Donald Trump verkündet gestern, er sei nun «oberster Kriegsherr und im Kampf gegen einen unsichtbaren Gegner». Für einmal sagt der US-Präsident die Wahrheit. Das Coronavirus könnte im schlimmsten Fall gegen 60 Millionen Tote rund um den Globus fordern. Das sind keine Prognosen von klickgeilen Sensationsjournalisten, das befürchten führende Epidemiologen.
Die Reaktion auf die Pandemie ist daher durchaus mit dem Ausbruch eines Krieges zu vergleichen. Grenzen werden geschlossen, Medikamente rationiert und infizierte Menschen isoliert.
Um die Wirtschaft vor einer Kernschmelze zu schützen, werden derweil Massnahmen verkündet, die in normalen Zeiten völlig undenkbar wären: In der Schweiz fordern ETH-Professoren ein Hilfsprogramm von 100 Milliarden Franken. Die Europäische Zentralbank will Staatsanleihen in der Höhe von 750 Milliarden aufkaufen, und der US-Präsident will gar 500 Milliarden Dollar Cash an die Haushalte verteilen.
Die Regierungen reagieren damit auf die Schäden, die das Virus bereits verursacht hat: Die Zahl der Arbeitslosen schnellt in die Höhe, Gewerbebetrieben droht ein Liquiditätsengpass, will heissen, sie haben bald kein Geld mehr, um fällige Rechnungen und Löhne zu bezahlen.
Der «unsichtbare Gegner» trifft die Wirtschaft dort, wo es am meisten weh tut, beim Konsum. Rund zwei Drittel des Bruttoinlandprodukts (BIP) entfallen auf diesen Bereich. Ausgerechnet der Konsum wird in der staatlich verordneten Schockstarre weitgehend lahmgelegt. So stellen die Ökonomen der Credit Suisse in einer kurzen Studie fest:
Wenn Museen, Theater und Kinos geschlossen werden, Hotels leer sind und Flugzeuge am Boden bleiben, dann löst dies eine Kettenreaktion aus, welche die gesamte Volkswirtschaft erschüttert. Die Prognosen der Ökonomen werden daher immer düsterer. In den USA wird bereits von einem Schrumpfen des BIP um zehn Prozent im 2. Quartal gesprochen. Das ist mehr als zu den dunkelsten Zeiten der Finanzkrise Ende 2008.
Die Finanzmärkte reagieren denn auch heftig auf diese Situation. Aktienkurse rasseln in den Keller. Weil die Anleger Sicherheit suchen, müsste der Preis für Gold und Silber steigen. Das ist nicht der Fall. Weil alle Cash brauchen, wird selbst das Tafelsilber auf den Markt geworfen.
Präsident Trump hat gestern an einer Pressekonferenz rasche Besserung in Aussicht gestellt: «Wenn dies alles gelöst ist, wird es ein schnelles Comeback geben», versprach er vollmundig. Das dürfte einmal mehr Wunschdenken sein. «Die Wirkung des Coronavirus wird wahrscheinlich gravierend und langwierig sein», warnt Martin Wolf, Chefökonom der «Financial Times». «Zumindest müssen sich die zuständigen Stellen darauf einstellen.»
Im besten Fall wird es bei einer kurzen Rezession bleiben. Doch die Gefahr einer Depression ist da, zumal auch in den reichen Ländern Unternehmen und Haushalte dank der langen Phase des billigen Geldes hoch verschuldet sind. Daher droht auch die berühmt-berüchtigte Verelendungsspirale: Der Konsum schwächt sich weiter ab, die Unternehmenspleiten mehren sich, die Arbeitslosigkeit nimmt zu.
Die Notenbanken können in ihrer Funktion als «Gläubiger in letzter Instanz» eine Finanzkrise verhindern. Gegen eine Nachfragekrise sind sie weitgehend machtlos. Deshalb muss der Staat einspringen und als «Käufer in letzter Instanz» auftreten.
Wolf zitiert die beiden Ökonomen Emmanuel Saez und Gabriel Zucman wie folgt:«Der direkteste Weg, Hilfe zu leisten, besteht darin, dass die Regierung als Käufer in letzter Instanz auftritt. Wenn die Regierung die verflogene Nachfrage ersetzt, kann jedes Geschäft seine Angestellten weiter bezahlen und sein Kapital zusammenhalten.»
Zum Glück sind die meisten Regierungen in der Lage, die Rolle des «Käufers in letzter Instanz» zu spielen, denn dank den tiefen Zinsen können sie Geld zu sehr günstigen Konditionen aufnehmen. Das gilt ganz speziell für die Schweiz. Unsere Staatsverschuldung ist klein, unser Spielraum sehr gross.
Hoffentlich erinnert sich nach der Krise noch jemand daran, wer die Helden des Alltags waren, wenn es darum geht, wie weit sich Unternehmen und Vermögende am Gemeinwohl beteiligen sollen.