Besser sparen oder investieren? Tipps, wie du dich optimal aufstellst
In den Ruhestand mit 40 und von passivem Einkommen leben – ist das möglich? Wann lohnt es sich zu sparen, wann zu investieren? Was du darüber wissen solltest und Tipps, wie du deinem Ersparten einen Boost geben kannst, ohne viel Risiko.
Ich glaube, mein jüngerer Sohn ist ein FIRE-Anhänger. FIRE steht für Financial Independence, Retire Early – eine wachsende Gruppe von Menschen, die gezielt ausrechnen, ab wann sie nicht mehr oder anders arbeiten wollen. Und, um diese finanzielle Freiheit zu erreichen, zuerst extrem sparen, das Geld anlegen und, wenn sie einen bestimmten Betrag zusammen haben, von den Erträgen als passivem Einkommen leben (mehr dazu siehe Infobox). Unser Jüngerer spart, seit er ein amerikanisches Finanzbuch gelesen hat, sehr zielstrebig.
Aber vielleicht gehe ich da in meinem Kopf auch etwas zu weit. Schliesslich sind wir in der Schweiz Weltmeister im Sparen. Gemäss Daten der OECD wird ca. 23 % des verfügbaren Haushaltseinkommens gespart. Nur in China sparen sie im globalen Vergleich noch mehr (ca. 35 % – Daten 2020). 1232 Franken pro Monat legt gemäss dem BFS ein durchschnittlicher Haushalt mit 2,1 Personen auf die Seite. Allerdings gibt es auch ganz viele Menschen, die nichts oder nur wenig sparen können, wie die BFS-Schuldenstatistik zeigt: Fast jede sechste Person lebt in einem Haushalt mit Zahlungsrückstand und 8 % leben in Haushalten mit mindestens einer überfälligen Steuerrechnung.
Privat- und Sparkonti immer noch am beliebtesten
Die Studie «So investieren Schweizerinnen und Schweizer ihr Geld» von Moneyland zeigt, dass Privat- und Sparkonti immer noch die beliebtesten Anlageformen sind. An dritter Stelle kommt die Matratze – 42 % der Befragten lagern ihr Geld zu Hause. Bei der Vorsorge haben jetzt mehr als die Hälfte (56 %) eine Säule 3a in Wertschriften. Aktien und ETFs sind seltener vertreten, etwa ein Drittel (34 %) hat Schweizer Aktien und nur knapp ein Viertel (24 %) ETFs.
Die Daten zeigen auch Geschlechterunterschiede. So haben weniger Frauen als Männer eine 3a-Lösung in Wertschriften (54 % Frauen vs. 58 % Männer). Frauen legen auch deutlich weniger an: Bei allen aufgeführten Anlageformen, von Aktien über ETFs bis Krypto, sind die Unterschiede mehr als deutlich, z. B. haben gerade mal etwa die Hälfte (18 % der Frauen vs. 31 % der Männer) Anlagen in ETFs.
Zu einem ähnlichen Resultat kommt auch die kürzlich erschienene Studie von SOTOMO im Auftrag der Zürich Versicherung: Mehr als die Hälfte der Frauen (53 %) spart rein sicherheitsorientiert, während fast die Hälfte der Männer (48 %) ihr Geld renditeorientiert anlegt. Als Hauptgründe wurden zu wenig Kapital und mangelndes Wissen genannt.
Sparen vs. Investieren – was ist besser?
Eine Pauschalantwort gibt es nicht, es kommt drauf an, was dein Ziel ist und wie und wann du über das Geld verfügen möchtest. Hier die wichtigsten Punkte:
Auf dem Sparkonto:
Ist dein Geld sicher verwahrt.
Du kannst jederzeit darüber verfügen.
Dein Geld kann sich aber nur so viel vermehren, wie es auch Zinsen gibt. Im Niedrigzinsumfeld und bei steigender Inflation vermindert sich die Kaufkraft deines Geldes.
Sparen lohnt sich, wenn du auf ein kurzfristiges Ziel hinarbeitest, z. B. den nächsten Urlaub oder eine kurzfristige Anschaffung, oder dein Geld für Notfälle schnell und ohne grosse Verluste zur Verfügung stehen soll, z. B. dein Notgroschen.
Hat dein Geld die Chance, sich schneller zu vermehren.
Es unterliegt Schwankungen und es besteht das Risiko, dass die Rendite nicht so ausfällt, wie erhofft.
Es sollte idealerweise für längere Zeit investiert bleiben, d. h., wenn du es schneller verwenden möchtest, dann kann es sein, dass du es zu einem ungünstigen Zeitpunkt beziehen musst.
Investieren ist vorteilhafter, wenn du dein Geld langfristig vermehren möchtest, wie dies z. B. bei Geld für die Altersvorsorge der Fall ist, oder von den Erträgen zehren möchtest, ohne den Grundstock an Geld zu vermindern.
