Wirtschaft
Bundesrat

Höhe zollfreier Einfuhren in der Vernehmlassung umstritten

Höhe zollfreier Einfuhren in der Vernehmlassung umstritten

16.03.2024, 07:01
Mehr «Wirtschaft»

Die vom Bund geplante Halbierung der Wertfreigrenze am Zoll von 300 auf 150 Franken stösst nicht auf einhellige Zustimmung. SP und Konsumentenschutz lehnen sie ab. Dem Detailhandel und der Wirtschaft geht sie hingegen zu wenig weit.

Einkaufstourismus
Im Ausland zu shoppen, könnte bald teurer werden.Bild: Shutterstock

Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) schlägt vor, die Wertfreigrenze im Reiseverkehr ab 1. Januar 2025 auf 150 Franken pro Person zu senken. Ein noch tieferer Betrag würde den Aufwand von Verzollung und Kontrollen an den Grenzübergängen unverhältnismässig erhöhen, schrieb das EFD bei der Eröffnung der Vernehmlassung, die am Freitag zu Ende ging. Auch müsste mit mehr Schmuggel gerechnet werden.

Der Verband der Detailhandelsunternehmen Swiss Retail Federation fordert dagegen eine Wertfreigrenze von 50 Franken, denn das heutige System benachteilige den Schweizer Detailhandel. Die Senkung auf 150 Franken löse die Probleme nicht. Der befürchtete administrative Aufwand könne mit der «QuickZoll»-Applikation aufgefangen werden, die die digitale Selbstdeklaration von Waren vor dem Grenzübertritt einfach ermögliche.

Für den Wirtschaftsdachverband Economiesuisse ist der volkswirtschaftliche und administrative Nutzen der geplanten Anpassung ungenügend. Die Herabsetzung der Freigrenze verfehle die Kernproblematik der Hochpreisinsel Schweiz. Für Economiesuisse müsste die Freigrenze aus «rein steuersystematischer» Sicht bei oder nahe null Franken liegen. Economiesuisse befürchtet auch einen grossen administrativen Aufwand.

Der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) stimmt der Vorlage zu regt aber an, den Gesamtwert für die Steuerbefreiung auf 50 Franken anzusetzen, genauso wie der Gewerbeverband des Grenzkantons Basel Stadt. Die Organisation der Schweizer Milchproduzenten (Swissmilk) begrüsst die Senkung «ausdrücklich».

SP und Konsumentenschutz gegen Hochpreisinsel

Für die SP bestraft eine solche Massnahme lediglich Konsumenten und Konsumentinnen. Es gebe Menschen, die darauf angewiesen seien, dass sie im Ausland Lebensmittel einkaufen könnten, weil sie sich die hohen Preise in der Schweiz nicht leisten könnten. Die Partei befürchtet zudem eine Bürokratisierung.

Die Stiftung für Konsumentenschutz ist aus diesen Gründen ebenfalls gegen die Senkung und hat darum eine Petition lanciert. Die geplante Massnahme führe zu Mehrverkehr und einer Bürokratisierung bei der Wareneinfuhr «zulasten des Zollpersonals und der Bevölkerung».

FDP und SVP einverstanden

Laut FDP trägt das Vorhaben dazu bei, die heute «staatlich verzerrte Wettbewerbsfähigkeit der Grenzregionen» zu stärken. Die Partei betont die Notwendigkeit einer möglichst unbürokratischen Umsetzung zur Selbstverzollung über die App «QuickZoll». Die SVP und die Grünen unterstützen die Vorlage ebenfalls.

Das EFD will mit dem Vorschlag eine Forderung des Parlaments umsetzen. Die von den Räten gutgeheissene Motion verlangt, die Wertfreigrenze an die Ausfuhr-Bagatellgrenze des Herkunftslandes anzupassen. Bei dieser handelt es sich um den Mindesteinkaufsbetrag im Ausland, der pro Verkaufsgeschäft oder pro Rechnung erreicht werden muss, damit die Mehrwertsteuer zurückerstattet wird.

