Wirtschaft
Interview

Bankpersonalverband warnt vor «fahrlässigen» Thesen zum UBS-Wegzug

Natalia Ferrera
Natalie Ferrara, Vizepräsidentin des Schweizerischen Bankpersonalverbandes. Bild: Peter Klaunzer / Keystone
Interview

«Nein, nein, nein»: Bankpersonalverband zerpflückt PUK-Bericht

Die Vizepräsidentin des Schweizerischen Bankpersonalverbandes, Natalia Ferrara, sagt, beim Niedergang der Credit Suisse habe es nicht an Regeln, sondern an deren Durchsetzung gefehlt. Die ehemalige Staatsanwältin sagt, sie sei mit dem PUK-Bericht so unzufrieden wie die ehemaligen CS-Mitarbeitenden.
19.03.2025, 09:3719.03.2025, 09:39
Daniel Zulauf / ch media
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Viele ehemalige Credit-Suisse-Angestellte empfinden den Untergang der Bank auch nach zwei Jahren als Schande. Wie zufrieden sind Sie mit der Aufarbeitung des Debakels?
Natalia Ferrara: Der Bankpersonalverband und ich sind nicht sehr zufrieden. Schon am 19. März 2023 sprach man lange und detailliert über vieles, ausser über die Mitarbeitenden der Credit Suisse. Das hat sich bis heute nicht verändert. Das ist sehr fahrlässig.

Sie sind auch mit dem PUK-Bericht nicht zufrieden. Warum nicht?
Die PUK hat achtzehn Monate gearbeitet, der Bericht hat 5 Millionen Franken gekostet. Haben wir etwas Neues gelernt? Nein. Wurden die Verantwortlichkeiten klar benannt? Nein. Wissen wir jetzt genauer, wie wir in Zukunft vorgehen sollen? Nein. Der Bericht legt zwar den Finger auf Fehler, wie sie zum Beispiel die Aufsicht oder der Bundesrat begangen haben. Aber er weist niemandem konkret die Verantwortung zu. Alle sind schuld, keiner ist schuld.

Das Parlament wertet den Bericht aber positiv.
Ich habe diesen Bericht genau studiert. Sein Ziel war es, die Ereignisse zu verstehen, damit ein solches Debakel in Zukunft verhindert werden kann. Leider konnte ich aus dem Bericht keine wirklich nützlichen Lehren für die Zukunft ziehen.

Aber wie erwähnt, das Parlament ist zufrieden. Warum Sie nicht?
Vielleicht ist das Parlament zufrieden, aber glauben Sie mir, die Mitarbeitenden der Credit Suisse sind es kein bisschen, und ich auch nicht. Als ehemalige Staatsanwältin bin ich sicher etwas streng, und ich hatte möglicherweise auch zu hohe Erwartungen. Der Bericht erklärt nicht, wie die Finanzmarktaufsicht der Credit Suisse jahrelang so grosse Kapitalerleichterungen gewähren konnte oder warum im Bundesrat niemand verstanden hat, dass man dringend handeln muss.​

Sie haben gesagt, der Umgang der Schweiz mit der UBS sei fahrlässig. Wie meinen Sie das?
Ich lese und höre seit einiger Zeit Ansichten, die teilweise in der Frage gipfeln, ob die Schweiz die UBS überhaupt noch braucht. Man suggeriert, dass die Schweiz problemlos auch ohne UBS wirtschaften könnte. Von Arbeitsplätzen ist bei solchen Thesen nie die Rede. Das ist fahrlässig. Das Thema der Arbeitsplätze darf man nicht ausblenden. Das darf man auch nicht, wenn man Regulierungsmassnahmen vorschlägt. Die UBS ist wichtig für die Existenz des ganzen Schweizer Finanzplatzes, und auf diesem sind direkt 100'000 Menschen tätig.

Wollen Sie eine pflegliche Regulierung für die UBS, wie sie auch die CS genossen hatte?
Nein. Die Regeln waren da – auch für die Credit Suisse, aber sie wurden nicht durchgesetzt, weil die Aufsicht schwach ist. Die Credit Suisse wurde wirklich anders behandelt als jede andere Bank in der Schweiz. In meinem Kanton Tessin gab es die alteingesessene Banca della Svizzera Italiana. Die Finma hatte ihre Auflösung angeordnet, nachdem die Bank zu tief in einen internationalen Geldwäschereiskandal hineingeraten war. Das hätte der Credit Suisse auch passieren können. Aber es ist nicht passiert, weil die Finma dieser Bank viel zu viel erlaubt hatte. Es geht also nicht nur um Regeln, sondern auch um deren Durchsetzung.​

Sie sagen, Marlene Amstad sei die falsche Präsidentin der Finma. Kennen Sie eine Alternative?
Ich nenne sicher keine Namen, aber es geht um Profile. Die Finma erwartet von den Verwaltungsräten in den Banken bestimmte Kompetenzen, zum Beispiel eine geeignete Ausbildung oder einschlägige Berufserfahrung. Diese Anforderungen müssten auch für die Führungsgremien der Finma gelten, aber das tun sie nicht.​

