Rund 160'000 Lichtjahre von der Erde entfernt befindet sich eine Sternleiche in der Grossen Magellanschen Wolke, einer Zwerggalaxie in der Nähe der Milchstrasse: der Supernova-Überrest SNR 0509-67.5, Ergebnis einer Supernova, die sich vor rund vierhundert Jahren ereignet hat. Diese Überreste hat ein Team von Astronomen unter der Leitung von Priyam Das, Doktorand an der University of New South Wales Canberra in Australien, mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) genauer untersucht. Die Wissenschaftler fanden dabei Muster, die eine sogenannte Doppel-Detonation bestätigen.
Es handelt sich um zwei aufeinanderfolgende Explosionen in einem Weissen Zwerg. Die in «Nature Astronomy» veröffentlichte Studie hat erstmals den Beweis für eine solche Doppel-Detonation erbracht und stellt damit gängige Theorien über Typ-Ia-Supernovae in Frage.
Eine Supernova vom Typ Ia ist im Gegensatz zu anderen Supernova-Typen nicht das Ende eines massereichen Sterns, sondern eines Weissen Zwergs. Dies sind die kleinen, inaktiven Kernbereiche, die übrig bleiben, wenn Sterne wie unsere Sonne ihren Kernbrennstoff verbrannt haben. Die Standardtheorie, die eine Supernova vom Typ Ia erklärt, geht von einem engen Doppelsternsystem aus, in dem ein Weisser Zwerg Materie von seinem Begleitstern abzieht. Sobald er die kritische Masse – die sogenannte Chandrasekhar-Grenze von etwa 1,4 Sonnenmassen – erreicht, kommt es zur Supernova.
Neuere Studien deuten jedoch darauf hin, dass einige Supernovae dieses Typs sich besser durch eine doppelte Explosion erklären lassen, die erfolgt, bevor der Weisse Zwerg die kritische Masse erreicht. In dieser alternativen Theorie bildet sich eine dünne Hülle aus Helium um den Weissen Zwerg herum, die instabil werden und sich entzünden kann. Diese erste Explosion erzeugt eine Stosswelle, die sich nach innen in den Kohlenstoff-Sauerstoff-Kern des Sterns ausbreitet und eine zweite Detonation im Kern des Sterns auslöst – wodurch schliesslich die Supernova entsteht.
Bisher gab es keinen eindeutigen Beweis für eine solche Doppel-Detonation eines Weissen Zwergs. Astronomen hatten aber angenommen, dass ein solcher Vorgang ein charakteristisches Muster in den noch glühenden Überresten der Supernova hinterlassen sollte – gewissermassen einen Fingerabdruck. Die Überreste sollten demnach zwei separate Kaliumschalen enthalten.
Tatsächlich konnte das Forschungsteam mithilfe des Multi Unit Spectroscopic Explorer (MUSE) des Very Large Telescope zwei konzentrische Schalen aus Kalzium nachweisen, die durch eine Schwefelschicht getrennt sind – exakt die durch Computersimulationen prognostizierte Konstellation nach einer Doppel-Detonation. Die äussere Kalziumschale geht vermutlich auf die Explosion der Heliumhülle zurück, während die innere aus dem später explodierten Kern stammt. Der Schwefel dazwischen spricht für Verbrennung bei mittleren Temperaturen.
«Das ist ein klarer Hinweis darauf, dass Weisse Zwerge weit vor Erreichen der berühmten Chandrasekhar-Massengrenze explodieren können», stellt Ivo Seitenzahl, Astrophysiker und Mitautor der Studie, in einer Pressemitteilung der ESO fest. Damit ist erstmals belegt, dass die Doppel-Detonation tatsächlich in der Natur vorkommt.
Dies ist eine wichtige Entdeckung, denn Supernovae vom Typ Ia spielen eine wichtige Rolle in der modernen Astronomie. Sie werden als «Standardkerzen» verwendet: Ihre Leuchtkraft ist so vorhersehbar, dass Astronomen sie zur Messung von Entfernungen im Universum verwenden können. Dank dieser Supernovae entdeckten Wissenschaftler in den 1990er Jahren beispielsweise, dass sich das Universum immer schneller ausdehnt. Dies führte zu der Hypothese der dunklen Energie.
«Die Explosionen von Weissen Zwergen spielen eine entscheidende Rolle in der Astronomie», bekräftigt auch Studienleiter Das. «Doch trotz ihrer Bedeutung ist das seit langem bestehende Rätsel um den genauen Mechanismus, der eine solche Explosion auslöst, noch immer ungelöst», fügt er hinzu.
Nach wie vor gibt es nämlich offene Fragen: Woher stammt das Helium – von einem Begleitstern oder aus dem Inneren des Weissen Zwergs selbst? Könnten vielleicht sogar beide Sterne in einem System explodieren? Weitere Beobachtungen sind erforderlich, um solche Fragen zu klären. (dhr)