In den Standortwettbewerbs-Hitparaden belegt die Schweiz regelmässig vorderste Plätze. Gilt dies auch für den Hi-Tech-Bereich?
In dieses Indizes wird sehr viel Verschiedenes gemessen: Politische Stabilität, wie lange es dauert, bis Sie ein Geschäft eröffnen können, wie leicht Sie einen Kredit erhalten, etc. All diese Dinge sind in der Schweiz optimal.
Dazu kommt eine erstklassige Infrastruktur, Bildungs- und Gesundheitswesen.
Richtig. Aber nicht, oder nur unzulässig gemessen wird jedoch die Innovation: Was gibt es für Start-ups, die wirklich etwas Neues auf den Markt bringen? Welche Start-ups schaffen nicht nur ein paar, sondern ein paar hundert oder gar tausend Arbeitsplätze? Da sieht die Statistik alles andere als glänzend aus.
Dabei führen wir dieses Gespräch im Technopark in Zürich, der genau zu diesem Zweck geschaffen wurde. Funktioniert das Konzept nicht?
Die meisten Unternehmen in Technopark sind nicht im Hi-Tech, sondern im mittleren Bereich angesiedelt. Oder sie sind in Nischenmärkten tätig. Schauen Sie sich an, wie viele Beratungsunternehmen es hier hat.
In Dübendorf soll bald ein Innovationspark entstehen.
Das ist eine gute Geschichte. Dort kann man Hi-Tech-Firmen ansiedeln, auch aus dem Ausland. Dazu kommt, dass dort auch grosse Forschungszentren untergebracht werden sollen, auch staatliche, wie etwa die Empa.
In den USA spielt Darpa, das Forschungsprogramm der Militärs, eine grosse Rolle in der Entwicklung von Hi-Tech. Auch in Israel ist die Armee ein bedeutender Faktor in diesem Bereich. Welche Rolle spielt der Staat in der Start-up-Förderung?
Wenn die Staatsangestellten selbst aus der Hi-Tech-Szene stammen, dann ist das sinnvoll. Darpa spielt im Silicon Valley tatsächlich eine bedeutende Rolle und hat viele wichtige Projekte angestossen, beispielsweise die selbstfahrenden Autos. Das Cern bei Genf ist ebenfalls eine Institution, die extrem wichtig für den Hi-Tech-Bereich ist.
Die beiden ETHs gelten als beste Hochschulen ausserhalb der USA. Woran hapert es also in der Schweiz?
Sicher nicht an der Klasse der Universitäten und der Forschungsanstalten. Auch nicht am Geld. Wir haben zu wenig hungrige Unternehmer, die auch bereit sind, Risiken einzugehen. Im Silicon Valley, in Israel und zunehmend auch in China haben Sie diese «Rebellen», wie sie genannt werden. Sie sind die treibende Kraft in Ökosystem der Start-ups.
In der Schweiz scheitern nur wenige Start-ups. Das ist doch toll.
Nur bedingt. Was hierzulande als Erfolg eingestuft wird, gilt im Silicon Valley als Flop. Die wenigsten von ihnen spielen ihre Investitionen wieder ein. Der grosse Durchbruch gelingt ihnen nicht. Trotzdem existieren sie weiter und beschäftigen fünf bis zehn Mitarbeiter. Sie sind jedoch weit davon entfernt, ein «Unicorn» zu werden, ein Unternehmen mit einer Kapitalisierung von mindestens einer Milliarde Franken.
Unternehmen wie Swisscom, SIX oder die Banken führen inzwischen auch sogenannte Hackathons durch, um die Nerds an sich zu binden. Warum soll ich als junger Software-Ingenieur nicht anständig bezahlt bei diesen Unternehmen arbeiten, anstatt mich bei lausiger Bezahlung in einen Coworking-Büro abmühen?
Vielleicht ist das das Problem. Es ist nach wie vor zu einfach, bei einem dieser Unternehmen unterzukommen. Deshalb fehlen uns die Rebellen. Ich bin jedoch überzeugt, dass sich das massiv ändern wird. Die Finanzindustrie baut bereits Jobs ab. Im Tessin etwa sind seit der Jahrhundertwende fast die Hälfte aller Bankenarbeitsplätze verloren gegangen. Nehmen sie als Kontrastprogramm Israel. Dort wollen drei von vier Hochschulabgängern in einem Start-up arbeiten – oder selbst eines gründen.
Weil sie nicht die Möglichkeit auf einen sicheren und gut bezahlten Job haben?
