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Exoplanet Gliese 12 b: Nahe, neu entdeckt – und lebensfreundlich?

Der nur rund 40 Lichtjahre entfernte Exoplanet Gliese-12b ist etwa so gross wie die Venus und könnte lebensfreundlich sein.
Der Planet Gliese 12 b umkreist einen Roten Zwergstern im Sternbild Fische, rund 40 Lichtjahre von der Erde entfernt. Die künstlerische Darstellung zeigt den Exoplaneten mit einer Atmosphäre.Bild: NASA/JPL-Caltech, R. Hurt (Caltech-IPAC)

Ein Exoplanet wie die Venus – und das ganz in der Nähe

03.06.2024, 07:16
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Seit Jahren durchforsten Astronomen das Universum nach Planeten, die möglicherweise Leben beherbergen oder zumindest bewohnbar sein könnten, in der Hoffnung, erdähnliche Welten zu finden. Seit der Entdeckung des ersten Exoplaneten, also eines Planeten ausserhalb unseres eigenen Sonnensystems, sind mittlerweile weit über 5000 dieser Himmelskörper gefunden worden.

Nur 40 Lichtjahre entfernt

Manche von ihnen sind Tausende von Lichtjahren entfernt. Das gilt jedoch nicht für Gliese 12 b – dieser Exoplanet im Sternsystem Gliese 12 ist lediglich gut 40 Lichtjahre von uns entfernt. Und Gliese 12 b könnte, im Gegensatz zu vielen anderen bekannten Exoplaneten, tatsächlich lebensfreundlich sein.

Die Entdeckung des Exoplaneten im Sternbild Fische gelang mithilfe des Planetenjägers Transiting Exoplanet Survey Satellite (TESS), der bereits viele Exoplaneten entdeckt hat. Daran beteiligt waren zwei Forschungsteams, deren Papers in den «Monthly Notices of the Royal Astronomical Society» und in den «Astrophysical Journal Letters» erschienen sind. «Wir haben die bisher nächstgelegene erdgrosse gemässigte Welt entdeckt», betont Masayuki Kuzuhara, der eines der beiden Teams leitete. «Obwohl wir noch nicht wissen, ob Gliese 12 b eine Atmosphäre hat, betrachten wir ihn als eine ‹Exo-Venus›. Er hat eine ähnliche Grösse und erhält eine ähnliche Menge an Energie von seinem Stern wie unser Nachbarplanet in unserem eigenen Sonnensystem.»

Bewohnbar ist der Planet allerdings nur dann, wenn er eine Atmosphäre besitzt. Falls dies zutrifft, könnte es eine Gashülle sein, die jener ähnelt, die die Erde umgibt. Es könnte aber auch sein, dass die Atmosphäre eher jener der Venus gleicht. Die Verhältnisse dort sind wenig lebensfreundlich: Ein starker Treibhauseffekt hat dazu geführt, dass die Oberfläche unseres Nachbarplaneten bis zu 400 Grad Celsius heiss wird.

Möglich ist aber auch, dass Gliese 12 b gar keine Atmosphäre hat – oder eine Art von Atmosphäre, die wir aus unserem Sonnensystem nicht kennen. Die Antwort auf die Frage, ob der Planet eine Atmosphäre hat und wie diese aussieht, ist entscheidend. Denn von ihr hängt es ab, ob Gliese 12 b auf seiner Oberfläche Temperaturen aufrechterhalten kann, die für flüssiges Wasser – und damit möglicherweise für Leben – geeignet sind.

Grössenvergleich zwischen der Erde und dem neu entdeckten Exoplaneten Gliese 12b. Er könnte etwa so gross sein wie die Erde oder etwas kleiner, wie die Venus. (Künstlerische Darstellung)
Grössenvergleich zwischen der Erde und dem Exoplaneten Gliese 12 b. Er könnte etwa so gross sein wie die Erde oder wie die Venus. Die künstlerische Darstellung zeigt drei verschiedene Interpretationen von Gliese 12 b – von einer ohne Atmosphäre (l.) bis zu einer mit einer dichten venusartigen Gashülle. Bild: NASA/JPL-Caltech/R. Hurt (Caltech-IPAC)

Gliese 12 – ein Roter Zwerg

Von Bedeutung für die Frage, ob der Planet eine Atmosphäre hat, ist auch sein Mutterstern. Gliese 12, der von Gliese 12 b alle 12,8 Tage einmal umrundet wird, ist ein Roter Zwerg – dies sind die kleinsten Sterne, in deren Zentrum noch Kernfusion von Wasserstoff zu Helium stattfindet. Sie sind sehr häufig, aber so lichtschwach, dass von der Erde aus kein einziger mit blossem Auge gesehen werden kann. Gliese 12 ist etwa 27 Prozent so gross wie unsere Sonne und weist eine Oberflächentemperatur auf, die etwa 60 Prozent von jener der Sonne entspricht.

Rote Zwergsterne weisen einen Vorteil auf, wenn es um Leben auf Planeten in ihrer habitablen Zone geht: Sie sind sehr langlebig und stabil, was eventuell entstehenden Lebensformen eine lange Zeit der Entwicklung verschaffen würde. Doch es gibt auch Probleme, die die Entstehung von Leben erschweren. Da diese Sterne lichtschwach sind, müsste ein Planet sein Zentralgestirn relativ nahe umkreisen, um genügend Licht und Wärme zu erhalten.