Der Bundesrat hatte die vom Parlament angenommenen Vorstösse zur Ablehnung empfohlen. Die Grenzkantone Kantone Thurgau und St. Gallen wiederum haben wegen der Steuergerechtigkeit Standesinitiativen eingereicht. Sie fordern die Abschaffung der Wertfreigrenze.

Wettbewerbsvorteil fürs Ausland

Bei der Einfuhr in die Schweiz müssen derzeit Einkäufe versteuert werden, wenn sie einen Gesamtwert von 300 Franken übersteigen. Einkaufstouristen in Deutschland könnten nach wie vor zwischen 50 Euro und 150 Franken mehrwertsteuerfrei einkaufen. Ähnliches gilt für Österreich, und Frankreich. Dort liegt die Bagatellgrenze bei 75 Euro respektive 100 Euro. Italien hat die Bagatellgrenze per 1. Februar von 155 auf 70 Euro reduziert.

Die Vernehmlassung wurde am 30. November 2023 eröffnet. Das EFD plant, dass Verzollungen künftig mehrheitlich digital abgewickelt werden können. Darum soll die Verzollungsapplikation «QuickZoll» angepasst werden. (saw/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
65 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Lord_ICO
16.03.2024 07:24registriert März 2016
FDP und SVP, stimmen immer dann schnell zu, wenn sie damit die Wirtschaft zu Gunsten der Gesellschaft bevorzugen können. Und dass Economiesuisse und die Gewerbeverbände am liebsten eine Nulltoleranz hätten, zeigt auch schön, wie gesellschaftsfeindlich diese Personen denken. Und die Kirsche auf der Torte ist dabei, dass deren Mitglieder wenn möglich alles dank Freihandelsabkommen zollfrei importieren können und uns dann lustig den CH-Bonus drauknallen können. Ein Haufen Heuchler sind das.
9211
Melden
Zum Kommentar
avatar
Overton Window
16.03.2024 07:57registriert August 2022
Die Freigrenze erhöhen wird absolut nichts am Einkaufstourismus ändern, denn das bisschen MwSt macht den Unterschied nicht. Es ist einfach ein Zusatzaufwand für den Zoll und wird unter dem Strich ein Verlustgeschäft. Genau darum hat man die Zollfreigrenze damals von 50 auf 300 erhöht.

Oder auf deutsch: "Wie blöd kann man denn sein?"
Durchschnittspolitiker: "Ja."
787
Melden
Zum Kommentar
avatar
Raki
16.03.2024 08:16registriert Januar 2024
Also nur Wettbewerb wenn es den CH Unternehmen nutzt... sonst böse. Ergo, Wettbewerb durch EU-Arbeitnehmer aufm Arbeitsmarkt, aber bitte ja kein Wettbewerb durch Einkaufen im EU-Ausland 🤣 Alles klar. Die Konsumenten und Arbeitnehmer sollen also nur die realen Nachteile haben, aber bitte kaum Vorzüge der 'Liberalisierung' und offenen Märkte haben. Naja, kann man machen, ist aber eine Bankrotterklärung des CH-Unternehmertums, welches offensichtlich den Wettbwerb scheut um ihre überhöhten Margen zu sichern und dann gleich nach dem Staat und Massnahmen schreit.
591
Melden
Zum Kommentar
65
Krise im Roten Meer: Diese Schweizer Firma kämpft mit 50 Prozent höheren Transportkosten
Schweizer Firmen, die in Asien produzieren, sind von längeren Lieferzeiten und höheren Kosten betroffen. Setzen die Betriebe deshalb wieder mehr auf lokale Produktion?

Über ein halbes Jahr ist es her, seit die jemenitischen Huthi-Rebellen im Roten Meer ihre erste Attacke auf ein Frachtschiff verübten. Seither haben sie Dutzende Schiffe attackiert, und ein Ende der Gefahr ist nicht abzusehen. Vielmehr drohen die Huthi-Rebellen nun sogar damit, auch Handelsschiffe im Mittelmeer anzugreifen.

Zur Story