Donald Trump macht derzeit das, was er am liebsten tut: Er führt Wahlkampf. Gegenwärtig tourt er wie eine Rockband durch die Staaten der USA. Dabei hat er sein Repertoire um einen Song erweitert: Nebst «MAGA» und «lock her up!» bemüht er nun auch einen «wütenden weissen Mob», der die demokratische Partei fest im Griff habe.
«Die Demokraten sind so extrem geworden, dass wir sie nicht mehr an die Regierung lassen dürfen. Sie sind zu gefährlich geworden, sie sind durchgeknallt», brüllte Trump am Dienstag an einer Wahlkampfveranstaltung im Bundesstaat Iowa. Demokraten würden nicht nur die Steuern erhöhen und Immigranten wahllos ins Land lassen, fantasierte Trump weiter. Sie seien «radikal» und «gestört» und würden die USA über Nacht in ein «neues Venezuela» verwandeln.
Nebst angeblich extremen Sozialisten bemüht Trump ein altgedientes Feindbild der Rechtskonservativen: den Financier George Soros. Der erfolgreiche Hedge-Fund-Manager verwendet seine Milliarden seit Jahrzehnten für philanthropische Ziele. Als glühender Anhänger und einstiger Schüler des liberalen Philosophen Karl Popper setzt Soros sich dabei für eine offene und tolerante Gesellschaft ein.
Das macht Soros zwangsläufig zum Feindbild von engstirnigen Nationalisten wie dem ungarischen Premierminister Viktor Orban oder seinem israelischen Amtskollegen Benjamin Netanjahu. Er macht auch keinen Hehl aus seiner Unterstützung für die Demokraten, deren Wahlkämpfe er immer wieder mit namhaften Beträgen unterstützt hat. Soros sei der Drahtzieher hinter den Protesten gegen die Ernennung von Brett Kavanaugh, twitterte nun auch Trump und behauptete gar, er hätte die Demonstranten bezahlt.
Dieser Unsinn wird nun auch von einst honorigen Senatoren der Grand Old Party (GOP) nachgeplappert. Charles Grassley, Vorsitzender des Justizausschusses will ebenfalls die Hand von Soros hinter den mehrheitlich friedlichen Protesten gesehen haben. Senator Orrin Hatch spricht gar von einem «bezahlten Mob, der die Senatoren davon abhalten will, ihre Arbeit zu verrichten». Das «Wall Street Journal» veröffentlicht derweil einen Kommentar unter dem Titel «George Soros’s March on Washington».
Seit Jahren ist Soros das Ziel von absurden Verschwörungstheorien. TV-Moderator Glenn Beck stellte ihn einst auf Fox News als Kopf einer geheimen Weltregierung dar. Seine Nachfolger Sean Hannity, Tucker Carlson, Laura Ingraham und Jeanine Pirro stehen ihm mittlerweile nicht nach. Seit dem Kavanaugh-Drama ist Soros Bestandteil der paranoiden Politik von Fox News und der GOP geworden.
Für Paul Krugman ist das kein Zufall. «Trump hat offensichtlich die gleichen Instinkte wie ausländische Diktatoren», schreibt er in der «New York Times». Und: «Die GOP ist ein autoritäres Regime in Wartestellung.»
Trump und die GOP wollen die Kavanaugh-Wahl und den «linken Mob» zur Erfolgsformel in den kommenden Wahlen machen. Ob sie dabei Erfolg haben werden, ist fraglich. Jüngste Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Amerikaner Kavanaugh nach wie vor ablehnt. Bei den Frauen ist die Ablehnung massiv.
Zudem scheint vor allem die Basis der Demokraten diesmal entschlossen zu sein, an die Urnen zu gehen. Das gilt selbst für die wahlfaulen Jungwähler. Als beispielsweise im Bundesstaat Tennessee die äusserst populäre Popsängerin Taylor Swift auf Instagram ihre Unterstützung für den demokratischen Kandidaten für den Senatssitz bekannt gab, explodierten die Registrierungen für die Wahlen.
Derweil meldet die «New York Times», dass in Texas die Frauen der meist stramm republikanisch wählenden Evangelikalen ihre Sympathien für den demokratischen Kandidaten Beto O’Rourke entdeckt hätten. Am 6. November sind daher Überraschungen möglich – in alle Richtungen.