Bei Roten Zwergen, die weniger als eine halbe Sonnenmasse aufweisen, würde dies wohl zu einer sogenannten gebundenen Rotation führen – das heisst, der Planet würde seinem Stern immer dieselbe Seite zuwenden. Die enormen Temperaturunterschiede zwischen einer permanent beleuchteten Tagseite und einer ewig dunklen Nachtseite würden die Entstehung von Leben wohl erschweren; möglich wäre es vielleicht aber in den Terminatorzonen (Dämmerungszonen) zwischen Tag- und Nachtseite.

Ebenfalls ein Problem stellt die Tatsache dar, dass Rote Zwerge den Grossteil ihrer Strahlung im infraroten Bereich aussenden. Da Wasser langwelliges Licht stark absorbiert, wäre es in Gewässern auf Planeten, die einen Roten Stern umkreisen, schon in geringer Wassertiefe völlig dunkel – was für Wasserpflanzen alles andere als optimal wäre.

Das Hauptproblem bei Roten Zwergen ist jedoch die Tatsache, dass viele dieser Sterne magnetisch aktiv sind, was dazu führt, dass sie häufig gewaltige Flares ausstossen. Diese Eruptionen können einen Planeten, der einen solchen Stern in der habitablen Zone umkreist, seiner Atmosphäre berauben. Bei Gliese 12 scheint dies jedoch nicht der Fall zu sein, wie Analysen gezeigt haben. Das gibt Anlass zur Hoffnung, dass die Atmosphäre von Gliese 12 b, falls es sie überhaupt gibt, noch intakt ist.

Zwischen Erde und Venus

Die Entfernung zwischen Gliese 12 b und seinem Stern beträgt lediglich 7 Prozent der Entfernung zwischen Erde und Sonne. Der Planet erhält daher 1,6 Mal mehr Energie von seinem Stern als die Erde von der Sonne, und etwa 85 Prozent der Menge, die die Venus erhält. «Damit läge Gliese 12 b in Bezug auf seinen Strahleneinfall zwischen Erde und Venus», erklärt Shishir Dholakia von der University of Southern Queensland in Australien, der in einem der beiden Teams mitarbeitete. Die geschätzte Oberflächentemperatur von Gliese 12 b beträgt 42 Grad Celsius; das ist etwas wärmer als jene der Erde, die 15 Grad Celsius beträgt, aber deutlich kühler als jene der meisten bekannten Exoplaneten.

Gliese 12 b ist übrigens nicht nur deshalb interessant, weil er potenziell lebensfreundlich ist. Die Untersuchung dieses Exoplaneten könnte Aufschluss darüber geben, warum die Erde und die Venus, die sich in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich sind, dennoch so unterschiedliche Wege eingeschlagen haben. «Da Gliese 12 b ähnlich viel Licht von der Sonne empfängt wie Erde und Venus, kann er uns auch helfen, den Unterschied zwischen diesen beiden Planeten in unserem eigenen Sonnensystem zu erklären und zu verstehen», so Dholakia.

Dies könnte wertvolle Erkenntnisse über die atmosphärischen Prozesse liefern, die die Bewohnbarkeit von Planeten beeinflussen. Larissa Palethorpe von der University of Edinburgh, die im selben Team wie Dholakia mitarbeitete, führt dazu aus: «Man nimmt an, dass die ersten Atmosphären der Erde und der Venus abgetragen und dann durch vulkanische Ausgasungen und Bombardierungen von Restmaterial im Sonnensystem wieder aufgefüllt wurden.» Die Erde ist allerdings bewohnbar, die Venus indes nicht – vor allem deswegen, weil sie kein Wasser mehr hat.

Palethorpe fügt hinzu: «Gliese 12 b, dessen Temperatur zwischen jener der Erde und jener der Venus liegt, kann uns helfen zu verstehen, wie Planeten bewohnbar werden, vor allem, wenn wir uns ansehen, welche Atmosphäre er hat.» (dhr)

«Gliese 12 b – exoplanet sized between Earth and Venus.»Video: YouTube/SciNews
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32 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hirngespinst
02.06.2024 15:16registriert August 2019
Und: 'lediglich 40 Lichtjahre entfernt'
Wochenendtripp.
😏
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RTFM
02.06.2024 14:50registriert Mai 2021
Nur 40 Lichtjahre... in etwa die halbe Lebenserwartung eines Mannes in der Schweiz in einem Raumschiff welches sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegt.

Oder anders gesagt: wen jemand bei seiner Geburt ein Feuerwerk erhält wird 40 jährig und das Licht vom Feuerwerk kommt beim anderen Planeten an.

Wollte das "nur" mal relativieren.
243
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s'Paddiesli
02.06.2024 14:22registriert Mai 2017
Obwohl grosser SciFi Fan, hoffe ich, dass der Mensch nie einen lebensfreundlichen Planeten erreichen wird. Es wäre dessen Ende. Uns gefährlich werdende Tiere und Pflanzen würden ausgerottet oder für Nahrung gezüchtet. Rohstoffe werden abgebaut ohne Rücksicht auf die Auswirkungen. Unsere Probleme exportieren wir einfach auf den Planeten.
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32
    QDH: Huber knarzt wie eine Eiche

    Liebe Huberquizzer

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