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Wie Cancellara mit dem Team Tudor Pro Cycling an die Spitze kommen will

Foto Manuel Geisser 26.06.2022 Steinmaur . Rad Schweizermeisterschaft Strasse Herren International. Bild: Fabian Cancellara Teamchef mit dem Sieger Robin Froidevaux Team Tudor *** Photo Manuel Geisser ...
Rad-Legende Fabian Cancellara an der Seite seines Fahrers Robin Froidevaux.Bild: www.imago-images.de

Cancellara will mit seinem Team auf anderen Wegen an die Spitze kommen

Das Schweizer Profiteam Tudor Pro Cycling plant im internationalen Radsport eine langfristige Erfolgsgeschichte. «Wir gehen andere Wege», sagt Teambesitzer Fabian Cancellara, der das Projekt vor knapp zwei Jahren ins Leben gerufen hat. Heute nimmt die Equipe beim Klassiker Mailand–Sanremo teil, dem ersten Monument des Jahres.
16.03.2024, 08:48
Dominik Moser / Keystone-SDA
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Der Profisport gilt als pickelhartes Geschäft, das ist auch im Radsport nicht anders. Hinter den Teams stehen potente Sponsoren, die in einem Millionenbusiness oftmals nur eines wollen: Sichtbarkeit durch Erfolg, am besten so schnell und so viel als möglich.

Deshalb ist es umso erstaunlicher, wenn Projekte wie jenes von Tudor Pro Cycling ins Leben gerufen werden. Die Profi-Equipe mit Sitz im Luzerner Umland, die aus der 2018 gegründeten Schweizer Nachwuchsmannschaft Swiss Racing Academy hervorging, weiss mit der Genfer Luxusuhrenmarke Tudor einen Hauptsponsor hinter sich, der einen etwas anderen Ansatz verfolgt.

Entgegen den gängigen Gepflogenheiten

Eingefädelt hat den Deal 2022 Fabian Cancellara. Der zweifache Zeitfahr-Olympiasieger ist der Besitzer und das Gesicht der Equipe, die ein Sprungbrett für talentierte junge Fahrer sein will und letztes Jahr in die UCI-Pro-Team-Stufe aufstieg, die zweithöchste Kategorie des internationalen Radsports.

Former Swiss cyclist and team director Fabian Cancellara (right) watches a race with Tudor watches CEO Eric Pirson in the Tudor bus, during the second stage, a 162,7 km race between Morteau in France  ...
Cancellara im Teambus an der Seite von Tudor-CEO Eric Pirson.Bild: KEYSTONE

Zusammen mit Eric Pirson, dem Leiter der Rolex-Schwesterfirma Tudor, entwickelte Cancellara die Idee, die so überhaupt nicht den Gepflogenheiten der Radsportszene entspricht: Der Aufbau des Teams ist nicht an definierte Ziele geknüpft, was den Zeithorizont betrifft. Das gemeinsame Ziel ist eine langfristige Erfolgsgeschichte. Über die Laufzeit des Sponsorenvertrags mit Tudor ist ebenso wenig bekannt wie über die finanzielle Höhe des Engagements.

Swissness ist keine Plattitüde

Im aktuellen 28-Mann-Kader figurieren acht Schweizer, von denen mit Tom Bohli, Simon Pellaud, Joel Suter und insbesondere Sébastien Reichenbach die Hälfte schon über Erfahrung bei World-Tour-Teams verfügt. Auch sonst wird bei Tudor «Swissness» grossgeschrieben. So verfügt das Team nicht nur über einen Schweizer Geldgeber, sondern mit den Velos von BMC, den Laufrädern von DT Swiss und der Bekleidung von Assos auch über zahlreiche Schweizer Ausrüster.

