Schweizerische Nationalbank: Ich bin auch ein Wal
Gestern hatten die amerikanischen Tech-Aktien einmal mehr einen sehr guten Tag. Die Aussicht auf Zinssenkungen der US-Notenbank, der Fed, und die Ankündigung des amerikanischen Finanzministers Scott Bessent, wonach ein TikTok-Deal unmittelbar bevorstehe, liessen die Kurse von Nvidia & Co. an der Tech-Börse Nasdaq einmal mehr in neue Rekordhöhe aufsteigen.
Zu den bedeutendsten Gewinnern dieses Börsenfeuerwerks gehören nicht etwa Tech-Nerds oder Hedgefunds. Wer sich vor allem die Hände reiben darf, sind die konservativen Geldmanager der Schweizerischen Nationalbank (SNB), denn sie gehört zu den grössten Tech-Investoren der Welt. Und weil grosse Investoren im Börsen-Jargon «Wale» genannt werden, bezeichnet die «Financial Times» die SNB denn auch als den «Tech-Wal der Schweiz».
Die Zahlen, welche die renommierte Wirtschaftszeitung auflistet, sind tatsächlich imposant. Die SNB hat Aktien im Wert von gegen 170 Milliarden Dollar in ihrem Portfolio. Mehr als 42 Milliarden Dollar davon sind Wertpapiere von Amazon, Apple, Meta, Microsoft und Nvidia. An Apple ist die SNB mit rund 10 Milliarden Dollar beteiligt, an Nvidia mit mehr als 11 Milliarden Dollar. Damit spielt die SNB in einer Liga, in der auch «die Staatsfonds von Singapur und Katar zu finden sind», stellt die «Financial Times» fest.
Warum macht die SNB das? Ihr Job ist es doch, einzig und allein für einen stabilen Franken zu sorgen. Genau deswegen investiert sie in ausländische Vermögenswerte, und zwar im grossen Stil. Gegen 90 Prozent ihres Portfolios bestehen aus Assets in Fremdwährung. Rund zwei Drittel davon sind Staatsanleihen, zehn Prozent sind Anleihen von Unternehmen und der Rest, rund 25 Prozent, sind Aktien.
Das Verhalten der SNB ist nicht typisch für Notenbanken. «Keine andere Zentralbank hat so hohe Aktienpositionen in ihrem Portfolio», stellt die «Financial Times» fest. Der Grund liegt nicht etwa darin, dass bei der SNB Zocker am Werk sind. Weil sie klein ist, hat die Schweiz gar keine andere Option, um die Aufwertung ihrer Währung in nicht mehr tragbare Höhen zu verhindern.
Die Fed und die Europäische Zentralbank beispielsweise können mittels des quantitativen Easings den Wechselkurs ihrer Devisen steuern. Die SNB hingegen kann die Aufwertungsschocks für den Franken nicht auf diese Art und Weise auffangen. Sie muss regelmässig Franken verkaufen und damit ausländische Vermögenswerte, hauptsächlich Dollars, erwerben. Die SNB lagert ihr quantitatives Easing gewissermassen aus. «Dieser Ansatz ist fundamental verschieden von dem Verhalten anderer Zentralbanken», stellt Karsten Junius, Chefökonom der Bank Safra Sarasin, fest.
Das Verhalten der SNB ist nicht ohne Risiko. Weil der Kurs des Dollars in den Keller rasselte und Trump mit seinen «reziproken Zöllen» einen kurzzeitigen Mini-Crash bewirkte, musste die SNB im ersten Halbjahr dieses Jahres einen Verlust von über 15 Milliarden Franken ausweisen. Dank der extremen Kursgewinne der Aktien von Nvidia und anderen dürfte dieser Verlust inzwischen mehr als kompensiert sein.
Trotzdem: Das Risiko bleibt. Ein Crash der Tech-Aktien würde die SNB empfindlich treffen. Angesichts der schwindelerregenden Kurse der Tech-Aktien und der erratischen Wirtschaftspolitik der Trump-Regierung ist ein solcher Crash nicht auszuschliessen.
Ganz andere Sorgen plagen derweil die amerikanische Notenbank. Sie steht nach wie vor unter massivem Druck aus dem Weissen Haus. Donald Trump will auf Teufel komm raus erzwingen, dass Fed-Präsident Jerome Powell die Leitzinsen senkt, und zwar nicht ein bisschen, sondern um mindestens drei Prozent.
Der US-Präsident braucht dringend billiges Geld, denn seine Steuergeschenke an Superreiche und Unternehmen werden ein Milliarden-Loch in die amerikanische Staatskasse reissen. Ein Loch, das die Zolleinnahmen – mögen sie noch so reichlich fliessen – nicht zu stopfen vermögen.
Fed-Präsident Powell hingegen will unter allen Umständen verhindern, dass die Inflation wie nach der Pandemie ausser Kontrolle gerät. Gleichzeitig mehren sich jedoch auch die Anzeichen, dass Trumps Zollpolitik die Wirtschaft zu schwächen beginnt, was wiederum für eine Zinssenkung spricht.
Der Fed-Präsident befindet sich daher zwischen Hammer und Amboss. Senkt er die Leitzinsen, erhöht sich die Inflationsgefahr. Senkt er sie nicht, oder – wie allgemein erwartet – bloss um 2,5 Prozentpunkte, zieht er nicht nur den Zorn des Präsidenten auf sich. Er riskiert auch, dass die amerikanische Wirtschaft in eine Rezession abgleitet.
Angesicht dieser Probleme kann sich der «SNB-Wal» eigentlich noch ganz glücklich schätzen.
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