Seit einer Woche sind die Banken in Griechenland geschlossen. Die Menschen kommen kaum noch an Bargeld. Doch das schiebt die Lösung der eigentlichen Probleme nur auf: Den Instituten droht die Pleite.
Griechenlands Banken steht das Wasser bis zum Hals. Seit einer Woche sind die Institute geschlossen, an den Geldautomaten im Land gibt es nur noch Mini-Beträge. Die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras macht den Menschen Hoffnung, dass sie bald wieder an ihre Ersparnisse kommen. Doch die meisten Beobachter sind skeptisch: Sie sehen die Banken vor dem Kollaps.
Die Regierung in Athen sah sich zu diesem Schritt gezwungen, um den dramatischen Kapitalabfluss zu bremsen. Je länger der Schuldenstreit Griechenlands mit den Geldgebern dauerte, umso mehr Bankkunden räumten ihre Konten leer, viele schafften Geld ins Ausland. Die Geldeinlagen bei den Hellas-Banken sanken bis zur vorübergehenden Schliessung der Institute auf 124 Milliarden Euro. Das ist der niedrigste Stand seit 2009 als es noch etwa 233 Milliarden Euro waren. Faktisch ging den Instituten, die ohnehin unter Altlasten wie faulen Krediten ächzen, das Geld aus – zumal die Europäische Zentralbank (EZB) keiner weiteren Erhöhung von Rettungskrediten zustimmte. Die Regierung musste die Notbremse ziehen und verhängte Kapitalverkehrskontrollen. Demnach sollen die Geschäftsbanken des Landes bis einschliesslich Montag (6.7.) geschlossen bleiben.
Seit Anfang vergangener Woche bekommen die Griechen am Geldautomaten täglich höchstens 60 Euro. Oft müssen sie lange warten, bis sie am Automaten zum Zug kommen. Augenzeugen berichten, dass allmählich die 20-Euro-Scheine knapp werden und deshalb an einigen Automaten sogar nur 50 Euro ausgezahlt werden. Für Firmen sind Geschäfte mit dem Ausland derzeit nur unter strengen Auflagen möglich: Eine Kommission innerhalb des Finanzministeriums muss Überweisungen auf ausländische Konten genehmigen. Touristen können – zumindest theoretisch – weiter unbegrenzt Geld am Automaten abheben. Das Auswärtige Amt und der deutsche Privatbankenverband BdB raten Griechenland-Touristen jedoch, ausreichend Bargeld mitzunehmen – in möglichst kleinen Scheinen.
Es geht um Tage. Sollte sich nicht doch noch eine Einigung mit den Geldgebern abzeichnen und die EZB den Geldhahn wieder öffnen, dürften Griechenlands Banken nicht mehr lange überleben, prognostizierte der Chef der deutschen Finanzaufsicht Bafin, Felix Hufeld bereits vor einer Woche: «Das können Sie in Tagen zählen.» Hufeld ist über die EZB-Bankenaufsicht an der Überwachung der Hellas-Institute beteiligt. Die DZ Bank unterstreicht den Ernst der Lage: «Die griechische Notenbank erwägt nun, das Tageslimit für Abhebungen an Geldautomaten von 60 Euro auf nur noch 20 Euro zu senken», schreibt Analyst Daniel Lenz. «Es dürfte nur noch eine Frage von Tagen sein, bis es Bargeldengpässe gibt.» Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer erklärt: «Die Kapitalverkehrskontrollen haben den Liquiditätsabfluss bei den Banken nur eingedämmt, aber nicht beendet.» Würde nur jeder Dritte der knapp 9 Millionen erwachsenen Griechen täglich den Höchstbetrag abheben, würden jeden Tag knapp 200 Millionen Euro abgezogen. Damit dürfte die Obergrenze der Notkredite bald erreicht sein, sagt Krämer: «Die Banken könnten dann schnell illiquide werden.»
Seit Monaten sind Ela-Notkredite (Emergency Liquidity Assistance/Ela) die einzige Geldquelle der griechischen Banken. Doch die EZB, die diese Kredite der griechischen Nationalbank billigen muss, hat das maximale Ela-Volumen am 28. Juni bei rund 90 Milliarden Euro eingefroren. Kritiker wie Bundesbank-Präsident Jens Weidmann fordern schon länger, Ela ganz zu stoppen, weil damit marode Banken künstlich am Leben gehalten würden. Noch hat sich der EZB-Rat nicht festgelegt, wie er sich nach der griechischen Volksabstimmung, bei der sich am Sonntag eine deutliche Mehrheit gegen die Sparvorgaben der internationalen Gläubiger aussprach, verhalten wird. Für DZ-Bank-Analyst Daniel Lenz ist klar: «Wird Ela gestoppt, folgte wegen der Illiquidität der Banken ihre Insolvenz und damit würde nahezu zwangsläufig der Grexit ausgelöst.» Ein Austritt Griechenlands aus dem Euroraum («Grexit») wäre nach Einschätzung vieler Volkswirte ökonomisch dann nicht mehr zu verhindern, weil Athen nur mit einer eigenen Währung sein Finanzsystem wieder ins Laufen bekommen würde.
Die grossen Ratingagenturen bewerteten die Einschränkungen bei der Bargeldversorgung im Zuge der Kapitalkontrollen als teilweisen Zahlungsausfall und senkten den Daumen über die grossen Banken des Landes: Alpha Bank, Eurobank, National Bank of Greece und Piraeus Bank. Drei dieser Institute, die zusammen einen Marktanteil von etwa 90 Prozent in Griechenland haben, hatten den EZB-Stresstest im vergangenen Jahr nicht bestanden. Die schlechteren Noten für die Kreditwürdigkeit der Institute sind ein weiteres Warnsignal an Investoren und erschweren die Trendwende zusätzlich.
Technisch wäre das Land dazu in der Lage, denn die griechische Nationalbank hat eine eigene Druckerei. Dort werden auch tatsächlich Zehn-Euro-Scheine hergestellt, im Jahr 2014 waren es 94 Millionen Stück. Allerdings darf die Bank of Greece nicht einfach die Notenpresse anwerfen wie sie will: Wer wie viele Scheine von welcher Sorte druckt, legt der EZB-Rat fest. So teilen sich die Euroländer die Herstellung des gemeinsamen Geldes untereinander auf. (sda/dpa)