Ohne Verpackung? Mit Plastiksack, Papiertüte oder doch mit Mehrwegtasche? Beim Offenkauf von Äpfeln, Birnen oder Tomaten müssen die Kunden in Schweizer Läden seit Anfang Jahr angeben, wie sie ihre Früchte und Gemüse wägen. Ein Klick mehr, ein Klick komplizierter.
Der Grund: Das Eidgenössische Institut für Metrologie (Metas), die Bundesbehörde für alle Fragen des Messens, für Messmittel und Messverfahren, hat die Mengenangabeverordnung abgeändert. Respektive: Sie hat eine breit akzeptierte Ausnahmeregelung aus der besagten «Verordnung über die Mengenangabe im Offenverkauf und auf Fertigpackungen» gestrichen. Bis Ende 2024 durfte beim Offenverkauf das Gewicht eines Schutzsacks oder einer anderen Verpackung zum Nettogewicht dazugezählt werden, sofern dieses nicht mehr als 2 Gramm betrug. Neu ist das nicht mehr möglich.
Oder anders gesagt: Künftig fordert das Metas – gemäss Eigenwerbung «der Ort, wo die Schweiz am genausten misst» – mehr Präzision. Preislich fällt dies aber nicht ins Gewicht. Ob mit oder ohne Plastiksack gewogen, die Birnen kosten immer gleich viel.
Damit eine 2-Gramm-Differenz sich auf dem Kassenzettel bemerkbar macht, müssten äusserst teure Früchtchen ins Plastiksäckli. Einsparungen von 5 Rappen winkten erst ab einem Kilopreis von 25 Franken. Freilich kann je nach Ausgangsgewicht ein 2-Gramm-Schritt einen 5-Rappen-Rundungssprung auslösen. Mehr ins Gewicht geht das Wägen mit ökologischeren, aber auch deutlich schwereren Mehrwegtaschen, was etwa die Zeitschrift «K-Tipp» in der Vergangenheit mehrmals kritisiert hatte. Doch die meisten Mehrwegtaschenbenutzer wägen die Früchte ohnehin ohne Sack und füllten diese erst dann ein.
Wieso also musste alles komplizierter werden? EU-Kritiker haben das regulierungsfreudige Brüssel im Verdacht, andere übereifrige Politiker. Doch weit gefehlt. Es waren die heimischen Messexperten, die zugeschlagen haben. Das Metas habe schon «vor 2020» erkannt, dass in der heutigen Zeit moderner Waagen die 2-Gramm-Regel überholt sei und die entsprechende Verordnung angepasst werden sollte, wie Sprecher Peter Rohrer auf Anfrage erklärt. «Wir haben einen Vorschlag ausgearbeitet und 2019 bei allen entsprechenden Stakeholdern zur Vernehmlassung geschickt», also unter anderem bei der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS), den schweizerischen Grossverteilern und den entsprechenden Branchenverbänden wie der Swiss Retail Federation. Dieser gehören unter anderem die deutschen Discounter Aldi und Lidl, Manor und Volg an.
Die Branche freilich war wenig begeistert. Die IG Detailhandel, die Interessengruppe von Migros, Coop und Denner, wies damals darauf hin, dass eine Änderung sowohl zu «Praktikabilitätseinbussen» für die Konsumenten und Konsumentinnen als auch zu einem hohen Umstellungsaufwand für die Händler führen könnte. Wegen des grossen Umstellungsaufwandes haben «wir gemeinsam mit der IG Detailhandel die geplante Änderung abgelehnt», hält Migros-Sprecherin Estelle Hain fest.
Die finanzielle Einsparung für die Konsumenten im tiefen Rappen-Bereich «steht aus unserer Sicht in keinem Verhältnis zum Aufwand respektive den Kosten, die im Detailhandel entstehen».
Die Anpassung wurde dann im November 2019 vom Metas dennoch ratifiziert, die Branche erhielt als Entgegenkommen eine Karenzfrist von fünf Jahren. Diese ist nun abgelaufen.
Und so mussten die Selbstbedienungswaagen an den Verkaufsstellen mit Offenverkauf umgerüstet werden, allein bei der Migros waren es 3500 Stück. Was das letztlich gekostet hat, will sie nicht bekannt geben. Ebenso wenig wie Konkurrent Coop.
Nicht umsetzen ist jedenfalls keine Option. Denn es würden Kontrollen durchgeführt, sagt Migros-Sprecherin Hain. Dafür zuständig sind die Kantone respektive die kantonalen Eichämter. Bis anhin wurden der Bundesbehörde noch keine Verstösse gemeldet, wie Rohrer festhält. «Die Eichmeisterinnen und Eichmeister wurden vom Metas jedoch angehalten, bei Unregelmässigkeiten die entsprechend verantwortlichen Personen bei den Verkaufsorten auf die neue Regulierung aufmerksam zu machen und anschliessend Nachkontrollen zu vollziehen.»