Donald Trump hat einst damit geprahlt, dass er am helllichten Tag jemanden auf der Fifth Avenue in New York erschiessen könne – ohne Folgen. So weit ist es (noch) nicht gekommen. In der vergangenen Woche ist jedoch klar geworden, dass er sich problemlos wie ein Mafiaboss verhalten kann. Seiner Beliebtheit bei den Hardcore-Fans hat dies keinerlei Abbruch getan, ebensowenig sein schäbiges Verhalten nach dem Tod von John McCain.
Amerika hat den Kalten Krieg gewonnen. Demokratie und Rechtsstaat haben über Totalitarismus und Willkür gesiegt. Unter Trump jedoch werden die US-Institutionen brüchig. Russische Sitten haben in der amerikanischen Politik Einzug gehalten und bedrohen die viel gelobten «checks and balances».
Alles ist relativ geworden: Trumps Beraterin Kellyanne Conway spricht von «alternativen Fakten», sein Anwalt Rudy Giuliani erklärt, dass «die Wahrheit nicht immer die Wahrheit» sei. Derweil stellt Trumps Speichellecker bei Fox News, Sean Hannity, die Realität auf den Kopf und behauptet unverfroren, nicht Trump, sondern Hillary Clinton habe mit den Russen kooperiert.
Angesichts dieser Entwicklung stellt Thomas Friedman, Kolumnist in der «New York Times», fest: «Die Frage, wer den Kalten Krieg gewonnen hat, stellt sich erneut. Was wir bei Trump und seinen Kumpels in der Grand Old Party beobachten können, ist der Anfang der ‹Russifizierung der amerikanischen Politik›. Wladimir Putin könnte also den Krieg nach dem Kalten Krieg gewinnen.»
Ob die von Friedman angemahnte Entwicklung sich vom Konjunktiv zum Indikativ wandelt, hängt vom Ausgang der Zwischenwahlen ab. Gelingt es den Republikanern, ihre Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses (Abgeordnetenhaus und Senat) zu behalten, dann wird die «Russifizierung» weiter voranschreiten.
Ohne Pathos kann man daher sagen: Am 6. November steht das Schicksal der US-Demokratie auf dem Spiel. Der Wahlkampf wird denn auch mit ungewohnter Heftigkeit und allen dreckigen Tricks geführt.
Wie 2016 stellt sich Trump als Opfer dar und jammert, dass er von Google und Facebook unfair behandelt werde. Seine evangelikalen Anhänger hat er gewarnt, die Demokraten würden im Falle eines Wahlsieges «alles rückgängig machen, was wir erreicht haben, und zwar rasch und notfalls mit Gewalt».
Fox News lässt derweil in einer Endlosschleife ein angebliches Memorandum der Demokraten ablaufen. Die Linken würden im Fall eines Wahlsieges verlangen, dass Trump seine Steuererklärung offen legt und mehr Transparenz über seine Geschäfte fordern, heisst es unter anderem.
Das ist erst der Anfang, denn die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer «blauen Welle» kommen wird, ist gross. Nate Silver, der bekannteste Umfrageguru der USA, beziffert die Wahrscheinlichkeit, dass die Demokraten das Abgeordnetenhaus zurückerobern, auf 70 Prozent.
Ein Wahlsieg der Demokraten würde die Dynamik in Washington völlig verändern. Devin Nunes, der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses der Geheimdienste, könnte nicht mehr wie bisher sämtliche Anliegen der Demokraten abwürgen und Scheinanklagen gegen Vertreter eines angeblichen «Deep State» vorbringen. Stattdessen würde der Demokrat Adam Schiff das Szepter übernehmen und alle Hebel in Bewegung setzen, Licht in die nach wie vor ungeklärte Russland-Affäre zu bringen.
Diese Aussicht versetzt das Weisse Haus in Panik. So berichtet die «Washington Post», Trump spiele erneut mit dem Gedanken, seinen Justizminister Jeff Sessions zu entlassen, um einen willfährigen Handlanger einzusetzen, der dann den Sonderermittler Robert Mueller feuert.
Gleichzeitig werden neue Sündenböcke bei der Strafverfolgung aufgebaut. Jüngstes Opfer ist Bruce Ohr, ein hoher und sehr verdienter Mitarbeiter im Justizdepartement. Er soll angeblich das FBI beim Steele-Dossier belogen haben.
Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass der Ton im Wahlkampf sich in den kommenden Wochen noch verschärfen wird. Unsicher ist hingegen, was geschehen wird, sollte die «blaue Welle» tatsächlich eintreten. Wird Trump einen Sieg der Demokraten akzeptieren?
Die Antwort ist alles andere als klar, die Folgen wären erschreckend: «Noch ein paar Jahre Russifizierung und das Verrotten wird allgegenwärtig sein», warnt Friedman. «Russland wird den Krieg nach dem Kalten Krieg gewonnen haben.»