Der US-Pharmakonzern Johnson & Johnson (J&J) dürfte spätestens seit der Entwicklung eines Corona-Impfstoffs den meisten Menschen in der Schweiz ein Begriff sein. Das Unternehmen, das zu den grössten Herstellern von Medikamenten und Konsumgütern zählt, kommt auf einen Börsenwert von rund 430 Milliarden US-Dollar (umgerechnet 397 Milliarden Franken).
Der Konzern ist also mehr wert als die grösste Schweizer Aktiengesellschaft Nestlé (346 Milliarden Franken). Trotzdem hat der Vakzinhersteller jüngst Insolvenz angemeldet. Was steckt dahinter?
>> Coronavirus: Alle News im Liveticker
An sich ist das Unternehmen gesund. Es hat nur ein grosses Problem: Frühere Klagen wegen eines Babypuders, das krebserregende Mittel enthalten soll. Die jetzige Insolvenz ist daher lediglich ein Trick, um sich mehr Zeit zu verschaffen – und sich für die Klagen besser aufzustellen. Womöglich könnte Johnson & Johnson gar milliardenschweren Schadensersatzzahlungen gänzlich entgehen.
Konkret geht es um Folgendes: Bereits seit Jahrzehnten vertreibt Johnson & Johnson ein Babypuder, das viele Frauen zur Hygiene nutzten, dessen Talk aber offenbar manchmal mit Asbest verunreinigt ist – und Eierstockkrebs auslösen kann. J&J wusste wohl davon. Zehntausende Frauen machen den Konzern daher bereits seit 2015 für ihre Erkrankung verantwortlich.
Bis dato haben 38'000 Frauen Klage gegen den Konzern eingereicht – die Zahl könnte noch deutlich steigen. Und das Unternehmen hat bereits 2.5 Milliarden Dollar an 20 Frauen zahlen müssen. Es könnte also noch deutlich teurer werden.
Um das zu verhindern, gliederte der Pharmariese einen Teil seiner Firma aus. Diese Sparte, «LTL Management», beschäftigt sich nur mit den Babypuder-Klagen gegen das Unternehmen, ist also höchst defizitär – und meldete Insolvenz an. Letztlich ist also gar nicht der ganze Konzern pleite, sondern nur ein kleiner Teil. So liegen die Klagen vorerst auf Eis und J&J hat Zeit, einen Fonds für Entschädigungszahlungen aufzulegen.
Dieser als «Texas Two-Step» bekannte Trick funktioniert aber nur in einigen Bundesstaaten in den USA, etwa in North Carolina, wo die J&J-Sparte ihren Sitz hat. Und selbst da ist er höchst umstritten.
Schon jetzt verklagten einige Anwälte den Konzern wegen des Insolvenztricks. Höchstrichterlich bestätigt ist das Vorgehen noch nicht. Es könnte daher auch für andere Unternehmen interessant werden, die Klagen am Hals haben. Fraglich ist aber, ob Johnson & Johnson tatsächlich damit durchkommt. Dem Ruf der Firma dürfte es jedenfalls nicht zuträglich sein.
(t-online/mak)