Marlene Amstad, Praesidentin des Verwaltungsrats FINMA, spricht bei der Jahresmedienkonferenz der FINMA, am Mittwoch, 20. Maerz 2024, im Medienzentrum Bundeshaus in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Marlene Amstad, Präsidentin des Verwaltungsrats FINMA.Bild: keystone

Aber als ehemalige Staatsanwältin wissen Sie doch: Entscheidend sind am Ende immer Eigenschaften wie Mut, Charakter oder Temperament.
Das stimmt. Die Qualität einer Behörde hat auch viel mit dem Charakter, der Integrität ihrer Vertreter zu tun. Das sind auch Werte, die wir in der Schweiz hochhalten. Darum verlangen wir nicht nur eine neue Strafnorm für Topmanager, sondern auch Massnahmen, die sicherstellen, dass die neue UBS eine Bank mit Schweizer Werten bleibt.​

«Die UBS hat sich im August 2023 nach Verhandlungen mit uns verpflichtet, nicht mehr als 3000 Stellen abzubauen.»

Meinen Sie nicht 3000 Entlassungen?
Nein. Es ist vereinbart, dass die Betroffenen eine Kommunikation von der UBS erhalten, in der der mögliche Wegfall der Stelle angekündigt wird. Ab diesem Zeitpunkt haben die Personen bis zu einem Jahr Zeit, extern, vor allem aber auch intern, eine neue Stelle zu suchen. Zurzeit finden die meisten Betroffenen eine interne Lösung. Wir anerkennen, dass die UBS ihre soziale Verantwortung wahrnimmt. Unter anderen Bedingungen wären die Leute alle auf dem RAV.​

Aber der grosse Integrationsschritt in der Schweiz steht doch noch bevor.
Das stimmt, und es ist auch möglich, dass sich das Dach von maximal 3000 abzubauenden Stellen verändert, wenn sich die Situation für die UBS verändert. Im Moment bewegen wir uns weit unter dem Dach. Aber ja, der Grossteil der Integration steht uns noch bevor. Darum möchten wir unbedingt, dass diese Integration ein Erfolg wird.​

Es wird also schwieriger und nicht einfacher.
Ja, damit ist zu rechnen. Die Doppelspurigkeiten werden zunehmen, und es wird mehr Mitarbeitende geben, welche die UBS verlassen müssen. Bei älteren Mitarbeitenden haben wir aber die Möglichkeit, die Begleitung über den Sozialplan hinaus bis zu einer Frühpensionierung zu verlängern. Das ist eine wirklich schweizerische Lösung, die auch wichtig ist, weil rund 40 Prozent der Mitarbeitenden der UBS über 50 Jahre alt sind.​

Der Finanzplatz kann diese Leute also nicht absorbieren?
Sicher nicht alle. Es gibt zwar einige tausend offene Stellen im Finanzbereich, aber die meisten sind für Spezialisten, die ein anderes Profil haben müssen als die Leute, die bei der UBS (und anderen Banken) überzählig werden könnten. Darum ist es so wichtig, dass die Integration von CS und UBS gut gelingt.​

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25 Kommentare
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winglet55
19.03.2025 10:36registriert März 2016
Solange eine Bank 31 Mia. Boni auszahlt im gleichen Zeitraum 11 Mia. Bussen und über 30 Mia. Verlust macht, brauche ich kein Studium zu haben um die Schuldigen zu finden und zu benennen.
Ein verantwortungsvoll agierender Bankpersonalverband, hätte ja auf das Missverhältnis aufmerksam machen können, aber die haben auch lieber ihre fetten Gehälter & Boni bezogen, wie ihre Scheffs.
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El_Chorche
19.03.2025 10:03registriert März 2021
Solange die Führungsriege der Banken und verantwortliche Politiker nicht bestraft werden, bleibt alles nur Blendwerk.

Buchtet die obersten Banker und den VR ein, konfisziert ihr Vermögen und verbietet den mit der Aufsicht beauftragten Politikern eine weitere Amtszeit - sonst wird sich nie was ändern.
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Gurgelhals
19.03.2025 09:49registriert Mai 2015
Das Parlament ist zufrieden, weil das halt in der offiziellen Schweiz immer so läuft: Am Ende klopft man sich gegenseitig für die (nicht) getane Arbeit auf die Schulter, weil man's ja unterm Strich "gar nicht so schlecht gemacht hat" (= das CH Totschlagargument schlechthin).

Kritik? ––– "Nestbeschmutzer!!! Steinigt ihn/sie!!!"
Selbstkritik? ––– "Nö. Können wir nicht. Wollen wir nicht."
Fehler eingestehen? ––– "Um Himmels willen, wo kämen wir denn da hin!?! Ja, irgendwo sind halt schon ein paar kleine Fehler passiert; aber begangen hat diese niemand – schon gar nicht ich!"

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