Die 17 Kleinaktionärinnen und -aktionäre versammeln sich beim Klimapavillon am Zürcher Werdmühleplatz. Die Männer ziehen sich eine Krawatte an, die drei Frauen richten ihr Deux-Pièce - für den Gang zur Nationalbank (SNB) an der Börsenstrasse 15. Dort wollen sie der Bank symbolisch drei Anträge für einen besseren Klimaschutz übergeben.
«Wir sind seriöse, besorgte Bürger», sagt Informatiker Markus Leupp. «Entsprechend kleiden wir uns, denn wir übergeben der Nationalbank ein ernsthaftes Anliegen.» Leupp ist einer von 170 Akteuren der zivilgesellschaftlichen SNB-Koalition unter dem Dach der Klima-Allianz, die eine Aktie der SNB für 4800 Franken gekauft haben. 150 haben auch die Anträge unterschrieben.
Die SNB-Koalition, der zahlreiche Organisationen und Bewegungen angehören, organisierten so Aktien für über 800’000 Franken. Sie hat folgende drei Anträge eingereicht für die Generalversammlung der SNB vom 28. April:
Die SNB soll einen Transitionsplan erstellen, um ihr Devisenportfolio an den Zielen des Pariser Klimaabkommens und des Übereinkommens über die biologische Vielfalt auszurichten. Die Schweiz ratifizierte das Klimaabkommen am 6. Oktober 2017. Sie hat sich damit verpflichtet, ihre Emissionen bis 2030 gegenüber 1990 um 50 Prozent zu reduzieren. Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt trat am 29. Dezember 1993 in Kraft. Die SNB-Koalition fordert, dass die Transitionspläne aufzeigen, wie SNB und Banken «proaktiv und effektiv» dazu beitragen, die 1.5-Grad-Grenze des Pariser Abkommens einzuhalten.
Die Koalition will, dass die SNB zusätzliche Regulierungen ergreift im Umgang mit Klima- und Biodiversitätsrisiken für den Schweizer Finanzplatz. Die risikogewichteten Eigenkapitalanforderungen sollen geändert werden. Um die Stabilität des Finanzplatzes zu garantieren, sei eine vollständige Kapitaldeckung («one for one») nötig für Investitionen und Kredite in Öl-, Gas- und Kohleunternehmen.
Die Koalition beantragt auch die Gründung eines Ethikrats für die SNB. Dieser soll vor allem die Anlageentscheide der SNB überwachen. Die SNB berufe sich jeweils auf die «grundlegenden Normen und Werte der Schweiz». Diese grundlegenden Normen und Werte soll die SNB aber künftig umfassender interpretieren und sich dabei an Artikel 2 Absatz 4 der Bundesverfassung orientieren. Darin steht, die Schweiz setze sich «für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen» ein.
«Es ist unglaublich, wie die Nationalbank auf ihrem Mandat beharrt, lediglich die Finanzstabilität der Schweiz garantieren zu müssen», sagt Asti Rösli von der Klima-Allianz, verantwortlich für Finanzplatz, Klima und Nationalbank. «Das, obwohl viele Studien zeigen, dass Klima und Biodiversität sehr wohl Auswirkungen haben können auf die Finanzstabilität.»
Die Nationalbank schneide in Untersuchungen wie bei «Positive Money» mit «Grüne Zentralbanken» und beim WWF «regelmässig schlechter ab als andere europäische Zentralbanken», sagt Jonas Kampus, bei der Allianz ebenfalls für Finanzplatz, Klima und Biodiversität zuständig.
Er betont, die Nationalbank erfülle zudem ihr Mandat nicht, die Interessen der Bevölkerung nach einem gesunden Leben zu vertreten. «Jeder dritte Hitzetod in der Schweiz ist inzwischen auf die Klimakrise zurückzuführen», sagt er. Artikel 118 der Bundesverfassung sage, dass der Bund «Massnahmen zum Schutz der Gesundheit» treffe.
Die Nationalbank nimmt keine Stellung zu den Anträgen. Hinter den Kulissen ist aber ein zentrales Argument der SNB zu hören: Die Stimmbevölkerung habe das CO2-Gesetz abgelehnt. Das müsse die Nationalbank in ihrer Klimapolitik berücksichtigen.
Im Umkehrschluss würde dies bedeuten: Sollte die Bevölkerung dem Klimaschutzgesetz zustimmen, das am 18. Juni vors Volk kommt mit dem Ziel, netto null bis 2050 zu verankern, käme die SNB kaum darum herum, ihre Politik zu überdenken. Die Initianten der Gletscherinitiative bezeichnen das Gesetz - ein indirekter Gegenvorschlag - als «historischen Richtungswechsel».
SNB-Präsident Thomas Jordan hatte sich an einem Mediengespräch Ende 2020 zur Klimapolitik geäussert. «Wir wollen allfällige Folgen des Klimawandels für die Volkswirtschaft, für die Finanzstabilität sowie für die Verwaltung unserer Währungsreserven richtig abschätzen, damit wir unser gesetzliches Mandat jederzeit erfüllen können», hielt er fest. Deshalb arbeite die SNB mit anderen Zentralbanken zusammen.
Jordan betonte auch, die SNB schliesse seit 2013 Anlagen von Unternehmen aus, die gravierende Umweltschäden verursachten, Menschenrechte verletzten oder geächtete Waffen produzierten. Ab sofort schliesse die SNB auch alle Unternehmen aus, die primär Kohle abbauten. In der Schweiz gebe es einen breiten Konsens für den Kohleausstieg.
Der Klima-Allianz reicht das nicht. Sie will mehr und versucht deshalb, verschiedene Kantone wie Basel-Stadt, Zürich und Bern dazu zu bewegen, ihre Anträge zu unterstützen. Basel stimmte der Klimagerechtigkeitsinitiative 2030 zu, und die drei Kantone halten grosse SNB-Aktienpakete.
Aylin Flegel gehört zu den 17 Personen, die mit ihren Plakaten symbolisch vor der SNB stehen. «Die SNB hat auf dem Finanzplatz Schweiz sehr viele Hebel, um die Gelder zu steuern», sagt die Managerin für Marketing und Public Relations bei Daimler Truck. «Es ist sehr wichtig, dass man sie in klimaverträgliche Projekte einsetzt, um der nächsten Generation ein besseres Leben zu ermöglich.»
Phrosch
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