Bei Geld mit einem langen Zeithorizont wie Vorsorge oder Ansparen für den Hauskauf etc. lohnt es sich, mit entsprechendem Risikoprofil zu investieren.
Bei Geld, das schnell zur Verfügung stehen soll (z. B. im Notfall) oder sehr bald gebraucht wird, weil du etwas kaufen möchtest, ist Sparen besser.
Lohnt es sich, auf steigende Zinsen zu hoffen?
Unter dem Druck der Inflation haben die Zentralbanken damit begonnen, die Leitzinsen zu erhöhen. Das spürt man im Moment vor allem bei den Hypotheken. Langsam fangen auch allererste Anbieter die Zinsen auf den Sparkonti auch anzupassen, wie letztens die Finanzapp Yuh. Aber die Zinsen könnten, wenn überhaupt, noch eine ganze Weile brauchen, bis sie mehr mit der Inflation von gegenwärtig 3,4 % Schritt halten können.
Was ist die FIRE-Methode?
Einen Betrag möglichst schnell ansparen und dann von den Erträgen zehren – vereinfacht:
1) Einen Betrag, den du pro Jahr haben möchtest, festlegen, z. B. 50'000 Franken.
2) Betrag mit 20 oder 25 multiplizieren, dies ergibt die FIRE-Zahl: z. B. 1'000'000 Franken.
3) Den FIRE-Betrag so schnell wie möglich ansparen und gleichzeitig investieren. Die Anhänger von FIRE legen gemäss Berichten bis zu 70 % ihres Einkommens auf die Seite.
4) Wenn der Betrag erreicht ist, von den Anlageerträgen konsumieren oder sogar leben.
Weitere Details und Varianten findest du hier. Neu ist die Idee des passiven Einkommens nicht. Die FIRE-Methode hat einige Risiken, z. B. braucht es eine Menge Disziplin zum Ansparen, aber auch bei der Einhaltung des Budgets, wenn man von den Erträgen zehrt. In den Berechnungen sind Marktschwankungen oder Krisen vielleicht nicht eingepreist, und den notwendigen Betrag zu erreichen kann herausfordernd oder vielleicht unmöglich sein.
3 Tipps, wie du deinem Ersparten einen Boost geben kannst
Du willst dein Geld eigentlich sparen, vielleicht weil du es für etwas brauchst, es dein Notgroschen ist, der immer zur Verfügung stehen soll, oder du das Risiko scheust. Aber von der Inflation auffressen lassen möchtest du es auch nicht. Wenn du dein Erspartes mehren willst, bleibt im Moment nicht viel anderes, als zu investieren.
Hier sind 3 Ideen, wie du deinem Ersparten einen Boost geben und das Risiko in Schach halten kannst:
Geringer Aktienanteil: z.B. 5 oder 10 % in Wertschriften. Damit verschaffst du dir die Möglichkeit, eine bessere Rendite zu erwirtschaften als auf dem Sparkonto allein, und nur ein sehr geringer Teil deines Ersparten ist möglichen Schwankungen ausgesetzt.
Kleiner Betrag/Teilbetrag: Hat eine ähnliche Wirkung wie ein geringer Aktienanteil, wenn du z. B. 10'000 Franken zur Verfügung hast, musst du ja nicht das ganze Geld anlegen.
Anstatt regelmässig aufs Sparkonto zu überweisen, einen Teil in einen Sparplan mit Wertschriften einzahlen. Bei Fondsparplänen immer auf die Gebühren achten, diese können erheblich sein. Alternativen dazu sind: ein breit diversifizierter Indexfonds oder ETF, und dort wegen der Kaufgebühren, die anfallen können, z. B. nicht monatlich, sondern alle 3 Monate einzahlen. Oder Rundungsinvestieren (bei der Ausgabe direkt auf den nächsten oder die nächsten 2 Franken aufrunden) – die Rundungsinvestier-App Kaspar& schätzt, dass ihre Benutzer pro Jahr 220 Franken alleine mit Aufrunden automatisch investieren.
Was haltet ihr von der FIRE-Bewegung und der Idee, zuerst so sparsam wie möglich zu sein und dann vom passiven Einkommen zu zehren? Unrealistischer Humbug oder ist da was dran? 💸
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bild: zvg
Olga Miler ...
... war über zehn Jahre in verschiedenen Funktionen bei der UBS tätig, unter anderem hat sie dort das Frauenförderungsprogramm und den UBS Gender ETF aufgebaut. Jüngst gründete sie das Start-up SmartPurse, eine Plattform, auf der sie digitale Kurse und Workshops zum Thema Finanzen für Frauen anbietet. Letztes Jahr schrieb Miler den watson-Blog «Frauen und Geld» und wird uns dieses Jahr mit «MoneyTalks» an ihrer Expertise teilhaben lassen.
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