällige Attacken selbst kontrollieren, während Vingegaard beschützt ist.
Nur dann kann Visma den Slowenen zermürben – wie einst 2022 am Col du Granon oder 2023 am Col de la Loze. Am selben Berg, auf dem am Donnerstag die Königsetappe endet. (aargauerzeitung.ch)