Als Steve Bannon im Frühling seine Europa-Tournee absolvierte, schaute er nicht nur bei Roger Köppel vorbei, sondern auch bei Matteo Salvini. Trumps ehemaliger Chefstratege und der Lega-Chef verstanden sich blendend. Salvini hat die Lega als nationalistische, um nicht zu sagen faschistoide Partei in der europäischen Politlandschaft fest etabliert. Die Lega wird nun in einem Zug mit dem französischen Front National und der ungarischen Fidesz genannt.
Vorläufiger Höhepunkt des unaufhaltsamen Aufstiegs Salvinis waren die Wahlen im vergangenen März. 17 Prozent der Wählerinnen und Wähler stimmten für die Lega, vor fünf Jahren waren es noch 4 Prozent.
Der nächste Quantensprung zeichnet sich bereits ab. In jüngsten Umfragen sprechen sich 28 Prozent für Salvini & Co. aus. Das könnte sehr bald Realität im Parlament werden. Nach der gescheiterten Regierungsbildung sind in Italien Neuwahlen ein realistisches Szenario geworden. Vielleicht finden sie noch vor den Sommerferien statt.
Selbst Salvinis Koalitionspartner, den Cinque Stelle, wird sein Aufstieg unheimlich. Ihr Chef Luigi di Maio versucht neuerdings zu retten, was noch zu retten ist. «Wir wollen diese Krise lösen und die Märkte beruhigen», erklärte er am TV. «Lasst uns eine Regierung bilden, die bereits ein gemeinsames Programm erarbeitet hat.»
Salvini hingegen geht auf Konfrontationskurs. Für den 2. Juni hat er zu einer Grossdemonstration aufgerufen, zu einem «Marsch auf Rom». Das weckt unselige Erinnerungen. Im Oktober 1922 hat Mussolini mit einem solchen Marsch die Macht an sich gerissen.
Für die EU sind italienische Neuwahlen ein Albtraum. Gerade als es schien, dass sich die Turbulenzen um den Euro mehr oder weniger gelegt haben, bricht die Diskussion mit voller Wucht wieder aus. Die Lega hat sich den Kampf gegen die Einheitswährung auf die Fahnen geschrieben.
Brüssel und Berlin hingegen sind schlecht gerüstet. Angela Merkel ist angeschlagen. Sie unterstützt die vom französischen Präsidenten angestossene Reform des Euro nur halbherzig.
Salvini hingegen spielt diese Entwicklung voll in die Karten. Der 45-jährige Mailänder sieht im Euro den Grund aller wirtschaftlichen Übel, welche die Italiener seit der Jahrhundertwende befallen haben. Lustvoll stürzt er sich deshalb in die Euro-Schlacht in der Gewissheit, dass er nur gewinnen kann.
Die Italiener haben einst den Euro freudig begrüsst. Rund 15 Jahre wirtschaftliche Stagnation haben jedoch die Zustimmung zur Einheitswährung bröckeln lassen. Gemäss dem im vergangenen Herbst erhobenen Eurobarometer befürworten nur noch 59 Prozent der Italiener die Zugehörigkeit zum Euro. Selbst in Griechenland ist die Zustimmung grösser.
Die Finanzmärkte nehmen die Angriffe auf den Euro inzwischen ernst. Am Dienstag kam es bei den italienischen Staatsanleihen zu einem eigentlichen Blutbad. Vor allem die Papiere mit zweijähriger Laufzeit erlebten den schlimmsten Tag seit Menschengedenken. Ihre Zinsen sprangen um 1,5 Prozent in die Höhe.
Salvini lässt sich davon nicht beeindrucken. Im Gegenteil, die Panik auf den Finanzmärkten liefert ihm neue Munition. Banken sind neben Ausländern und der EU seine liebsten Feinde. Die Dummheit seiner Gegner hilft ihm dabei. So sprach der deutsche EU-Kommissär Günther H. Oettinger im deutschen Radio doch tatsächlich davon, die Märkte würden den Italienern «eine Lektion erteilen».
Für solche Torheiten ist die Lage zu ernst geworden. Der legendäre Financier George Soros warnt bereits vor einer «neuen grossen Finanzkrise». «Die EU befindet sich in einer existenziellen Krise», erklärte er an einer Tagung der Denkfabrik European Council of Foreign Relations. «Alles, was schief gehen konnte, ging schief.»
Bei den Grexit-Wirren 2015 schlossen Angela Merkel und Alexis Tsipras hinter dem Rücken ihrer beiden Finanzminister Wolfgang Schäuble und Yanis Varoufakis einen Deal, der es ihnen erlaubte, weiterzuwursteln. Auch diesmal hoffen das italienische Establishment und die EU-Technokraten, dass die Finanzmärkte den Italienern Angst einjagen und sie zum Umdenken bewegen werden.
Es ist eine trügerische Hoffnung. Auch die Italiener haben den Grexit-Film gesehen – und sind wenig begeistert davon. Sie wissen zudem, dass ein Italoexit der EU sehr viel mehr weh tun würde. Ohne Reformen und Zugeständnisse an Rom wird es sehr schwierig werden, den Euro ein weiteres Mal zu retten.