Russlands Rüstungsmaschinerie läuft auf Hochtouren. Nonstop produzieren die Waffenfabriken von Kremlchef Wladimir Putin neue Panzer, Raketen und Munition. Um 40 Prozent wurde das Verteidigungsbudget allein im vergangenen Jahr aufgestockt. Putin hat längst auf Kriegswirtschaft umgestellt.
Doch nicht alles, was an Gerät produziert oder flottgemacht wird, landet an der Front. Parallel zu seinem Krieg in der Ukraine baut Putin eine neue Armee auf. Das berichten westliche Geheimdienste. Nato und die europäischen Regierungen sagen es mittlerweile aber auch offen: In ungefähr fünf Jahren könnte Russland bereit sein, einen zweiten Krieg zu eröffnen.
Oder vielleicht schon früher? Laut dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski bildet Russland derzeit bis zu 150'000 Soldaten aus, die es unter dem Vorwand einer Militärübung in seinen Nachbarstaat Weissrussland entsenden will. Was sie dort machen werden? Das weiss niemand. Sie könnten die Ukraine vom Norden her angreifen und Richtung Kiew marschieren, wie es Russland schon zu Kriegsbeginn gemacht hat.
Oder aber sie ziehen die Klammer zu, die Russland zwischen Weissrussland und seiner Enklave Kaliningrad um die baltischen Staaten Estland, Litauen und Lettland geklemmt hat. Das ist keine Fantasie paranoider Hobby-Strategen, sondern ein Szenario, das in Sicherheitskreisen mittlerweile ernsthaft berücksichtigt wird.
Europa muss sich vorbereiten und schraubt die Verteidigungsausgaben nun massiv nach oben. Von einem «Rüstungswettlauf», den man jetzt gewinnen müsse, spricht der polnische Premier Donald Tusk. «Das sei der einzige Weg, den Frieden wirksam zu bewahren.»
Die Ausgangslage ist eigentlich nicht schlecht: Immerhin geben die europäischen Staaten zusammengenommen heute fast 460 Milliarden Dollar pro Jahr aus. Das ist rund das Dreifache des aktuellen Kriegsbudgets von Russland und eine Menge Geld. Doch es ist ein trügerisches Bild.
Wegen seiner tieferen Produktionskosten bekommt Russland in Wahrheit nämlich viel mehr für sein Geld. Berücksichtigt man die Kaufkraft, könnte sich Russlands effektives Verteidigungsbudget laut einer Studie vielmehr auf 462 Milliarden Dollar belaufen. Also sogar mehr als Europa.
Dazu kommt, dass die europäische Verteidigung sehr hohe Streuverluste aufweist: In der EU samt Grossbritannien gibt es 28 verschiedene Armeen. Das heisst 28 eigene Kommando- und Führungsstrukturen (trotz Nato-Integration). Am schlimmsten ist die Vielzahl an verschiedenen Waffentypen. Alleine bei den Kampfpanzern sind in Europa rund ein Dutzend verschiedene Modelle in Betrieb. Wegen ihrer Kleinteiligkeit bringen die europäischen Armeen daher viel weniger Schlagkraft ins Feld als zum Beispiel die USA.
Wie die Armeen ist in Europa auch die Rüstungsindustrie fragmentiert. Jetzt rächt es sich, dass man zwar einen gemeinsamen Binnenmarkt geschaffen hat, bei Verteidigung und Sicherheit aber nationalstaatlich organisiert geblieben ist. Was es deshalb braucht, ist eine europäische Konsolidierung im Rüstungssektor: Fusionen müssen erleichtert werden und grosse, schlagkräftige Rüstungskonzerne müssen entstehen. Die EU-Staats- und Regierungschefs haben bei ihrem Sonder-Gipfel am Donnerstag dafür die Weichen gestellt. Aber von heute auf morgen wird das nicht passieren.
Nur: Die Zeit drängt. Und Hunderte Milliarden Euro einfach in den USA auszugeben, wie es viele europäische Staaten in der Vergangenheit gemacht haben, ist schon aus volkswirtschaftlicher Sicht keine Option.
Kurzfristig müssen vor allem die Produktionsmöglichkeiten der existierenden Hersteller ausgeweitet werden. Und hier könnte Europa aus der Not eine Tugend machen: Es gilt, die frei werdenden Kapazitäten in der serbelnden Autoindustrie zu nutzen. Immerhin macht es technisch nicht grundsätzlich einen Unterschied, ob in einer Fabrik nun Panzer oder Autos vom Fliessband laufen.
Historische Beispiele gibt es zuhauf. Ferdinand Porsche steuerte 1942 bekanntlich ein Design zur Entwicklung des «Tiger»-Panzers für die deutsche Wehrmacht bei. Daimler-Benz produzierte den «Panzer II» und «Panzer III», und der heutige LKW-Hersteller MAN baute den Massenpanzer «Panther». Bei den Alliierten waren Ford und Chrysler in den USA für den «Sherman» zuständig und in Grossbritannien Vauxhall-Motors den «Churchill».
Tatsächlich beginnt die deutsche Industrie jetzt verstärkt auf Verteidigung umzusatteln. Anfang Februar übernahm der Rüstungskonzern KNDS in Anwesenheit von Bundeskanzler Olaf Scholz feierlich die Schlüssel für das Alstom-Werk in Görlitz, der östlichsten Stadt Deutschlands im Freistaat Sachsen.
Hier, wo während 175 Jahren Zugwaggons gebaut wurden, werden jetzt Komponenten für den Leopard 2, den Schützenpanzer Puma oder den Radpanzer Boxer vom Band laufen. Für die Angestellten in der Stadt gleich an der polnischen Grenze ist das ein Glücksfall: Das Werk hatte keine Zukunft mehr. Jetzt können 580 der 700 Arbeiter übernommen werden.
Am Freitag kündigte Rheinmetall an, in zwei seiner Werke in Berlin und in Nordrhein-Westfalen statt Autoteile künftig Munition herstellen zu lassen. Und die Firma Hensoldt, die das TRLM-4D Luftabwehrradar herstellt, welches auch in der Ukraine zum Einsatz kommt, will 200 Angestellte von Continental und einem Autozulieferer von Bosch übernehmen. Weitere Beispiele dürften folgen.
Für Deutschland und die europäische Industrie im Allgemeinen bietet die Rüstungsoffensive nicht zuletzt auch eine Gelegenheit, aus der Rezession herauszukommen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut Kiel hat berechnet, dass eine Erhöhung des Verteidigungsbudgets in Europa von derzeit 2 Prozent auf 3,5 Prozent ein Wirtschaftswachstum von 0,9 bis 1,5 pro Jahr generieren könnte. Ausserdem schwappen oft Innovationseffekte auf den Zivilsektor über. Der Düsenantrieb als Fundament des heutigen Luftverkehrs zum Beispiel war ursprünglich eine militärische Erfindung. (aargauerzeitung.ch)
Nie wieder!
No! Never again!
Und ja. Wer SVP wählt, wählt die Terror-Russen.