Zuerst kickte in Brooklyn die junge und völlig unbekannte Barkeeperin Alexandria Ocasio-Cortez ein Schwergewicht der demokratischen Partei aus dem Rennen. Jetzt hat in Florida der 38-jährige Andrew Gillum nachgelegt. Der schwarze Bürgermeister der Hauptstadt Tallahassee hat das Ausscheidungsrennen der Demokraten um die Wahl des Gouverneurs von Florida gegen die Favoritin des Parteiestablishments gewonnen.
Ocasio-Cortez ist eine bekennende Sozialistin. Gillum bezeichnet sich nur als «progressiv», vertritt aber ebenfalls sehr linke Anliegen: Unter anderem will er die Unternehmenssteuern erhöhen, um mehr Geld für Schulen und Universitäten zur Verfügung zu haben. Er setzt sich für eine Einheitskrankenkasse für alle und für einen Mindestlohn von 15 Dollar pro Stunde ein.
Ocasio-Cortez und Gillum sind über Nacht national berühmt geworden. Beide stammen aus einfachsten Verhältnissen. Die Eltern von Ocasio-Cortez sind Immigranten aus Puerto Rico, Gillums Vater war Bauarbeiter, seine Mutter Schulbus-Chauffeurin. Er ist das fünfte von sieben Kindern.
Ihre politischen Sporen hat Cocasio-Cortez als Wahlhelferin von Bernie Sanders verdient. Gillum wird ebenfalls vom erklärten Sozialisten und Senator aus Vermont unterstützt, obwohl er noch vor zwei Jahren im Team Clinton gespielt hat.
Der Vormarsch der jungen Sozialisten scheint auf den ersten Blick ein Steilpass für die Republikaner zu sein. Sie lassen sich nicht zweimal bitten: Gillum sei «ein gescheiterter sozialistischer Bürgermeister, der es zulässt, dass Verbrechen und andere Probleme in seiner Stadt florieren», tweetete Donald Trump.
Der Präsident hat derweil Ron DeSantis, den Sieger bei den Republikanern, unterstützt. Das ist nicht weiter verwunderlich: Der Harvard-Jurist geht in seiner Trump-Verehrung so weit, dass er seinem Sohn das Lesen mit dem Slogan «Make America Great Again» beibringt.
DeSantis ist so etwas wie ein Trump für den armen Mann. Wie sein Idol setzt er auf die Karte Rassismus. Wer Trumps frauenfeindliche Äusserungen kritisiert, ist in seinen Augen ein Verräter. Die Wahl Gillums kommentierte er mit den Worten, Florida könne es nicht zulassen, dass seine Errungenschaften «vor die Affen gehen» («monkey this up»). Die rassistischen Untertöne sind nicht zu überhören.
Ob Rassismus und Angst vor Sozialismus den Republikanern zum Sieg verhelfen werden, ist jedoch fraglich. Die Amerikaner haben die Angst vor dem Sozialismus abgelegt. So hat kürzlich eine Gallup-Umfrage ergeben, dass eine Mehrheit der jungen Wähler der Demokratischen Partei den Sozialismus dem Kapitalismus vorziehen.
Doch was genau verstehen die Amerikaner unter Sozialismus? Bernie Sanders nennt als Vorbild seines Gesellschaftsmodells die skandinavischen Länder. Das «bedeutet nicht, dass Dutzende von Millionen Amerikaner sich die Regierung an den Schalthebeln der Unternehmen wünschen», stellt Paul Krugman fest. «Es bedeutet bloss, dass sie sich ein Amerika wünschen, das ein bisschen mehr wie Dänemark ist.» Krugman ist Nobelpreis-gekrönter Ökonom und Kolumnist in der «New York Times».
«Sozialistisch» ist also in den USA bestenfalls sozialdemokratisch in unserem Sinn. Sowohl Ocasio-Cortez als auch Gillum könnten hierzulande locker als gemässigte Sozialdemokraten durchgehen.
In den USA jedoch ist die Wahrnehmung eine andere. So hat eine Moderatorin von Fox News kürzlich Dänemark mit Venezuela verglichen (kein Witz). Dabei sind die durchschnittlichen Dänen wohlhabender und sozial viel besser geschützt als die durchschnittlichen Amerikaner – und sie sind auch glücklicher. Trump und die Republikaner könnten sich daher arg verzocken. Gerade den «Sozialisten» Ocasio-Cortez und Gillum gelingt es nämlich, die Basis zu mobilisieren. So haben bei den Vorwahlen in Florida diesmal rund ein Drittel mehr Wähler teilgenommen als üblich. Sollte dies auch am 6. November der Fall sein, dann dürfte es sehr eng werden für die Grand Old Party.
Allerdings: Ganz lupenrein sind die sozialistischen Triumphe nicht. Gillums Sieg war nur möglich, weil er von zwei Milliardären und Hedge-Fund-Managern finanziert wurde: von Tom Steyer und George Soros.