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Beben bei Ringier: CEO Marc Walder hat beim «Blick» nichts mehr zu sagen

Beben bei Ringier: CEO Marc Walder hat beim «Blick» nichts mehr zu sagen

Die Affäre um die Corona-Leaks hat für den Ringier-Chef Marc Walder Konsequenzen. Verleger Michael Ringier und der Verwaltungsrat des grössten Schweizer Medienunternehmens haben ihn entmachtet - aber nicht aus eigener Initiative.
28.01.2023, 08:09
Francesco Benini und Patrik Müller / ch media
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Der intensive Mailverkehr zwischen Bundesrat Alain Bersets Kommunikationschef und dem Ringier-Konzernchef Marc Walder schlägt auch ausserhalb des Bundeshauses hohe Wellen - vor allem im Medienkonzern, der unter anderem den «Blick» herausgibt.

Juristisch steht Bersets früherer Vertrauter Peter Lauener wegen mutmasslicher Indiskretionen im Fokus, politisch der SP-Gesundheitsminister, dessen Verhalten von der Geschäftsprüfungskommission untersucht wird. Schneller als in der Justiz und in der Politik geht es in der Privatwirtschaft.

Bundesrat Alain Berset und Peter Lauener, Kommunikationschef EDI, kommen zu einer Medienkonferenz des Bundesrates zur aktuellen Lage im Zusammenhang mit dem Coronavirus, am Freitag, 17. September 2021 ...
Lauener und Berset.Bild: keystone

Am Freitag hat der Ringier-Konzern erste Konsequenzen aus der Affäre gezogen. Sie wurden gegen aussen nicht kommuniziert. Doch verlässliche Quellen sagen der «Schweiz am Wochenende», dass CEO Marc Walder entmachtet wurde - und zwar per sofort. Walder war bisher unmittelbar verantwortlich für die «Blick»-Gruppe, er war der direkte Vorgesetzte des Chefredaktors und auch für dessen Ernennung zuständig.

Das ist jetzt nicht mehr so. Chefredaktor Christian Dorer berichtet neu in publizistischen Belangen an Verleger Michael Ringier, in geschäftlichen Angelegenheiten an Ladina Heimgartner, CEO der «Blick»-Gruppe. Künftig wird zudem der Verwaltungsrat die wichtigsten Chefredaktoren wählen, auf Antrag der Unternehmensleitung. Auch die Absetzung der Chefredaktoren liegt in der Kompetenz des Verwaltungsrats. Das ist eine weitere Zurückstufung des Ringier-Chefs Walder.

epa04705188 Michael Ringier (L), president of the board of Ringier, and Marc Walder (R), CEO of Ringier, speak during a press conference about the full year results 2014 of Swiss media group Ringier,  ...
Verleger Ringier und CEO Walder.Bild: EPA/KEYSTONE

Verwaltungsrat verabschiedet Governance-Regeln

Gewisse Neuerungen wurden bereits in Kraft gesetzt, weitere wurden intern gegenüber Kadermitarbeitenden angekündigt. So wird eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Massnahmen vorbereitet, welche die Unabhängigkeit der Redaktion vom Konzernchef garantieren sollen.

Bis Ende Februar 2023 sollen Leitlinien und Governance-Regeln stehen, die eine klare Trennung zwischen dem kommerziellen und dem redaktionellen Geschäft definieren. Sie sollen vom Verwaltungsrat verabschiedet werden, der sich in der Causa aber bereits ausgesprochen und auch die per sofort wirksamen Massnahmen genehmigt hat.

Walder ist nicht nur CEO, sondern auch Miteigentümer des Verlagshauses. Er ist der designierte künftige Verleger. Inwieweit die Affäre diese Zukunftsplanung in Frage stellt, ist unklar. Michael Ringier, so sagen gut informierte Quellen, stehe nach wie vor hinter Walder. Er schätzt dessen Leistung, das Verlagshaus in der digitalen Transformation vorangebracht und den Unternehmenswert gemehrt zu haben. Dass Verleger Ringier seinen obersten Angestellten fallen lässt, gilt als sehr unwahrscheinlich.

Redaktion pocht auf Unabhängigkeit

Michael Ringier hat die Entmachtung Walders nicht aus eigenem Antrieb beschlossen, sondern auf Druck der Redaktion. Nachdem die «Schweiz am Wochenende» vor zwei Wochen die Standleitung zwischen Walder und Bersets Vorzimmer publik gemacht hatte, gestützt auf Einvernahmeprotokolle und E-Mails, war die Redaktion in Aufruhr. Die Journalisten sahen sich dem Vorwurf ausgesetzt, auf Geheiss von Walder exklusive Meldungen verbreitet zu haben, die einem guten Image Alain Bersets dienten.

Die Redaktion wehrte sich gegen diesen Vorwurf. Sie recherchiere unabhängig von Walder. Doch die Beteuerungen klangen für viele Leserinnen und Leser wenig glaubwürdig. Das soll sich nun ändern, und zwar über das Corona-Thema hinaus: Marc Walder ist bekannt dafür, seine Medien auch für sein Netzwerk zu nutzen. Die NZZ bezeichnete am Freitag Walder als «Unjournalisten»; er stehe unter Verdacht, Medien wie den «Blick» korrumpiert zu haben. Unter diesem Ruf litten die Journalistinnen und Journalisten der Zeitung.

Am vergangenen 20. Januar fand eine redaktionelle Vollversammlung statt, an der neben Chefredaktor Dorer und «Blick»-CEO Heimgartner auch Verleger Michael Ringier sprachen. Mehrere Redaktoren gaben sich mit den Beteuerungen, die Redaktion sei unabhängig, nicht zufrieden. Sie forderten konkrete Massnahmen. Diese sind nur eine Woche später beschlossen worden.

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40 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Zanzibar
28.01.2023 09:13registriert Dezember 2015
Ich habe gerade beim Blick nachgeschaut und war verwundert dass ich die folgende Schlagzeile nicht finden konnte:

Knall in der Medienbranche! Skandal CEO der Blick Gruppe entmachtet!
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kettcar #lina4weindoch
28.01.2023 08:41registriert April 2014
Offensichtlich fühlte sich die Redaktion nicht so unabhängig wie der Chefredakteur.
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Pummelfee
28.01.2023 08:41registriert Mai 2020
Die Milch ist schon verschüttet, aber besser spät als nie.
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Weniger Überwachungs-Massnahmen durch Schweizer Strafverfolgungs-Behörden

Die Schweizer Strafverfolgungsbehörden und der Nachrichtendienst des Bundes haben im vergangenen Jahr weniger Überwachungsmassnahmen angeordnet. Hauptgrund ist, dass es zu weniger Antennensuchläufen kam, also der Überprüfung, welche Mobiltelefone wo eingewählt waren.

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