Zwei Rennen, zwei Siege. Für Schweizer Skifans war es ein Genuss, vor dem Fernseher zu sitzen. Erst triumphierte Marco Odermatt im bulgarischen Bansko überlegen, rund eine Stunde später strahlte Lara Gut-Behrami in Soldeu (Andorra) als Siegerin in die Kameras. Die Tessinerin hatte das Glück auf ihrer Seite, sie gewann mit einer Hundertstel Vorsprung.
Die beiden Überflieger im Schweizer Ski-Team hatten schon vor zwei Wochen für einen Doppel-Jubel am selben Tag gesorgt. Da gewann Odermatt in Garmisch-Partenkirchen einen Super-G und Gut-Behrami in der gleichen Disziplin in Cortina d'Ampezzo.
Marco Odermatt ist im Gesamtweltcup hoch überlegen. Der Nidwaldner hat mehr als doppelt so viele Punkte auf dem Konto wie sein erster Verfolger Cyprien Sarrazin aus Frankreich (1506:684). Keine Frage: «Odi» stemmt Ende Saison zum dritten Mal in Folge die grosse Kristallkugel für den besten Skirennfahrer des Winters in die Höhe.
Spannung winkt bei den Frauen. Mit ihrem Hitchcock-Sieg in Andorra hat Lara Gut-Behrami die Führung an sich gerissen. Mikaela Shiffrin verzichtete auf den Start, sie leidet noch an den Folgen ihres Sturzes in Cortina. Die Amerikanerin liegt neu fünf Punkte hinter Gut-Behrami, wann sie zurückkehren wird, liess sie zuletzt offen.
Die 32-jährige Schweizerin befindet sich im Gegensatz zu ihrer Kontrahentin in einer beneidenswerten Form. Sie gewann die letzten drei Rennen und in diesem Winter zum sechsten Mal. Dabei holte sie den Sieg dank einer Aufholjagd, die sie im 2. Lauf von Rang 9 aus noch bis ganz nach vorne brachte.
Bei den Frauen stehen in diesem Winter noch vier Abfahrten, fünf Super-G, zwei Riesenslaloms und drei Slaloms (denjenigen am Sonntag lässt Shiffrin aus) auf dem Programm. Auf dem Papier kommt dies Gut-Behrami entgegen, die im Super-G und im Riesenslalom die Disziplinenwertung anführt.
Odermatt ist in diesen beiden Disziplinen ebenfalls der Saisonbeste, zudem auch in der Abfahrt. Er könnte nebst der grossen also auch drei kleine Kristallkugeln gewinnen. Das wäre dann in den Dimensionen von Pirmin Zurbriggen, der in seiner brillanten Saison 1986/87 sogar fünf Kugeln gewann: Gesamt-, Abfahrts-, Super-G-, Riesenslalom- und Kombinations-Weltcup. Dazu gewann er in jenem Winter auch je zwei Gold- und Silbermedaillen an der WM in Crans-Montana.
Damals in den goldenen 80er-Jahren waren Schweizer Triumphe an der Tagesordnung. Aber «nur» in drei Wintern kamen sowohl bei den Frauen wie bei den Männern die Sieger des Gesamtweltcups aus unserem Land: Zurbriggen gewann 1983/84 ebenso wie Erika Hess, 1986/87 ebenso wie Maria Walliser und 1987/88 ebenso wie Michela Figini.
In den mehr als drei Jahrzehnten, die seither vergangen sind, waren die Erfolge rarer gesät. Den Gesamtweltcup gewannen nach Zurbriggens Rücktritt noch Paul Accola (1991/92), Vreni Schneider (1993/94 und 1994/95), Carlo Janka (2009/10) – sowie Lara Gut-Behrami (2015/16) und Marco Odermatt (2021/22 und 2022/23). Das aktuelle Erfolgsduo hat die Chance, nicht nur persönliche Geschichte zu schreiben, sondern auch ein besonderes Kapitel zur Schweizer Ski-Historie beizusteuern: den nächsten doppelten Schweizer Triumph.
«Odi» könnte ausserdem noch in diesem Winter zum grossen Pirmin aufschliessen. Dieser kam in seiner Karriere auf 40 Weltcupsiege, Odermatt steht bei 34 Erfolgen. Je zwei Abfahrten und Super-G sind noch im Kalender – und fünf Riesenslaloms. Die ersten sechs Riesenslaloms des Winters hat der Weltmeister und Olympiasieger in dieser Disziplin allesamt gewonnen.
Noch etwas weiter weg vom «Schweizer Rekord» ist Gut-Behrami. Mit ihren 43 Weltcupsiegen liegt sie zwölf Siege hinter Vreni Schneider.
Geniessen wirs einfach momentan, wir wissen ja leider, wie hart die Zeiten sein können.