Zwei Dinge sind typisch für Donald Trump: Sein grenzenloser Narzissmus – «Ich regiere das Land und die Welt», erklärte er kürzlich in einem Interview mit dem «Atlantic» – und sein Pragmatismus. In seiner Rede in Saudi-Arabien hat er Letzteres erneut bekräftigt und erklärt, die USA sei weder an Moral noch an Menschenrechten und schon gar nicht am Nation Building interessiert, sondern ausschliesslich am Business.
Selbst Narzissten brauchen Menschen, die ihre Pläne umsetzen. Geht es darum, seine hochfliegenden geopolitischen Pläne umzusetzen, hat Trump mit Steve Witkoff die Idealbesetzung gefunden. Der 68-jährige Mann hat zwar zuvor noch nie auch nur einen Tag als Diplomat verbracht, doch er weist eine entscheidende Qualität auf: Er tickt wie der Präsident, und die beiden verbindet eine tiefe persönliche Freundschaft.
Das Magazin «The Atlantic» hat soeben ein längeres Porträt von Witkoff veröffentlicht. Dabei wird Susie Wiles, die Stabschefin im Weissen Haus, wie folgt zitiert: «Donald Trump hat sehr viele Bekannte, viel zu viele, als dass man sie zählen könnte. Aber ausserhalb der Familien hat er nur wenig wirkliche Freunde, und Steve steht hier an oberster Stelle.»
Diesen Status hat Witkoff dadurch erworben, dass er einer der wenigen Trump-Kumpel ist, die den US-Präsidenten nach dem Debakel vom 6. Januar 2021 nicht fallen lassen haben. Thomas Barrack, ein anderer Trump-Insider, erklärt dazu: «Steve war für ihn in den schlimmsten Stunden seines Lebens da. In den vier Jahren, als niemand mehr an sein Comeback geglaubt hat, hat er an seiner Seite gestanden.»
Die 40-jährige Freundschaft der beiden geht auf eine Begegnung in einem Delikatessen-Laden in New York zurück. Trump wollte ein Sandwich kaufen, hatte jedoch kein Bargeld dabei. Der zufällig ebenfalls sich im Laden befindliche Witkoff sprang ein und bezahlte.
Die beiden verbindet jedoch weit mehr als ein Sandwich. Wie Trump ist Witkoff ein Immobilien-Tycoon, allerdings hat er sein Milliarden-Vermögen nicht von seinem Vater geerbt, sondern selbst erwirtschaftet. Trotzdem war Trump für Witkoff stets ein Vorbild. «Ich wollte stets wie er sein», bekannte er in einem Interview mit Tucker Carlson.
Wie Trump ist Witkoff ein sogenannter «Transaktionist», will heissen, ihn interessiert einzig, was bei einem Deal für ihn herausspringen kann. Deshalb «sieht er etwa Ayatollah Chamenei und Wladimir Putin nicht als machiavellistische Diktatoren, sondern als clevere Verhandler, ähnlich wie er Immobilien-Anwälte betrachtet, mit denen er es einst zu tun gehabt hat», stellt der «Atlantic» fest.
Wie Trump schert sich Witkoff auch keinen Deut um bürokratische Regeln und Tradition. «Er hat uns dazu ermuntert, Dinge zu tun, die wir nie zuvor getan haben», sagt etwa Aaron David Miller, ein ehemaliger hoher Beamter im Aussenministerium, der für den Nahen Osten zuständig war. «Wir haben nie zuvor eine Regierung erlebt, die sich derart deutlich von Israel distanziert hat.» Erstaunlich, bedenkt man, dass Witkoff ein in der Bronx aufgewachsener, gläubiger Jude ist.
Wie Trump ist Witkoff schliesslich sehr von sich überzeugt. Dass er jetzt mit den kniffligsten Aufgaben der amerikanischen Aussenpolitik betreut ist – Frieden in der Ukraine und in Gaza zu stiften und einen Deal mit dem Iran auszuhandeln –, obwohl er keine Erfahrung in der Diplomatie hat, kümmert ihn nicht. «Diplomatie ist Verhandlung», sagt er. «Das habe ich mein ganzes Leben lang gemacht.»
Deshalb ist er fest davon überzeugt, zu reüssieren. «Wir werden in Syrien Erfolg haben; ihr werdet davon bald hören», erklärt er. «Wir werden auch in Libyen Erfolg haben, auch in Aserbaidschan und Armenien. Und letztlich werden wir eine Lösung mit dem Iran finden und für den Krieg in der Ukraine.»
Allerdings ist Witkoff mit seinem Ego nicht immer gut gefahren. Im Jahr 2013 wollte er mit dem Park Lane Hotel in New York ein Jahrhundert-Projekt realisieren. Einer seiner Partner war dabei ein gewisser Jho Low, der sich später als einer der grössten Betrüger der Gegenwart entpuppen sollte. Low war der Drahtzieher hinter einem betrügerischen Staatsfonds der damaligen Regierung von Malaysia. Er ist bis heute verschollen.
Witkoff ist nie betrügerisches Verhalten vorgeworfen worden. Das Projekt musste jedoch mit Geldern der Qatar Investment Authority gerettet werden. Im Licht der jüngsten Trump-Reise in dieses Land und des 400-Millionen-Jet-Geschenks hat dies einen leicht üblen Nachgeschmack.
Witkoffs mangelnde Erfahrung in der Diplomatie kann daher auch als Naivität ausgelegt werden. So hat er im erwähnten Interview mit Tucker Carlson plumpe russische Propaganda wiederholt. Ein hoher europäischer Beamter, der nicht genannt werden will, erklärt im «Atlantic»: «Er muss ja nicht zwingend ein Experte in Geschichte und internationalen Beziehungen sein, aber es ist nicht klar, ob er begriffen hat, wie Putin tickt.»
Vor dem anstehenden Telefongespräch zwischen Trump und Putin werden die gleichen Befürchtungen auch an die Adresse des US-Präsidenten gerichtet. Auch dieser glaubt nach wie vor daran, dass Putin ernsthaft an einem Frieden interessiert sei. «Putin hat den Krieg satt», erklärte Trump am vergangenen Freitag in einem Interview mit Fox News.
Russland-Experten hingegen sehen das anders. Sie befürchten, dass Russland eine langwierige Auseinandersetzung mit dem Westen anstrebt und seine Kriegsziele in der Ukraine nicht preisgeben wird. «Putin tut so, als ob er an Verhandlungen interessiert sei und hofft, dass Trump irgendwann seine Bemühungen aufgibt und davonläuft», stellt Amy Knight im «Wall Street Journal» fest.
Sollte sich diese Befürchtung bewahrheiten, dann wäre Steve Witkoff letztlich das, was Lenin einst einen «nützlichen Idioten» genannt hat.
Ein einziger Mafia-Clan.