Falsch. Es gibt in Israel inzwischen sehr viele Jobs bei grossen Unternehmen. Doch die jungen Israeli haben eine andere Mentalität. Sie wollen etwas Neues schaffen. Deshalb haben die Grossunternehmen dort Schwierigkeiten, die besten Hochschulabgänger zu kriegen.
Die Schweiz mag zu wenig Rebellen haben. Aber wir sind sehr gut darin, etablierte Unternehmen ordentlich zu managen und den neuen Anforderungen anzupassen. Vielleicht haben wir eine andere Mentalität und daher andere Qualitäten.
Sicher kann man die Schweiz nicht über Nacht in eine Rebellen-Nation verwandeln. Ich sage auch nicht, dass das etwas Schlechtes ist. Ich sehe einfach das Problem, dass die zukünftigen Arbeitsplätze im Hi-Tech-Umfeld generiert werden. Und jeder Hi-Tech-Arbeitsplatz sorgt indirekt für fünf weitere Jobs in anderen Bereichen. Selbst die am besten gemanagten traditionellen Unternehmen werden nicht neue Jobs im grossen Stil schaffen. Sie werden im Gegenteil versuchen, noch effektiver zu werden und mit weniger Personal auszukommen.
Dafür sind Firmen wie Google nach Zürich gekommen und haben ihre Präsenz massiv ausgebaut.
Wir sollten das nicht überbewerten. Google ist ein Glücksfall. Das Unternehmen ist letztlich nach Zürich gekommen, weil Marissa Mayer, damals Mitglied der Google-Geschäftsleitung und später CEO von Yahoo, zufällig ein paar Monate bei der UBS in Zürich gearbeitet hat. Es hat ihr hier gefallen, daher ist Google an die Limmat gezogen. Grundsätzlich ist es jedoch sehr schwierig, Unternehmen aus dem Silicon Valley in die Schweiz zu locken, vor allem auch, weil wir sehr teuer sind.
Und was ist mit dem Kryptovalley in Zug?
Das ist ein guter Ansatz. Bisher sind wir jedoch noch weit davon entfernt, dass hier Tausende von neuen Arbeitsplätzen entstehen. Ethereum beispielsweise, das hochgelobte Blockchain-Unternehmen, ist de facto aus Zug verschwunden und ist jetzt grösstenteils in China.
Es gibt Stimmen, die sagen: Die Aufregung um Blockchain und Fintech sei ein vorübergehender Hype.
Blockchain und Fintech haben ihre Berechtigung.
Natürlich wird es immer Übertreibungen und Korrekturen geben. Nach dem Dotcom-Crash haben sich viele auch vom Online-Handel verabschiedet. Sie müssen jetzt kiloweise Kreide essen.
Was für eine Prognose haben Sie für den Hi-Tech-Standort Schweiz?
Ich sehen generell für Europa eher schwarz, wir geraten ins Sandwicht von Silicon Valley und China. In den letzten beiden Quartalen wurde in China erstmals mehr Wagniskapital investiert als in den USA. China hat ideale Voraussetzungen für Hi-Tech-Unternehmen: Sehr viel und inzwischen auch gut ausgebildete Ingenieure und einen riesigen Markt. Das Silicon Valley wird seine Stellung verteidigen können Aber für Europa wird es sehr schwer werden, da mithalten zu können.
Was kann also getan werden?
Das Ziel muss sein grosse Hi-Tech-Firmen die viele Arbeitsplätze schaffen zu bekommen. Dafür müssen alle an einem Strang ziehen.
Zunächst mal muss man aufhören die Dinge zu beschönigen und den Tatsachen in die Augen sehen. Dazu gehört auch, dass wir uns mit den führenden Innovationszentren wie Silicon Valley, Israel und neu China messen und vergleichen, denn dort entstehen die neuen Arbeitsplätze.
Was können die etablierten Grossunternehmen tun?
Sie müssen neue Technologien früh einzusetzen und nicht erst, wenn sie sich nach drei bis fünf Jahre etabliert haben. So können lokale Start-ups rasch Kunden finden. Sinnvoll wäre es auch, wenn Penisonskassen rund zwei Prozent ihres Vermögens in Risikokapital investieren würden.
Wie kommen wir zu den Rebellen?
Wenn wir sie nicht in der Schweiz finden, dann müssen wir sie aus dem Ausland holen. Es ist durchaus möglich, Schweizer Tugenden mit den Eigenschaften von Rebellen zu verbinden.