Wissen
Blogs

Das Ende des Internets? KI-Müll und wie wir ihn stoppen können

KI-Inhalte für den Müll: Davon gibt's leider viel zu viele.
KI-Inhalte für den Müll: Davon gibt's leider viel zu viele.bild: severin trösch
KI-Kosmos

Das Ende des Internets? Warum so viel KI-Müll entsteht und wie wir ihn stoppen können

Das Internet droht im KI-Müll zu versinken: Generative Modelle produzieren mehr Content denn je – aber immer weniger Substanz. Warum AI-Slop entsteht – und wie wir die Kontrolle zurückgewinnen können.
28.11.2025, 17:3128.11.2025, 17:31

Genau drei Jahre sind es her, seit OpenAI der Welt ChatGPT vorstellte und damit einen riesigen Boom bezüglich generativer KI – also Systemen, die komplexe Texte und Bilder generieren – auslöste. Seither haben sich diese GenAI-Systeme rasant ausgebreitet und produzieren viel Content. Teilweise sehr guten, aber oft auch schlechten. So oft, dass das ganze Internet darunter leidet.

AI-Slop – der Müll, den die KI produziert

KI-generierte Inhalte von geringer Qualität, ohne Substanz und minimal menschlich geprüft, sind mittlerweile ein so verbreitetes Phänomen, dass sie einen eigenen Namen bekommen haben: AI-Slop. Zu Deutsch etwa KI-Müll. AI-Slop kann aus Texten, Bildern oder Videos bestehen – und ist überall. In E-Mails, in Internetforen, auf Social-Media-Plattformen und ja, auch manchmal in KI-Kolumnen. Man erkennt den Müll typischerweise recht schnell, wenn man ihn sieht. Ein Beispiel, wie sich heute jeder zweite LinkedIn-Post liest:

🚀 KI ist keine Technologie — sie ist ein MINDSET.
Disruption ist keine Bedrohung — sie ist eine Einladung, das eigene Purpose-Level zu aktivieren. 🌈🤖

➡️ Disruption beginnt immer im Inneren.
➡️ Vertrauen ist das neue Betriebssystem.
➡️ Zukunft entsteht dort, wo Technologie auf Authentizität trifft.

Was denkst du — leben wir KI oder nutzen wir sie nur? 🤔

Dieser Text trägt alle typischen Anzeichen von AI-Slop:

  • Pathetische, aufgeblasene Formulierungen: Wörter wie disruptiv, transformativ, inspirierend, zukunftsweisend oder visionär.
  • Inhaltlich vage oder sogar falsch: Pseudo-tiefgründige Statements ohne klare Belege, Beispiele oder Kontext. Manchmal sogar faktisch falsche, erfundene Aussagen (siehe dazu unser Blogbeitrag zu «KI-Halluzination»).
  • Unnatürlich rhythmisch: Übertriebene Satzstrukturen («Wir denken neu — denken anders — denken Zukunft.»), oft erzeugt mit «Em-Dashes» (—).
  • Zu viele Emojis: 🤮.

Neben dem bedeutungslosen KI-Brei, der oft auf LinkedIn gepostet wird, gibt es auch ganze Buchreihen zu kaufen, welche ruchlos und mit wenig Sorgfalt KI-generiert wurden. Aber nicht nur Texte riechen oft nach AI-Slop. Auch billige KI-Bilder findet man mittlerweile in jedem Winkel des Internets. Ein besonders infames Beispiel ist der «Shrimp-Jesus»: Eine Reihe bizarrer, offensichtlich KI-generierter Abbildungen, die Jesus verschmolzen mit Shrimps und Krebsen zeigen.

Die «Shrimp-Jesus»-Bilder sind ein Beispiel für visuellen AI-Slop.
Die «Shrimp-Jesus»-Bilder sind ein Beispiel für visuellen AI-Slop.bild: wikipedia

Diese Bilder tauchen ohne klaren Grund auf Plattformen wie Facebook auf und erhaschen oft viele Likes und Kommentare. Und damit nicht genug: Auch AI-Slop-Videos sind spätestens seit dem Release von Sora 2, dem neuen Video-Modell von OpenAI, real: In der Social-Media-App Sora können seit September sehr einfach Kurzvideos inklusive Ton und sogar dem eigenen Gesicht KI-generiert werden. Die entstehenden Videos sind oft ohne Tiefgang, aber gerade hypnotisierend genug, damit man noch ein wenig weiter scrollt.

