Die Schweiz ist bekanntlich eine Exportnation, und zwar zwangsläufig, denn die hoch spezialisierte Wirtschaft lässt ihr gar keine andere Wahl. Die Forschungskosten für Medikamente können niemals von einer kleinen Binnenwirtschaft getragen werden. Und versucht mal, Skalen-Effekte beim Herstellen von beispielsweise Herzschrittmachern zu erzielen, wenn ihr allein auf die Schweiz angewiesen seid.
Jahrzehntelang hat die Schweizer Exportwirtschaft von einer regelbasierten Welt profitiert, davon, dass der Handel vom Recht einer Welthandelsorganisation und nicht von der Willkür einer Supermacht bestimmt wurde. Mit dem Handelskrieg hat der amerikanische Präsident jetzt allen klargemacht, dass diese regelbasierte Welt definitiv der Vergangenheit angehört.
Das Recht ist durch die Macht abgelöst worden – und die Schweiz trifft es besonders hart. Weder das Geschwätz des ehemaligen US-Botschafters Ed McMullen noch das Schmeicheln unsere Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter haben dazu geführt, dass wir einen besonderen Deal erhalten haben.
Im Gegenteil: Stand jetzt gehören wir zu den Ländern, die am härtesten abgestraft werden. In der Nacht auf Freitag veröffentlichte die US-Regierung die Liste mit angepassten Zollsätzen: Die Schweiz wird mit 39 Prozent und damit einem der höchsten Werte überhaupt geführt. Weltweit sind nur vier Länder (Laos, Myanmar, Syrien und Brasilien) von höheren Zollsätzen betroffen.
Der Schock sitzt tief, zumal es keine ökonomische Rechtfertigung dafür gibt. Was wir derzeit erleben, ist eine reine Machtdemonstration des US-Präsidenten. Europa leidet darunter besonders und kann sich nur schlecht wehren. Um Russland in Schach zu halten, ist es auf amerikanische Waffenlieferungen in die Ukraine angewiesen, selbst wenn diese indirekt erfolgen.
Wie absurd Trumps Zollpolitik ist, zeigt auch das Beispiel von Brasilien. Gegenüber diesem Land hat er einen zusätzlichen Strafzoll in der Höhe von 40 Prozent erlassen, obwohl die USA mit Brasilien einen Handelsüberschuss erzielen. Als Begründung nennt er ein Strafverfahren gegen den ehemaligen Präsidenten und Seelenverwandten Jair Bolsonaro. Dass er damit ausgerechnet die Wähler Bolsonaros trifft – die Rancher und Kaffeebauern – kümmert ihn genauso wenig wie die Tatsache, dass die Amerikaner bald mehr für ihren Kaffee bezahlen müssen.
Angesichts dieser Willkür ist es für die Schweiz sehr schwierig, zu einem vernünftigen Verhältnis mit den USA zu kommen. Die Tatsache, dass Trump jetzt auch direkt die Pharmaindustrie angreift – mehr als die Hälfte aller Schweizer Exporte sind Pharmaprodukte – erschwert das Ganze zusätzlich.
Das bedeutet konkret, dass sich die Schweizer Exportwirtschaft neu aufstellen und die Schweizer Wirtschaftspolitiker neue Partner suchen müssen. Kurzfristig ist das nicht möglich, die USA sind unser zweitgrösster Handelspartner. Ein Freihandelsvertrag mit Indien ist zwar auf guten Wegen, einer mit den Mercosur-Ländern Südamerikas bahnt sich an. Möglicherweise muss auch das Verhältnis zu China neu überdacht werden.
Angesichts der Unvernunft des US-Präsidenten ist es entscheidend, dass das Schweizer Stimmvolk nicht auch den Verstand verliert. Das bedeutet auf der linken Seite, auf unsinnige Referenden gegen neue Freihandelsverträge zu verzichten. Die SVP und die Hedgefund-Manager aus der Innerschweiz sollten sich derweil überlegen, ob eine Polemik gegen das Rahmenabkommen mit der EU wirklich noch angebracht ist.
Selbst wenn es doch noch zu einem Deal mit den USA kommen sollte, ist klar, dass sie kein verlässlicher Partner mehr sind. Sich daher mit dem wichtigsten Handelspartner, der EU, auch noch zu verkrachen, wäre, sich auf das Niveau von Trump zu begeben.
Diese kurze Zeit Lieferstop halten wir locker durch... 🤷♂️