Die Sonne scheint, 18 Grad warm ist es im spanischen Moraira zwischen Valencia und Alicante, wo sich das Tudor Pro Cycling Team derzeit für die kommende Saison vorbereitet. Der ehemalige Velostar und heutige Team-Besitzer Fabian Cancellara lächelt und sagt: «Wir haben in den letzten zwei Jahren etwas richtig gemacht, dass wir in diesem Hotel sind und so viele Medienschaffende sich für uns interessieren.»
Der Saal ist proppenvoll an diesem Dienstag, das Tudor Pro Cycling Team hat zu einem Medientag geladen. Gekommen sind viele internationale Velojournalisten. Denn neben Cancellara sitzen noch zwei grosse Namen des Radsports: der zweifache Weltmeister Julian Alaphilippe und der Schweizer Hoffnungsträger Marc Hirschi. Durch die Verpflichtung dieser beiden Fahrer soll das Team einen grossen Schritt machen in Richtung Weltspitze. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
In seiner dritten Saison hat die Schweizer Mannschaft höhere Ziele als noch im Vorjahr. Mit den beiden neuen Stars sind auch die sportlichen Ambitionen gestiegen. 2024 hat das Tudor Pro Cycling Team erstmals an einer Grand Tour teilgenommen, startete am Giro d'Italia. In diesem Jahr soll es nun erstmals klappen mit dem grössten Rennen im Radsport: der Tour de France. «Es ist ein offenes Geheimnis, dass wir an die Tour de France möchten», sagt Cancellara. Das Problem: Beim Team Tudor handelt es sich um ein zweitklassiges Pro Team und kein World-Tour-Team. Um bei Rennen der höchsten Kategorien teilnehmen zu dürfen, ist es auf eine Wildcard angewiesen.
Der Transfer des französischen Lieblings Julian Alaphilippe macht es realistischer, dass Tudor bei der Tour de France dabei sein kann. Insgesamt nehmen 22 Teams teil. Gesetzt sind die 18 World-Tour-Teams, ergänzt werden sie durch Lotto und Israel-Premier Tech aufgrund ihres Rankings im Vorjahr. Auch das französische Team Direct Energies ist wohl dabei. Somit kämpft Tudor um das letzte Eintrittsticket mit dem norwegischen Team UnoX Mobility und möglicherweise auch dem zweiten Schweizer Team Q36.5. Die Organisatoren der Tour de France werden die Wildcards voraussichtlich im Laufe des Januars bekannt geben.
Die Verpflichtung von Julian Alaphilippe ist ein Coup für das Tudor Pro Cycling Team. Der 32-jährige Franzose wurde 2020 und 2021 Weltmeister im Strassenrennen. In seinem letzten Team Soudal Quick-Step stand er jedoch zuletzt im Schatten von Remco Evenepoel. Dies bot Tudor die Chance für eine Verpflichtung. Alaphilippe ist nun wieder Teamleader. «Für mich war es ein guter Moment für einen Wechsel», sagt er. «Ich habe sehr wertgeschätzt, wie sehr mich die Verantwortlichen wollten. Sie wissen genau, wohin sie gehen möchten. Das hat mich sehr motiviert.» Alaphilippe hat einen Dreijahresvertrag unterschrieben und sagt, dass er sich vorstellen könnte, bei Tudor seine Karriere zu beenden.
Schon länger wollte die Mannschaft einen Schweizer Topstar verpflichten. Mit Marc Hirschi gelingt dies. Als Sechster der Weltrangliste scheint er bereit zu sein für einen Schritt nach vorne. Nach vier Jahren bei UAE Emirates, wo er entweder Helfer von Tadej Pogacar war oder eher kleinere Rennen bestreiten musste, kann der Schweizer jetzt neben Alaphilippe eine Leaderrolle einnehmen. Hirschi sagt: «Ich bin jetzt 26 Jahre alt – meine besten Jahre kommen noch. Ich versuche alles, um hier der bestmögliche Fahrer zu sein.» Mit Hirschi und Alaphilippe verfügt das Team nun über zwei Fahrer mit sehr ähnlichem Profil. «Das kann aber ein Vorteil sein, wir haben zwei Karten zum Spielen», sagt Hirschi.
Auf den neuen Trikots prangt neu das Logo des Energydrink-Herstellers, was überrascht, nachdem Red Bull im letzten Jahr mit der Übernahme des Teams Bora-Hansgrohe einen grossen Fuss in den Radsport gesetzt hat. Aber: «Red Bull ist lediglich ein Sponsor und kein Mitbesitzer», relativiert CEO Raphael Meyer. Eine Zusammenarbeit mit Red Bull Bora-Hansgrohe gäbe es auf sportlicher Ebene nicht.
Auf den ersten Blick mutet es speziell an, dass der Medientag eines Schweizer Profiteams in Spanien stattfindet. Das hat aber praktische Gründe. Das Team bestreitet in Spanien sein Trainingslager, zudem sind viele internationale Medien wegen der Trainingslager der anderen Teams in der Region. Ansonsten aber ist die Schweiz weiterhin wichtig für das Tudor Pro Cycling Team. So zählt etwa die Tour de Suisse zu den Saisonzielen, zudem soll das Team weiterhin jungen Schweizern die Möglichkeit bieten, Erfahrungen zu sammeln. Der Berner Marc Hirschi spricht denn bei seinem Transfer auch von einem «Nachhausekommen».
Und auch Hirschi gehört zur absoluten Weltspitze, was medial leider etwas untergeht.