Das Vorstellungsvideo von Sora 2 zeigt unter anderem OpenAI-CEO Sam Altman im Zauberwald.
Das Vorstellungsvideo von Sora 2 zeigt unter anderem OpenAI-CEO Sam Altman im Zauberwald.bild: openai.com

Aber Moment! Eben noch haben wir doch das Hohelied der Intelligenz auf die KI gesungen und bestaunt, wie sie fähig ist, ganze Lexika an Wissen richtig wiederzugeben, total komplexe Zusammenhänge clever zu erklären und Shakespeare-esque Sonette zu verfassen! Wo sind wir denn falsch abgebogen, dass nun nur noch ein Krustentier-Messias oder ein Zauberwald-CEO herauskommt?

Wie AI-Slop entsteht: Feedback und Moloch

AI-Slop hat seinen Ursprung in der fundamentalen Funktions- und Herstellungsweise der generativen KI-Systeme. Für Sprachmodelle wie ChatGPT oder Claude gilt beispielsweise Folgendes: Das der KI vorgegebene Ziel ist es, das jeweils nächste Wort in einer Wortsequenz so vorherzusagen, dass der entstehende Text menschlichen Ansprüchen möglichst gut genügt. Auf dieses Ziel wird hingearbeitet, indem das System ...

  1. ... tonnenweise bestehenden, menschengenerierten Text liest und die Systematik darin kennenlernt.
  2. ... von Menschen Feedback zu den Outputs bekommt und dann beliebte Antwortstrukturen häufiger zu generieren beginnt (sogenanntes «Reinforcement Learning from Human Feedback»).

Mit diesen zwei Punkten werden auch zwei Mechanismen klar, durch welche es in einem Sprachmodell zu Slop-Output kommen kann:

  • Wiedergabe der Datengrundlage: Die KI-Systeme reflektieren immer ihre Trainingsdaten – die Daten also, an welchen die KI menschliche Sprache gelernt hat. Wenn gewisse Phrasen in diesen Trainingsdaten häufiger vorkommen, wird das KI-System diese auch häufiger wiedergeben.
  • Verstärkung durch Feedback: Die KI-Sprachmodelle lernen anhand von menschlichem Feedback, was «gute» oder «schlechte» Outputs sind. Schön organisierte, wohlklingende Antworten werden von Menschen präferiert – und das Modell beginnt daher, immer stärker in diese Richtung zu gehen.

So kann Text entstehen, der zwar auf den ersten Blick gut aussieht, aber bei nochmaligem Hinschauen eben KI-Müll ist. Und auf dieser Grundlage tritt ein Spieler auf den Plan, der immer noch mehr Slop entstehen lässt: der «Moloch».

«Moloch» beschreibt in der Spieltheorie ein System, in dem jede einzelne Person zu ihrem eigenen Vorteil handelt – und dadurch alle verlieren. Beim Klimawandel ist es so. Und eben auch beim AI-Slop: Einzelne produzieren massenhaft billige KI-Inhalte, weil es kurzfristig Aufmerksamkeit, Likes und Reichweite bringt. Dadurch zwingen sie weitere Akteure, die sich keinen Nachteil leisten können, dasselbe zu tun und ihre Zeit nicht in aufwendige Qualitätskontrolle und Fact-Checking zu investieren.

Woher kommt der Name «Moloch»?
«Moloch» ist die biblische Bezeichnung für Rituale, welche die Opferung von Kindern im Feuer vorsahen. Heute ist «Moloch» eine Metapher für zerstörerische gesellschaftliche Dynamiken, bei denen rationales, eigeninteressiertes Verhalten einzelner zu kollektiv katastrophalen Ergebnissen führt.

Der Slop nimmt so immer weiter zu – und ruiniert mit der Zeit die Informationsqualität und Glaubwürdigkeit des gesamten Internets: Niemand weiss mehr genau, was echt, was faktisch richtig und was KI-fabuliert ist. Alle verlieren. Und mit den aktuellen Anreizsystemen scheint diese Abwärtsspirale ziemlich ausweglos … Oder können wir den KI-Müll doch noch deckeln?

