Sie sind die Umsatz-Stars auf der wirtschaftlichen Landkarte der Schweiz: Vitol, Glencore, Trafigura, Mercuria und Gunvor. Fast unbeachtet sind die Rohstoffriesen auf der Liste der grössten Konzerne der Schweiz - gemessen am Umsatz - in den vergangenen 15 Jahren ganz nach oben geklettert. Die multinationalen Konzerne erwirtschaften jährlich fabelhafte Summen. Beim Spitzenreiter Vitol mit Sitz in Genf betrug der Umsatz 2022 nach eigenen Angaben umgerechnet rund 450 Milliarden Franken – fast doppelt so viel wie noch im Vorjahr. Zum Vergleich: Der Nahrungsmittelriese Nestlé brachte es auf 94.4 Milliarden Franken.
Die Zahlen machen klar: Der Rohstoffsektor boomt – auch in der Schweiz. Das bestätigen Daten des Bundes bis 2021, und mit dem Krieg in der Ukraine dürfte sich der Effekt noch massiv verstärkt haben. «Der Rohstoffsektor profitierte vom allgemeinen Wachstum der Grossunternehmen, insbesondere der Schweizer Multinationalen», heisst es im Bericht des Bundesamtes für Statistik (BFS) und des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco).
Die Datenlage zum Rohstoffsektor ist im Allgemeinen dünn. Verlässliche Daten zur generierten Wertschöpfung und zu Handelsströmen würden derzeit fehlen, schrieb auch der Bundesrat in einem kürzlich publizierten Bericht. Erst seit wenigen Jahren werden überhaupt Zahlen zur Branche erhoben. Nun kommt das BFS zum Schluss: Die Zahl der Rohstoffhändler in der Schweiz ist zwischen 2017 und 2021 deutlich gewachsen, nämlich von 860 auf 966 Firmen. Das entspricht einem Plus von 12.3 Prozent.
Besonders viele der Firmen «mit Haupttätigkeit im Rohstoff-Grosshandel» haben ihre Sitze in zwei Kantonen: Stand 2021 war ein Drittel (33.6 Prozent) aller Rohstofffirmen in Genf beheimatet, ein Viertel (24.8 Prozent) in Zug. Der Zentralschweizer Kanton hat dabei in den vergangenen Jahren an Attraktivität gewonnen: Er konnte seit 2017 knapp 60 neue Firmen anlocken.
Auch die Zahl der Angestellten ist gestiegen: um rund 7.3 Prozent auf 10'300 Personen. Dies ist in Anbetracht der Umsätze eine sehr niedrige Zahl. Zum Vergleich: Der Rohstoffsektor trägt mehr zum Schweizer Bruttoinlandprodukt (BIP) bei als der Tourismus, beschäftigt dabei aber zwanzigmal weniger Menschen im Inland.
Die bedeutendste Tätigkeit der Rohstoffhändler in der Schweiz ist der Grosshandel mit Brennstoffen wie Erdöl oder Erdgas: Fast ein Drittel der Unternehmen und Beschäftigten sind in diesem Bereich tätig. Wie ein Faktenblatt der Akademien der Wissenschaften Schweiz 2016 festhielt, wird ein Drittel des weltweit gehandelten Erdöls in Genf gekauft und verkauft. Zwei Drittel des internationalen Handels mit unedlen Metallen wie Kupfer, Zink oder Aluminium laufen über die Schweiz.
Diese führende Rolle der Schweiz auf dem internationalen Rohstoffmarkt sorgt immer wieder für harsche Kritik. Im Zentrum stehen dabei Umweltschäden, Menschenrechtsverletzungen und politische Korruption in den Abbauländern, die meist von wirtschaftlicher Armut geprägt sind, sowie fehlende Transparenz und sehr hohe Gewinne aufseiten der grossen Rohstoffhändler.
Die Menschenrechtsorganisation Public Eye fordert gemeinsam mit linken Parteien, es brauche in der Schweiz eine Aufsichtsbehörde über den Rohstoffsektor – analog zum Finanzsektor. Zudem prangerte Public Eye die Krisengewinne der Rohstoffhändler an: So hat sich etwa bei Glencore der Gewinn 2022 mehr als verdreifacht – auf über 17 Milliarden Dollar. Der Konzern mit Sitz in Baar hat dabei mitunter von den hohen Rohstoffpreisen infolge des Kriegs in der Ukraine profitiert. (aargauerzeitung.ch)