Zwei Tage nach der seltsamen Zusammenfassung durch den neuen Justizminister William Barr hat Sonderermittler Robert Mueller persönlich einen Brief an ebendiesen geschickt. Der Inhalt lässt eigentlich keinen Raum für Interpretationen offen:
Und weiter:
Alles klar also? Der Sonderermittler wirft dem Justizminister vor, er habe die Öffentlichkeit in die Irre geführt, und verlangt, dass dies korrigiert wird. Dass Mueller dies in der Form eines Briefes tut, zeigt, wie wichtig ihm dieses Anliegen ist. Sonst hätte auch ein Anruf genügt. Schliesslich kennen sich Mueller und Barr seit Jahrzehnten.
Auszüge dieses Briefes erschienen zunächst in der «Washington Post» und der «New York Times». Kurz bevor Justizminister Barr zu einem Hearing vor dem Justizausschuss des Senats vortrabte, war der Brief gestern in seiner vollen Länge veröffentlicht worden.
Eigentlich müsste man erwarten, dass Barr sich zumindest ein bisschen Asche über sein Haupt streut und Erklärungen für sein merkwürdiges Verhalten liefert. Mehrmals hat er dem Inhalt dieses Briefes widersprochen: Mueller habe seine Zusammenfassung abgesegnet, so Barr, und gar unter Eid ausgesagt: Er habe keine Hinweise erhalten, wonach der Sonderermittler Einwände gegen sein Vorgehen habe.
Muellers Brief verlangt zudem ausdrücklich, Barr solle die von ihm verfassten Zusammenfassungen der beiden Kapitel des Reports veröffentlichen. Er schreibt:
Barr gab sich beim Senats-Hearing ungerührt. Er bezeichnete Muellers Brief als «snitty» (schnippisch) und die Diskussion darüber als «bizarr».
Er warf dem Sonderermittler auch unterschwellig vor, er sei zu feige gewesen, um selbst ein Urteil zu fällen. Nachdem Mueller den Report eingereicht habe, sei er nun «sein Baby», führt Barr weiter aus. Er habe entschieden, dass der Präsident nicht kriminell gehandelt habe. Ende der Durchsage.
Zur Erinnerung: Der Mueller-Report hält fest, dass Trump und sein Team die russische Einmischung in den US-Wahlkampf ausdrücklich begrüsst und dass es zahlreiche Kontakte gegeben habe. Eine konspirative Zusammenarbeit sei jedoch nicht nachzuweisen und daher auch kein kriminelles Vorgehen.
Die Frage der Justizbehinderung lässt der Report jedoch offen. Als Grund führt Mueller an: Gemäss den Richtlinien des Justizdepartements könne ein amtierender Präsident nicht angeklagt werden. Dieser könne sich daher auch nicht vor Gericht verteidigen. Aus Gründen der Fairness verzichte er deshalb auf eine Anklage.
Anhand von zehn Beispielen zeigt der Report jedoch detailliert eine mögliche Behinderung der Justiz durch den Präsidenten auf und folgert:
Der offensichtlichste Fall betrifft den ehemaligen Anwalt des Weissen Hauses, Donald McGahn. Dieser hat mehr als 30 Stunden dem Team des Sonderermittlers Auskunft gegeben und dabei ausgesagt, dass der Präsident ihn aufgefordert habe, Mueller zu feuern.
Mehr noch, er habe später auch verlangt, dass er eine Akte anlege, die diesen Vorfall verneine. Mit anderen Worten: Trump habe ihn aufgefordert, zu lügen.
Viel mehr Obstruktion geht nicht, denkt der Laie. Nicht aber der mit allen Wassern gewaschene Jurist William Barr. Trump habe lediglich versucht, unpräzise Berichte in den Medien zu korrigieren, erklärte er zum allgemeinen Erstaunen der demokratischen Senatoren. Von einer Straftat könne daher keine Rede sein.
Barrs Auftritt vor dem Senatsausschuss hat gezeigt, dass er nicht gewillt ist, die Rolle eines unabhängigen Justizministers einzunehmen, wie es die Verfassung vorschreibt. Er vertritt schamlos die Interessen des Präsidenten und wird alles unternehmen, ihn zu schützen.
Klarheit in dieser Sache kann einzig Mueller schaffen. Dazu muss er seine Rolle als Sphinx zumindest teilweise aufgeben und selbst als Zeuge vor dem Kongress aussagen – sofern er nicht von Justizminister Barr daran gehindert wird.
Das einzige, was hülfe, wäre einen unverbrauchten, integren Gegenkandidaten aufzustellen und Trump abwählen zu lassen. Was, ihr habt keinen?
Warum denn nicht?