Zur Person
Severin Trösch ist der Kopf hinter der künstlichen Intelligenz bei der Datahouse AG – einer Firma, die alles mit Daten macht und fast alles davon kann. Die Komplexität hinter der KI hat ihn nicht nur seine letzten Haare gekostet, sondern auch motiviert, das KI-Kauderwelsch so zu erklären, dass auch Nicht-Nerds den Durchblick kriegen.
Severin Trösch

Deckel drauf! Wie wir dem Slop begegnen können

Moloch ist also wie so oft unser gemeinsamer Feind. Einige Ideen, um diesem bezüglich AI-Slop möglichst effektiv entgegenwirken zu können:

  • Hohe Qualitätsansprüche behalten: Wir dürfen uns nicht mit KI-Slop zufriedengeben, sondern müssen auf Qualität bestehen. Bei den Inhalten, die wir konsumieren, aber auch bei denen, die wir selbst produzieren.
  • Mit gutem Beispiel vorangehen: AI-Slop kann in eigenen Outputs wie folgt verhindert werden:

    Präzise sein. Je konkreter die Frage oder die Instruktion an die KI, desto weniger “sloppy” die Antwort. Oft helfen konkrete Beispiele.

    Iterieren. Qualität entsteht oft nicht im ersten Versuch – spiel Pingpong mit der KI.

    Facts checken.
    Nie etwas blind glauben, was die KI ausspuckt, sondern immer auf Plausibilität und Korrektheit prüfen.
  • «Von Menschen geprüft» als Standard anstreben: Ein Label wie «Für Menschen gemacht – von Menschen geprüft» könnte helfen, Vertrauen in Internet-Inhalte zurückzugewinnen. Darauf sollten wir hinarbeiten, beispielsweise mit standardmässiger Deklaration von KI-generierten Inhalten und explizitem Erwähnen menschlicher Prüfung.

Mit diesem disruptiven Mindset können wir den Status-Quo transformieren und auf ein inspirierendes, visionäres Utopia – ganz ohne Slop – hinwirken. 😉😉😉

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
35 Beweisfotos, die zeigen, dass KI-Fotos herrlich kurios sein können
1 / 37
35 Beweisfotos, die zeigen, dass KI-Fotos herrlich kurios sein können
Ein KI-generierter Trump beim Zubereiten der Urwalddroge Ayahuasca.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Mit wenigen Klicks zum Deep Fake
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
68 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Sebultikon
28.11.2025 17:46registriert August 2018
Ich glaube in ein paar Jahren werden wir die "before AI"-Zeiten so richtig vermissen... 😔
622
Melden
Zum Kommentar
avatar
HabbyHab
28.11.2025 18:00registriert Oktober 2014
Reddit, LinkedIn, Facebook, Twitter, YouTube, alles voll mit AI-Slop.

Dead internet is approaching fast.
480
Melden
Zum Kommentar
avatar
Casimir R.
28.11.2025 18:03registriert Januar 2016
Früher:
- Ringschraube
- Edelstahl
- 6mm
- 22g
Heute:
Die Ringschraube aus Edelstahl ist ein kleines Tool mit grossem Einfluss. Sie ist stabil, langlebig und gegen viele Umwelteinflüsse resistent. Dank der Stärke von 6 mm hält sie ziemlich viel aus und eignet sich perfekt für Befestigungen aller Art.
Der Vorteil bei Edelstahl ist, dass du dir um Rost keine Gedanken machen musst. Ideal also für den Einsatz draussen oder in feuchten Räumen. Ausserdem ist sie dank ihrer kleinen Grösse und einem Gewicht von nur 22 g ultra-leicht und sekundenschnell zu installieren. u.s.w.
381
Melden
Zum Kommentar
68
Sonja Zietlow knackt beim WWM-Promi-Special die Mathefrage für Fortgeschrittene – du auch?
Am Donnerstag haben bei «Wer wird Millionär?» Promis Geld für den guten Zweck erspielt. Insgesamt kamen dabei 285’000 Euro zusammen. Einige Fragen waren besonders fies. Hättest du die Antwort gewusst?
Bei «Wer wird Millionär?» traten Moderatorin Sonja Zietlow, Ex-Eiskunstläuferin Katarina Witt, Comedian Till Reiners und Moderator Johannes B. Kerner an, um Geld für einen guten Zweck zu erspielen.
Zur Story