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Windland Schweiz: So viele neue Windräder bräuchte es laut BKW-Chef

BKW-Chef Robert Itschner setzt auf Windkraft, weil sie vergleichsweise günstig ist.
BKW-Chef Robert Itschner setzt auf Windkraft, weil sie vergleichsweise günstig ist.Bild: oliver oettli

«Die Schweiz ist ein Windland» – so viele neue Windräder bräuchte es laut BKW-Chef

Trotz viel Gegenwind will der Energiekonzern BKW mehr Windräder aufstellen – auch in der Schweiz. Doch vorerst investiert das Unternehmen seine Millionen lieber im Ausland, in Italien etwa.
20.10.2024, 22:14
Florence Vuichard / ch media
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Im November 2023 kam nach rund zehn Jahren die vermeintliche Erlösung für die Windparkbauer. Nach einem langwierigen Gang durch die juristischen Instanzen lehnte das Bundesgericht die Beschwerden ab.

Die BKW-Gruppe machte sich an die Arbeit, um jetzt endlich ihren Windpark bei Tramelan im Berner Jura zu bauen. Die sechs Windräder dürften rund 27 Gigawattstunden Strom pro Jahr abliefern. Das sollte für 6000 Haushalte reichen.

Rein technisch gesehen könnte es auch deutlich mehr sein. Doch die BKW darf nicht die modernsten Turbinen einbauen, sondern muss sich an das Modell halten, dass sie zehn Jahre zuvor ins Baugesuch geschrieben hat. Will der Stromkonzern den Typus ändern, muss er ein neues Baugesuch einreichen und wieder von vorne anfangen.

Die Folge: Er muss seine Windräder mit veralteter Technologie bauen. «Etwas absurd ist das schon», sagt BKW-Chef Robert Itschner im Gespräch mit der «Schweiz am Wochenende». Bauen will er aber trotzdem: «Dieser Windpark ist immer noch viel besser als gar kein Windpark.» Er werde auch so einen signifikanten Beitrag zur Stromproduktion leisten.

Der Fall Tramelan ist sinnbildlich für den Kampf gegen Windmühlen, der hierzulande besonders hart ausgefochten wird. Kaum wird von Investorenseite laut über mögliche Standorte nachgedacht, sind die Gegner schon vor Ort. Das Resultat: Die Schweizer Stromunternehmen gehen mit ihren Wind-Millionen ins Ausland.

So auch das börsenkotierte Berner Stromunternehmen. Rund 1 Gigawatt an Windleistung hat die BKW bis heute insgesamt installiert: ein wenig im Berner Jura – und deutlich mehr in Italien, Deutschland, Frankreich, Norwegen und Schweden. Zusammen produzieren die Windräder gut 2,2 Terawattstunden pro Jahr. Das entspricht knapp einem Viertel der gesamten jährlichen Stromproduktion der BKW von 9,5 Terawattstunden.

Alle Windpärke werden von Italien aus kontrolliert

Überwacht werden die insgesamt 42 hauseigenen Windpärke von einem einzigen Kontrollraum in Troia aus, einer Kleinstadt in Apulien. Von dort können die Mitarbeitenden der BKW-Servicetochter Arowya auf die Daten jedes Windrads zurückgreifen und bei Bedarf eingreifen.

Lässt sich das Problem nicht vom Computer aus beheben, rufen die Überwacher die Techniker vor Ort an – ganz egal, ob eine Turbine im Windpark Bippen im norddeutschen Niedersachsen defekt ist, im Berner Jura oder im «nur» rund 200 Kilometer südlich gelegenen Castellaneta.

Heute besitzt die BKW insgesamt elf Windparks im Süden Italiens, verteilt auf die Landwirtschaftsflächen in den Provinzen Apulien und Basilikata. Bald soll mit einer Anlage im apulischen Cerignola ein zwölfter hinzukommen.

Damit betritt der Schweizer Stromkonzern Neuland. Zum ersten Mal hat er im Ausland nicht einen fertigen Windpark übernommen, sondern «nur» ein Projekt, ausgestattet mit allen Bewilligungen. Im November ist Baustart, in einem Jahr sollen die 29 Windräder ans Netz gehen. Damit steigt die BKW in Italien in die Gruppe der zehn grössten Windproduzenten auf.

Der Castellaneta-Windpark der BKW in Apulien.
Der Castellaneta-Windpark der BKW in Apulien.Bild: oliver oettli

Rund 250 Millionen Franken investiert die BKW in den Cerignola-Windpark. Geld, das der Stromproduzent auch in der Schweiz hätte investieren wollen. «Wir haben eine Liste mit Investitionsprojekten im Wert von rund 1 Milliarde Franken in der Schweiz», sagt Itschner. «Wir möchten diese Anlagen zur Produktion von erneuerbarer Energie unbedingt bauen. Aber es geht trotz des Ja zum Stromgesetz nach wie vor viel zu langsam vorwärts.»

Cerignola ist nur ein weiterer Schritt in der von der BKW angepeilten Wachstumsstrategie. Investiert werden soll in der Schweiz, aber vor allem auch in Frankreich, Deutschland und Italien. Wo genau die BKW als Nächstes zuschlagen wird, ist noch unklar. Spruchreif sei noch nichts, sagt Itschner. «Wir haben aber eine lange Liste mit möglichen Projekten», die Evaluation brauche aber Zeit.

