Die ersten Wochen der Wahlkampagne von Kamala Harris und Tim Walz waren ein Albtraum für die Republikaner. Alles lief am Schnürchen für die Demokraten: Die Partei stellte sich sofort und geschlossen hinter die gekürte Präsidentschaftskandidatin. Der gewählte Vize war kein strategischer Fehler, wie voreilige Kritiker bemängelten, sondern entpuppt sich immer mehr als Glücksgriff. Zehntausende strömen zu den Wahlveranstaltungen und die Emotionen überschlagen sich geradezu. Das zeigt aktuell auch die Stimmung am Parteitag in Chicago.
Die makellose Bilanz wurde erstmals getrübt, als Harris am vergangenen Freitag die Vorstellungen ihrer Wirtschaftspolitik in groben Zügen umriss. Donald Trump und Fox News gaben sich entsetzt und sprachen von einer Rückkehr zu den missglückten Experimenten von Richard Nixon und Jimmy Carter. Gar Zuständen wie in Venezuela und ein drohender Kommunismus wurden heraufbeschworen. Selbst die liberale «Washington Post» rüffelte in einem redaktionellen Kommentar: «Anstatt einen substanziellen Plan vorzulegen, hat Harris leider den Moment verpasst und populistische Spielereien aufgetischt.»
Worum geht es? Die Wirtschaftspolitik von Harris, die «Kamalanomics», steht auf drei Pfeilern. Der wichtigste dabei sind die Massnahmen in der Sozialpolitik. 2021 ist es der Biden-Regierung im Zug der Massnahmen gegen die Covid-Krise gelungen, die Kinderarmut in den USA zu halbieren. Diese Massnahmen waren jedoch zeitlich begrenzt. Im Jahr darauf fehlte im Kongress die Mehrheit, sie zu verlängern. Sollte Harris gewählt werden, will Harris sie dauernd als Gesetz festschreiben lassen.
Was die Förderung der Wirtschaftspolitik des Mittelstandes betrifft, hatte die Biden-Regierung ursprünglich weit ehrgeizigere Ziele. Sie scheiterte jedoch am Widerstand aus den eigenen Reihen, konkret an den beiden Senatoren Joe Manchin und Kyrsten Sinema. Die beiden werden nicht mehr zur Wahl antreten. Harris will die verfehlten Ziele wieder ins Visier nehmen, beispielsweise Gratis-Kitas, Steuererleichterung für den unteren Mittelstand und billigere Krankenversicherungen.
Wie in fast allen reichen Ländern herrscht auch in den USA ein gravierender Mangel an Wohnraum. Der Harris-Plan sieht vor, in den nächsten vier Jahren drei Millionen neue Häuser zu erstellen. Ermöglicht werden soll dies durch eine 25’000-Dollar-Subvention, die jede und jeder erhält, der erstmals eine Immobilie erwirbt.
Am umstrittensten sind die geplanten Massnahmen zur Bekämpfung der Teuerung. Im Vergleich zu den Trump-Jahren hat die Inflation der vergangenen Jahre die Preise für Lebensmittel, Benzin und Wohnkosten in die Höhe getrieben. Die Vize-Präsidentin macht dafür die Preistreiberei der Konzerne, der Hauseigentümer und der Pharmaindustrie verantwortlich und stellt deshalb eine Einfrierung der Preise in Aussicht.
Dagegen laufen Ökonomen und Konservative Sturm. Preise deckeln zu wollen, sei Unsinn, klagen sie. Das habe die Ära von Richard Nixon und Jimmy Carter gezeigt. Deren Experimente hätten vor allem beim Mittelstand mehr Schaden als Nutzen angerichtet. Zudem weisen die Wirtschaftsexperten darauf hin, dass Preistreibereien sich in Wahlkampfversprechungen gut anhören würden, in der Praxis jedoch äussert schwierig zu beweisen seien.
Alles sei halb so schlimm, wiegelt derweil Paul Krugman in der «New York Times» ab. «Es gibt noch gar keinen detaillierten Plan von Harris gegen die Preistreiberei, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass der viel aggressiver sein wird als das Gesetz, das die Senatorin Elizabeth Warren bereits vorgeschlagen hat. Dieses Gesetz ist überraschend mild.»
Generell streiten sich die Experten, ob Harris die Wirtschaftspolitik ihres Vorgängers weiterführen soll oder nicht. Auf keinen Fall, rät Janan Ganesh in der «Financial Times». Die «Bidenomics» seien bei den Wählern äusserst unbeliebt und hätten keine Antwort auf eine sich anbahnende Krise in Amerika, den immer noch wachsenden Schuldenberg.
Unbedingt, rät indes Krugman. Es zeige sich jetzt, dass die Inflation primär durch den Unterbruch der Lieferketten während Covid verursacht worden sei. Jetzt sei es gelungen, die Inflation wieder unter Kontrolle zu bringen, ohne die Wirtschaft in eine künstliche Krise zu stürzen. «Es wird nun zunehmend deutlich, dass die Bidenomics sehr gut funktioniert haben», so Krugman.
Der Streit um die «Kamalanomics» ist ein Spiegelfechten. Im verrückten Wahlkampf 2024 ist «It’s the eocnomy, stupid», die legendäre Losung von Bill Clinton, in den Hintergrund gerückt. So stellt Tom Nicols im «Atlantic» fest: «Ich wünschte mir, die Amerikaner würden sich mehr um politische Inhalte kümmern, aber sie tun es nicht. (…) Sie kümmern sich einzig um Dinge, wo die Unterschiede der Parteien krass sind, beispielsweise in der Abtreibungsfrage.»
Zum gleichen Schluss kommt auch Michael Podhorzer, der langjährige Direktor von AFL-CIO, dem Dachverband der Gewerkschaften. Ebenfalls im «Atlantic» kommt er zum Schluss: «Für die Wähler der Anti-MAGA-Mehrheit, die sich nicht so um politische Inhalte kümmern, ist Kamala Harris ein neues Gesicht. Es geht darum, dass sie sich bei ihr geborgen fühlen. Die Vorstellung eines 86-jährigen Bidens konnte dieses Gefühl nicht mehr vermitteln.»
Trumps Wahlprogramm lautet doch nur ich, ich und nochmal ich, solange Harris bei ihr und euch bleibt, Ideen und Vorschläge zur Diskussion stellt kann sie dabei nur gewinnen und herausspüren wo die Wähler in der heissen Phase abgeholt werden können, sie lässt Versuchballons steigen während Trump immer die gleich Platte seit 2020 auflegt. Sie macht das gut.
Und das es nicht um Inhalte geht, liegt halt am Maga-Gagaismus. Wäre da ein kompetenter Republikaner auf der Gegenseite, gäbe es wirklich mehr Debatten um mehr Inhalte als jetzt...