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Flumroc: Eine Firma erfreut SVP-Bundesrat Rösti – und den Klimastreik

Grosses Klimaprojekt: Diese Firma erfreut SVP-Bundesrat Rösti – und den Klimastreik

Die Firma Flumroc schmilzt Steine zu Fasern künftig mit einem Elektro-Ofen. Das spart Unmengen CO₂.
26.04.2024, 23:08
Benjamin Rosch / ch media
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Im Ofen schmilzt das Bündner Gestein zu Lava und wird dann zu Wolle gesponnen.
Im Ofen schmilzt das Bündner Gestein zu Lava und wird dann zu Wolle gesponnen.Bild: thomas kessler

Im Grundsatz ähnelt die Herstellung von Steinwolle jener von Zuckerwatte. Eine flüssige Masse wird mittels Rotoren zu Fasern geschleudert, und es entsteht ein vliesartiges Gewebe. Mit dem Unterschied, dass Steine etwa zehnmal so heiss werden müssen wie Zucker, um zu Wolle versponnen zu werden: Bei 1500 Grad Celsius heizen die Öfen der Ostschweizer Firma Flumroc Gestein aus den Bündner Bergen zu Lava. Steinwolle ist ein beliebter Stoff zur Wärmedämmung von Häusern und wird auch wegen seiner Brandschutzeigenschaften geschätzt.

Die für die Herstellung nötige Energie ist enorm – und meist dreckig. Bislang liefen die Öfen von Flumroc mit Kokskohle, ein Rohstoff, der auch in der Stahlherstellung verwendet wird. Jetzt schlägt die Firma aber neue Pfade ein: Ein Elektro-Ofen tritt an die Stelle der bisherigen Kohleschlote. «Wir wollen weg von fossilen Energieträgern, und das im grossen Stil», sagt Flumroc-Geschäftsführer Damian Gort.

25'000 Tonnen CO₂-Emissionen plant Gort jährlich einzusparen. Das entspricht ungefähr dem, was 5000 Ölheizungen in kleineren Einfamilienhäuschen im Jahr in die Luft stossen. «Der Ofen wurde eigens für uns entwickelt», sagt Gort, «es gibt weltweit keinen grösseren in der Steinwolle-Industrie.» Um sicherzustellen, dass die Flumser Stahlwolle nicht am Ende mit deutschem Kohlestrom hergestellt wird, hat sich Flumcroc längerfristig mit Strom aus Schweizer Wasserkraft eingedeckt.

Tatsächlich gibt es vielerorts in der Schwerindustrie Bemühungen, die Dekarbonisierung voranzutreiben, wie es auch das Gesetz vorschreibt. In der Stahlaufbereitung etwa ruhen die Hoffnungen auf Wasserstoff, der dereinst als klimaneutraler Brennstoff die europäischen Hochöfen grün machen soll. Die deutsche Firma Thyssenkrupp Steel plant per 2029 den Betrieb einer sogenannten Direktreduktionsanlage, die nur mit Wasserstoff laufen soll. 3,5 Millionen Tonnen CO₂ will Thyssenkrupp damit einsparen. Kostenpunkt: 2 Milliarden Euro, bezahlt von der öffentlichen Hand.

Zwischen den Fördermassnahmen

Dagegen muten die Ambitionen von Flumroc fast wieder klein an, doch gibt es in der Schweiz kaum Beispiele für eine ähnliche Ersparnis vom einen Tag auf den anderen. Wohl auch deshalb reist zur Eröffnung der Anlage am Freitag eigens Energieminister Albert Rösti (SVP) nach Flums. Was ihn dabei besonders freuen dürfte: Im Unterschied zu ThyssenKrupp berappt Flumroc die Dekarbonisierung bis auf einen symbolischen Beitrag des Bundesamts für Energie aus dem eigenen Portemonnaie.

«Wir müssen dieses Projekt selber finanzieren», sagt Gort. Für das vor einem Jahr beschlossene Klimaschutzgesetz kommt der neue Flumroc-Ofen zu früh, für das in der Frühlingssession beschlossene CO₂-Gesetz wohl ebenso. Zwar hat Gort schon ein Gesuch für Fördermittel gestellt, doch eine substanzielle Zusage hat er bislang nicht erhalten. 100 Millionen Franken kostete der Elektro-Ofen von Flumroc. «Es ist klar, dass sich diese Investition nicht schon nach ein paar Jahren rechnet», sagt Gort.

«Wir sind aber überzeugt, dass die Dekarbonisierung letztlich alternativlos ist.»

Lob und eine radikale Forderung

Wer wie Flumroc energieintensiv produziert, ist in der Schweiz von der CO₂-Abgabe befreit und nimmt am sogenannten Emissionshandel teil. In diesem System kauft eine Firma pro Tonne CO₂ eine Emissionsberechtigung oder erhält sie gratis, wenn eine Abwanderung der Firma ins Ausland befürchtet wird. Die Journalistin und Ökologin Alexandra Tiefenbacher hat erst jüngst dazu ein Buch veröffentlicht. In diesem sind die CO₂-Emissionen der Unternehmen ersichtlich – und auch, wie sich diese über die Jahre verändert haben. Eine Reduktion, wie sie Flumroc jetzt vornimmt, ist nahezu beispiellos.

Auch weil das System solche grossen Investitionen nicht vorsieht: Wer schrittweise die CO₂-Bilanz verbessert, kann seine überschüssigen Emissionszertifikate verkaufen. Wer hingegen drastisch seinen Ausstoss reduziert, wird neu eingeschätzt und profitiert nur kurz von überschüssigen Zertifikaten. «Wir fallen hier in verschiedener Hinsicht zwischen Stuhl und Bank», sagt Gort.

Anklang findet die Aktion denn auch beim Klimastreik – wenn auch verbunden mit einer Forderung. Jonas Kampuš sagt: «Bundesrat und Parlament müssen nun umgehend der Import und die Verwendung von Kohle verbieten. Flumroc zeigt, dass auch ohne diesen fossilen Brennstoff produziert werden kann.» (aargauerzeitung.ch)

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55 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Schlaf
26.04.2024 23:41registriert Oktober 2019
3,5 Millionen Tonnen CO₂ will Thyssenkrupp damit einsparen. Kostenpunkt: 2 Milliarden Euro, bezahlt von der öffentlichen Hand.

Krude, wenn die Firmen, aber Milliarden schwere Firmen nota bene, ihre Umstellung durch die öffentliche Hand bezahlen lassen.

Lässt einen schon grübelnd dastehen.
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pimi_h
26.04.2024 23:56registriert August 2022
Hut ab vor diesem wegweisenden und mutigen Entscheid. Ich wünsche der Firma, dass sich dieser nicht nur für das Klima auszahlt, sondern auch die Rechnung aufgeht, trotz ausbleiben von Subventionen.
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MartinZH
27.04.2024 01:13registriert Mai 2019
Ist ja interessant, dass Rösti extra nach Flums reiste. Aber in Anbetracht dessen, was er zu dieser Innovation beigetragen hat, ist die Erwähnung seines Namens in der Headline wohl ein bisschen zu viel der Ehre.

Rösti ist ein Betonkopf, der in der alten, fossilen Zeit verhaftet ist. Bis heute hat er sich nicht hervorgetan, dass die CH-Energiepolitik die alten Pfade verlassen hätte.

Seine alte Rolle als Öl- und Atom-Lobbyist konnte er bis zum heutigen Tag nicht abstreifen.

Rösti politisiert nach wie vor auf dem Kurs der SVP. Lediglich das Kollegialitätsprinzip in BR bremst ihn ein wenig ein.
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