Weltweiter Boom auch durch technischen Fortschritt

Mit ihrer Windexpansion ist die BKW nicht allein. «Der Ausbau ist weltweit riesig», sagt Itschner. In der Tat: Im vergangenen Jahr konnte global die Marke von 1000 Gigawatt installierter Windkraftleistung geknackt werden – und damit das Tausendfache, was die BKW hält. Spitzenreiter bei der Windenergie ist China, gefolgt von den USA, Deutschland, Indien und Spanien.

Das Wachstum begründet Itschner auch «mit den enormen technischen Fortschritten» bei den Windturbinen. Das Fazit: «Windkraft ist vergleichsweise äusserst kostengünstig, sie ist sehr ausgereift und technisch sehr schnell umsetzbar», sagt Itschner «Und die Windkraft hat den grossen Vorteil, dass zwei Drittel des Stroms im Winterhalbjahr produziert wird.»

Windkraft boomt, hierzulande schaut die Politik aber lieber auf den Solarexpress. Denn die Schweiz, so der Tenor, sei kein Windland. «Das stimmt nicht, diese Aussage ist überholt», sagt Itschner. Windräder seien heute deutlich günstiger und vor allem deutlich leistungsfähiger als noch vor ein paar Jahren. Oder anders gesagt: «Heute kann eine Windturbine mit viel weniger Wind Energie produzieren.»

Wie gross ist das Potenzial der Windenergie?

Auch die Experten hätten das Potenzial der Windenergie in der Schweiz lange unterschätzt, ergänzt der BKW-Chef. Heute wird es gemäss einer im Auftrag des Bundesamtes für Energie erstellten Studie auf rund 30 Terawattstunden beziffert. Das entspricht der dreifachen Jahresproduktion des AKW Leibstadt.

«Die Schweiz ist ein Windland», sagt Itschner. Und die Schweiz brauche die Windkraft. «Der Konsens ist doch: Wir wollen mehr Strom produzieren, um unsere Versorgungssicherheit zu stärken und die Abhängigkeit vom Ausland nicht zu vergrössern.» Und dies «sollten wir so gestalten, dass wir möglichst wenig Landschaft beeinträchtigen».

Ihr Windpotenzial wird die Schweiz kaum je ausschöpfen, zu dicht besiedelt ist das Land, zu gross die Betroffenheit vieler Bevölkerungsteile – und vor allem ihr Widerstand. Doch 1 bis 2 Terawattstunden Winterstrom könnte die gesamte Strombranche in der Schweiz laut Itschner durchaus beisteuern. «Dazu bräuchten wir zwischen 200 bis 300 zusätzliche Windturbinen.»

Wenn die Fledermaus dazwischen fliegt

Davon ist die Schweiz weit entfernt. Heute gibt es hierzulande 47 Windräder mit einer Gesamtleistung von rund 100 Megawatt, verteilt auf 13 Parks. Dabei ist jener der BKW, Juvent im Berner Jura, mit seinen 16 Turbinen und einer installierten Leistung von gut 37 Megawatt der mit Abstand grösste Windpark der Schweiz. Pro Jahr macht er Strom 15'500 Haushalte. Gern möchte die BKW diesen Park um 3 Windräder vergrössern – und hat den entsprechenden Bewilligungsprozess gestartet.

Und gern würde sie bald mit den Bau des bundesgerichtlich bewilligten Tramelan-Parks beginnen, sodass dieser im ersten Quartal 2026 seinen Betrieb aufnehmen könnte. Doch dort wartet neues Ungemach für die BKW: Eine Kolonie einer seltene Fledermausart, des Braunen Langohrs, das von der Umweltschutzorganisation Pro Natura 2012 zum «Tier des Jahres» gekürt worden war.

Um diese zu schützen, hat ein Einwohner ein Gesuch um Revision eines Urteils vom November 2023 beim Bundesgericht eingereicht – und damit nun eine aufschiebende Wirkung erzielt. Die Juristen wollen in der Zwischenzeit prüfen, ob das Auftauchen dieser Fledermäuse eine neue Tatsache darstelle, die eine erneute Prüfung des Falls erlaube. Die juristischen Räder drehen, die Windräder stehen still.

(aargauerzeitung.ch)

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131 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Overton Window
20.10.2024 22:51registriert August 2022
"Doch die BKW darf nicht die modernsten Turbinen einbauen, sondern muss sich an das Modell halten, dass sie zehn Jahre zuvor ins Baugesuch geschrieben hat. Will der Stromkonzern den Typus ändern, muss er ein neues Baugesuch einreichen und wieder von vorne anfangen."

Wieder ZEHN JAHRE.

Und da fragt man sich, warum die Schweiz nicht vom Fleck kommt 🤦‍♂️.
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papperlapapp
20.10.2024 23:03registriert Februar 2019
Bevor hier ein wirklich nennenswerter Beitrag zur Stromproduktion per Wind realisiert werden kann ist durch den ewigen Kampf wohl eher ein KKW gebaut. Das kommt zwar auch nie, aber die Windkraft eben auch nicht. Und Wasserkraftprojekte dauern auch gefühlte 2 Generationen. Ich frage mich was in dieser Schweiz der letzten 40 Jahre passiert ist damit wir nichts mehr auf die Reihe kriegen, denn davor hat man in relativ kurzer Zeit Staumauern, Flusskraftwerke und 4 KKW gebaut. Ich glaube es braucht wirklich mal einen deftigen Blackout damit es alle begreifen das Strom eben nicht aus der Steckdose..
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Mischael Schill
20.10.2024 22:54registriert Oktober 2021
Ich würde Windräder bei uns egrüssen, solange die Einnahmen bei den Gemeinden bleiben wo die Windräder stehen und nicht in die Städte und Konzernkassen fliessen.
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