Sport Bilder des Tages Dutch Arvid de Kleijn of Tudor Pro Cycling Team celebrates after winning the second stage of the Paris-Nice eight days cycling stage race, 177,6 km from Thoiry to Montargis, Fra ...
Historisch: Arvid de Kleijn sorgt für den ersten Tudor-Sieg in der World Tour.Bild: www.imago-images.de

Die Debütsaison 2023 verlief mit 32 Podiumsplatzierungen bei elf Siegen ansprechend. Den grössten Erfolg in der noch jungen Teamgeschichte feierte Tudor vergangene Woche, als Arvid de Kleijn im Spurt die 2. Etappe von Paris-Nizza gewann und dem Team damit den ersten Sieg auf der World Tour bescherte. Im Februar war der 29-jährige Niederländer an der UAE Tour schon drei Mal Etappenzweiter geworden und bereits im vergangenen Jahr mit einem 2. Platz an der Polen-Rundfahrt einmal ganz nahe dran gewesen an einem Sieg auf höchste Stufe.

Schritt für Schritt

«Ich bin fast froh, hat es damals nicht geklappt mit dem Sieg», liess Cancellara an der letztjährigen WM im Gespräch mit Keystone-SDA durchblicken. Der 42-jährige Berner verfolgt mit Tudor einen klaren Plan. «Wir wollen nicht drei Schritte aufs Mal machen.» Es gehe darum, sich als Team «kontinuierlich zu entwickeln», «hungrig» zu bleiben und sich den «Respekt im Peloton» zu erarbeiten.

Wenn Cancellara vom Projekt spricht, tut er das oft in der Wir-Form. «Es ist ein Miteinander. Wir wollen gemeinsam wachsen. Vom Velo-Mechaniker bis zum potentiellen Siegfahrer.» Team-CEO Raphael Meyer nennt Schlagwörter wie «Vertrauen» und «Perspektive», die man den Fahrern geben möchte. Er nimmt den aufstrebenden Yannis Voisard als Beispiel. Der 25-jährige Jurassier hat im vergangenen Sommer parallel zum Radsport sein Biologie-Studium abgeschlossen.

Joel Suter from Switzerland of Tudor Cycling team, left, and Yannis Voisard from Switzerland of Tudor Cycling team, right, and the pack in action during the first stage, a 170,9 km race between Crissi ...
Joel Suter (links) unterhält sich mit Yannis Voisard.Bild: keystone

«Aus der Breite kommt die Spitze»

Bei Tudor soll nicht nur Platz fürs Velofahren sein. Aus gutem Grund, wie Cancellara weiss: «Nur ganz wenige schaffen den Durchbruch.» Deshalb wolle man an der Basis schaffen, Kindern und Leuten in der Schweiz die Tür zum Radsport zu öffnen. «Aus der Breite kommt die Spitze.»

Im Gespräch mit den beiden wird schnell klar: Nur des Geldes wegen kommt keiner zu Tudor. «Bei uns soll das Gesamtpaket stimmen», sagt CEO Meyer. Damit will man sich von anderen Teams abheben. Und Cancellara fügt hinzu: «Damit man Leistung erbringen kann, muss alles rundherum stimmen.» Der dreimalige Gewinner von Paris-Roubaix und der Flandern-Rundfahrt weiss, wovon er spricht.

Van Aerts anerkennende Worte

Die Teamphilosophie findet bei den Fahrern Anklang, nicht nur in den eigenen Reihen. Auch ausserhalb nehmen die Leute wahr, wie bei Tudor gearbeitet wird. Kürzlich wurde Wout van Aert gefragt, bei welchem Team er unterschreiben würde, sollte er jemals einen Transfer anstreben. Der Superstar aus Belgien, der den Branchenführer Visma-Lease-a-Bike wohl kaum so schnell verlassen wird, nannte Tudor und Uno-X, eine andere junge und aufstrebende Equipe aus Norwegen. Bei Tudor versteht man Van Aerts Worte als Kompliment. «Es zeigt, dass wir richtig arbeiten und wir einen Plan und eine Vision haben», so Cancellara.

