Drei moderne Mythen über Griechenland – und ihre tragischen Folgen für Europa
In der Antike haben die griechischen Mythen den Menschen die Welt und den Sinn des Lebens erklärt. Die modernen Mythen über Griechenland hingegen vernebeln den Menschen die Sinne und sind zu einer Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems und die europäische Einheit geworden.
Das sind die drei modernen griechischen Mythen:
1. Die renitenten Griechen haben bis heute noch keine Sparanstrengungen gemacht
In der «Financial Times» drosch der italienische Ökonomieprofessor Francesco Giavazzi kürzlich mit dem Zweihänder auf die Griechen ein: Sie hätten sich für die Armut entschieden, würden hartnäckig jede Reform ablehnen und verdienten es deshalb, aus Euroland ausgeschlossen zu werden. Diese Argumentation ist typisch geworden für das Denken der Mehrheit in Europa.
Mit den Fakten hat dies allerdings nichts zu tun. Diese hat der irische Ökonom Karl Whelan zusammengetragen:
- Die Anzahl der öffentlichen Beschäftigten ist zwischen 2009 und 2014 um 255’000 Angestellte gesunken. Das entspricht einem Viertel aller Staatsangestellten.
- Das staatliche Defizit ist im gleichen Zeitraum von plus 15,6 Prozent auf Minus 2,5 Prozent gesunken.
- Griechenland hat heute eines der höchsten Rentenalter in Europa.
- Die Löhne sind zwischen 2007 und 2014 gesunken.
In der Sendung von Günther Jauch vom Sonntag war zudem zu erfahren, dass
- heute mehr als die Hälfte der griechischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt
- die durchschnittliche Altersrente unter 400 Euro pro Monat liegt
- in vielen Spitälern viele Patienten nicht mehr behandelt werden, weil es keine Medikamente mehr gibt
- Schüler von den Stühlen kippen, weil sie Hunger haben.
So viel zum Thema «renitente Griechen».
2. Einen Grexit können die Finanzmärkte leicht verkraften
Die Europäische Zentralbank habe alles Nötige vorgesorgt, um ein Chaos nach einem Austritt Griechenlands aus der Einheitszone zu verhindern, wollen uns Ökonomen vom Schlage Giavazzis glauben machen. Das kann sein – oder auch nicht.
Tatsache ist, dass ein «Grexit» auch einen sofortigen Staatsbankrott Griechenlands zur Folge haben würde. Allein Frankreich und Deutschland müssten sich damit 160 Milliarden Euro ans Bein streichen. «Angela Merkel und François Hollande würden als die grössten finanziellen Verlierer in die Geschichte eingehen», stellt dazu Wolfgang Münchau in der «Financial Times» fest.
Das wäre nicht nur ein politischer, sondern auch ein wirtschaftlicher Schlag ins Gesicht, vor allem für Frankreich, das über keine Reserven mehr verfügt, um einen solchen Schlag auffangen zu können. Das gilt noch verschärft für Italien, das ähnlich viel Geld verlieren würde, und dessen staatliche Verschuldung ebenfalls längst weit jenseits von Gut und Bös liegt.
3. Die griechischen Spiel-Theoretiker spielen mit Europa Katz und Maus
Yanis Varoufakis kommt inzwischen die zweifelhafte Ehre zu, der wohl am meisten gehasste Politiker Europas zu sein. Dem griechischen Finanzminister wirft man so ziemlich alles vor, was man einem Politiker vorwerfen kann: Er sei eingebildet, unehrlich, belehrend, ein Vulgär-Marxist, naiv, etc., etc.
Über das Auftreten von Varoufakis kann man geteilter Meinung sei. Als Ökonom ist er jedoch unbestritten eine Kapazität. Sein Buch «Der globale Minotaurus» ist eine in sich stimmige Analyse der Weltwirtschaft auf hohem Niveau.
Die von den Institutionen geforderten Reformen hingegen sind teilweise widersinnig. Der angestrebte Primärüberschuss – ein positiver Saldo der Staatskasse vor den Zinszahlungen – ist absurd hoch. Das geben inzwischen selbst konservative Ökonomen zu und empfehlen deshalb einen teilweisen Schuldenverzicht oder zumindest ein Schuldenmoratorium.
Ebenfalls idiotisch ist eine nochmalige Erhöhung der Mehrwertsteuer, die den totalen Zusammenbruch der Binnennachfrage zur Folge haben würde. Wolfgang Münchenau spricht von einem doppelten Selbstmord, sollten die Griechen diese Bedingungen annehmen: Einem wirtschaftlichen für das Land und einem politischen für die Regierung.
Fazit
Die antiken Mythen enden jeweils in einer Katastrophe. Auch die modernen haben alle Anzeichen einer Tragödie: Die Positionen sind derart festgefahren, dass es ein politisches Wunder brauchen würde, um aus dieser Nummer wieder herauszukommen.
