Donald Trump schwärmt von einem «big and beautiful bill», einem Gesetz, das ein neues goldenes Wirtschaftszeitalter in den USA einläuten soll. Deshalb drängt er die Abgeordneten und die Senatoren der Grand Old Party (GOP) dazu, dieses Gesetz so rasch als möglich zu verabschieden, damit er es in Kraft setzen kann.
Was hat es nun mit diesem «grossen und schönen Gesetz» auf sich? Im Wesentlichen sprechen wir hier von folgender Gleichung: tiefere Steuern minus Ausgabenkürzungen plus höhere Zolleinnahmen gleich eine schwarze Null. Leider geht die Rechnung nicht auf. Schauen wir die einzelnen Posten genauer an.
Gott habe die GOP erfunden, damit sie die Steuern senke, lautet ein Bonmot in Washington. Wie immer will Trump auch damit übertreiben, er will die Steuergeschenke, die er schon in seiner ersten Amtszeit verteilt hat, nicht nur für alle Zeiten festzurren, er will sie gar noch erhöhen. Nicht nur die Superreichen sollen in deren Genuss kommen, auch die kleinen Leute. Deshalb sollen beispielsweise Trinkgelder und Löhne auf Überstunden von der Steuer befreit werden.
Das geht ganz schön ins Geld. Die Rating-Agentur Moody’s stellt fest: «Sollte das Gesetz von 2017 verlängert werden, wird dies die Staatsschulden im Lauf der nächsten zehn Jahre um rund vier Billionen Dollar erhöhen, ohne Zinszahlungen.»
Um eine Staatspleite zu verhindern, sollen die Staatsausgaben massiv gekürzt werden. Die Resultate, die Elon Musk und seine DOGE-Jungs bisher geliefert haben, sind überschaubar. Wer wirklich sparen will, muss an die Sozialleistungen ran. Genau dies will das «grosse und schöne Gesetz».
Medicaid, die Krankenkassen-Unterstützung für die Armen, soll um 800 Milliarden gestutzt werden. Auch die «Food stamps», welche die Kosten für die Nahrung verringern, sollen Federn lassen müssen. Insgesamt sind damit Einsparungen in der Höhe von 1,6 Billionen Dollar geplant.
Das Loch, das zwischen den verringerten Steuereinnahmen und den Kürzungen klafft, soll mit höheren Zolleinnahmen gestopft werden. Der Wirtschaftsberater Peter Navarro träumt von sechs Billionen Dollar in zehn Jahren. Damit würde nicht nur das Loch gestopft, es bliebe auch noch ein beträchtlicher Überschuss.
Leider ist dies reine Fantasie. Die erhöhten Zolleinnahmen werden gemäss seriösen Berechnungen nicht 600 Milliarden Dollar pro Jahr in die Staatskassen spülen, sondern, je nach Analyse, zwischen 290 Milliarden Dollar und 140 Milliarden Dollar.
Damit diese Zolleinnahmen auch fliessen, müssen die USA jedoch weiterhin fleissig importieren, das Gegenteil dessen, was Trump mit seiner Wirtschaftspolitik anstrebt. «Die Ironie dieser Zölle liegt darin, dass Amerikas Ausgaben von der chinesischen Produktion abhängig würden», kommentiert deshalb der «Economist».
Das Zoll-Chaos hat mittlerweile auch zu einem sich intensivierenden Streit zwischen dem Präsidenten und verschiedenen Grossunternehmen geführt. Als Walmart-CEO Doug McMillon warnte, sein Unternehmen müsse wegen der Zölle bald seine Preise erhöhen, reagierte Trump mit einem Post, in dem er den grössten Discounter aufforderte, die Zölle «selbst zu essen», will heissen, seine Gewinnmarge zu schmälern. Ähnliches hat Trump auch Amazon, Ford und dem Spielzeughersteller Mattel geraten.
Kein amerikanischer Präsident hat je mehr Schulden angehäuft als Trump in seiner ersten Amtszeit. Mit seiner Gesetzesvorlage läuft er Gefahr, dies in seiner zweiten Amtszeit noch zu übertreffen. Deshalb beginnen bei den zuständigen Stellen die Alarmglocken zu schrillen. So hat die Rating-Agentur Moody’s am vergangenen Freitag die Bonität der USA von AAA auf AA+ gesenkt. Das bedeutet, dass die bisher makellose Bonität einen hässlichen Flecken erhalten hat.
Die Herabstufung der Bonität ist mehr als ein Image-Verlust, sie hat handfeste Konsequenzen. Die Zinsen für die 30-jährigen US-Staatsanleihen sind erstmals wieder über 5 Prozent gesprungen, diejenigen der 10-jährigen, der T-Bonds, verharren auf 4,5 Prozent. Steigen die Zinsen weiter, dann könnte das zur Folge haben, dass die USA rund ein Drittel ihres Budgets für die Bedienung ihres Schuldendienstes aufwenden müssen.
Die T-Bonds sind nicht nur das Rückgrat des internationalen Finanzsystems, an ihnen orientieren sich viele andere Zinsen, etwa die Hypothekarzinsen. Das wiederum bedeutet, dass noch weniger Amerikaner sich ein eigenes Haus leisten können.
Dank der steigenden Zinsen bei den T-Bonds befürchten Ökonomen auch ein sogenanntes Crowding Out. Die Zinsen sind so hoch, dass Unternehmen und Privathaushalte nicht mehr mithalten können. Das dämpft sowohl die Investitionen als auch den Konsum. Bereits jetzt ist der Konsumenten-Index in den Keller gerasselt. Die Gefahr einer Stagflation, dem gleichzeitigen Auftreten von wirtschaftlicher Stagnation und Inflation, steigt.
Auch politisch gehen die Republikaner mit ihrem «grossen und schönen Gesetz» ein hohes Risiko ein. Die Kürzungen bei Medicaid betreffen gegen 80 Millionen Amerikaner. Ein Grossteil von ihnen lebt auf dem Land und hat Trump gewählt. Daher warnt selbst Josh Hawley, Senator aus dem Bundesstaat Missouri und Trump-Anhänger, in einem Gastkommentar in der «New York Times»:
Die gleiche Warnung hört man auch von Steve Bannon, der sich bekanntlich als Kämpfer für die Arbeiterklasse versteht.
Innerhalb der GOP tobt ein Richtungsstreit. Den einen geht das Gesetz zu weit, den anderen zu wenig weit. Trotzdem ist damit zu rechnen, dass es Trump gelingen wird, es durch den Kongress zu peitschen.
Widerstand hingegen könnten die Finanzmärkte leisten, nicht die Aktienmärkte, deren Verhalten derzeit «surreal» ist, wie sich der Anlagechef der Bank Bär kürzlich ausdrückte. Bei den weit wichtigeren Anleihemärkten hingegen sieht es anders aus. Sie haben Trump bereits gezwungen, bei seinen «reziproken Zöllen» zurückzukrebsen. Die steigenden Zinsen auf den lang laufenden Anleihen zeigen, dass die sogenannten Bond Vigilants weiter wachsam sind. Oder wie sich Ray Dalio, der Gründer des grössten Hedgefonds Bridgewater Associates, in der «Financial Times» ausdrückt:
Ein wahrlich stabiles Genie, ohne Zweifel!