Tour de France 2024 - Training Session 11/03/2024 NICE MONACO, FRANCE - MARCH 11 : Cattaneo Mattia ITA of Soudal - Quick Step, Trentin Matteo ITA of Tudor Pro Cycling Team, Evenepoel Remco BEL of Soud ...
Mit dem 34-jährigen Matteo Trentin, hier Anfang Woche bei einer gemeinsamen Trainingsausfahrt mit Zeitfahr-Weltmeister Remco Evenepoel, holte Tudor viel Routine.Bild: www.imago-images.de

Um den nächsten Schritt zu machen, startete Tudor auf dieses Jahr hin mit acht (teils namhaften) Zuzügen bei null Abgängen eine mittelgrosse Transferoffensive. Zu den Neuen zählen mit dem ehemaligen Europameister Matteo Trentin und dem zweifachen Giro-Etappensieger Alberto Dainese zwei starke Sprinter aus Italien sowie mit dem zweifachen Vuelta-Etappensieger Michael Storer aus Australien ein starker Kletterer fürs Gesamtklassement. «Diese Fahrer werden es uns ermöglichen, auf allen Terrains auf höchstem Niveau zu fahren und Einladungen zu World-Tour-Rennen zu erhalten», sagt CEO Mayer.

Aufstieg in die World Tour

Das langfristige Ziel von Tudor bleibt der Aufstieg in die World Tour, die oberste Liga im Radsport – jedoch nicht um jeden Preis. Ende 2025 werden die Team-Status von der UCI für die darauffolgenden drei Saisons bestimmt. Dies geschieht anhand einer Dreijahreswertung. Für Tudor dürfte es schwierig werden, in den nächsten rund eineinhalb Jahren unter die besten 18 Mannschaften dieses Rankings vorzustossen.

Um regelmässig im Konzert der Grossen mitfahren zu können, dürfen sportliche Erfolge wie jener von De Kleijn bei Paris-Nizza keine Ausnahme bleiben. Am Samstag folgt mit Mailand – Sanremo der erste grosse Rad-Klassiker des Jahres, im Mai bestreitet Tudor dank einer Wildcard mit dem Giro d'Italia seine erste dreiwöchige Rundfahrt überhaupt. «Wir haben bereits Riesenschritte gemacht, aber das ist erst der Anfang», blickt Cancellara voller Zuversicht voraus.

Poggio, Pogacar und ein Schweizer Trio

Das längste der fünf Monumente im internationalen Rennkalender führt über 288 Kilometer von Pavia nach Sanremo und im Finale über die berühmt-berüchtigten Anstiege Cipressa und Poggio, ehe nach über sechs Stunden Fahrzeit auf der Via Roma die Entscheidung fällt.

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Pogacar (vorne) und van der Poel im epischen WM-Rennen 2023, das der Niederländer gewann.Bild: www.imago-images.de

Die 115. Austragung der «Classicissima» steht ganz im Zeichen des Duells zwischen Weltmeister Mathieu van der Poel und Überflieger Tadej Pogacar. Während der Niederländer Van der Poel als Vorjahressieger am Start steht, möchte der Slowene Pogacar mit dem ersten Sieg bei «La Primavera» eine weitere Lücke in seinem beeindruckenden Palmarès schliessen. Der zweifache Tour-de-France-Sieger kann schon Erfolge bei Lüttich-Bastogne-Lüttich (2021), der Flandern-Rundfahrt (2023) und der Lombardei-Rundfahrt (2021 bis 2023) vorweisen.

Aus Schweizer Sicht sind Stefan Küng, Marc Hirschi und Mauro Schmid gemeldet. Derweil Küng zum ersten Mal seit vier Jahren und als Leader seines Teams Groupama-FDJ antreten wird, dürfte Hirschi bei seiner zweiten Teilnahme nach 2019 entweder als Helfer von Pogacar oder als Joker bei UAE Emirates eingesetzt werden. Schmid feiert im Dress seines neuen Arbeitgebers Jayco Alula das Debüt bei Mailand – Sanremo. Im Tudor-Aufgebot fehlt ein Schweizer Fahrer.

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