Das Robert-Koch-Institut (RKI) analysiert in Deutschland den Verlauf von Infektionskrankheiten und nimmt damit in der aktuellen Pandemie eine wichtige Rolle ein. Es engagiert sich auch in der Aufklärung von Gesundheitsthemen und hat in diesem Rahmen ein Video publiziert, das eindrücklich – und teilweise auf sehr witzige Art und Weise – zeigt, warum die Corona-Impfung nicht unfruchtbar macht.
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Molekularbiologe Martin Moder nimmt dabei die Argumente der Impfgegner unter die Lupe. Schauen wir sie uns im Detail an.
Dass Impfungen unfruchtbar machen sollen, ist ein beliebtes und altes Argument von Impfgegnern. So hat beispielsweise 2014 die katholische Kirche in Kenia behauptet, dass die Tetanus-Impfung Frauen sterilisieren würde. 2004 haben islamische Geistliche das gleiche Gerücht über die Polio-Impfung (gegen Kinderlähmung) in Nigeria verbreitet.
Obwohl sich diese Gerüchte nicht bewahrheitet haben, führten sie in beiden Fällen dazu, dass sich viele Leute aus Verunsicherung nicht impfen lassen wollten. Eine Folge davon: die Anzahl an Kindern mit Kinderlähmung stieg danach deutlich an.
Je nach dem, wen man fragt, kommen ganz unterschiedliche Begründungen, warum eine Frau nach der Impfung keine Kinder mehr bekommen soll. Eine davon ist laut Molekularbiologe Moder, dass der Impfung heimlich Hormone zugesetzt worden seien. Beweise oder Quellen dazu gibt es keine einzigen.
Doch im Video des RKI geht es vor allem um einen anderen oft beschriebenen Mechanismus, der so ins Detail gehe, dass dem Molekularbiologen Moder «das Herz aufgeht». Mehr dazu im nächsten Punkt.
Ein häufiges Argument der Impfgegner ist, dass unser Körper mit der Immunreaktion gegen das Coronavirus versehentlich auch das für eine Schwangerschaft benötigte Protein «Syncytin-1» attackieren könnte – dies, weil sich das äusserste Protein des Coronavirus (das «Spike-Protein») und Syncytin-1 «zum Verwechseln ähnlich sehen».
Dazu muss man kurz in die Biologie eintauchen: Proteine bestehen aus langen Ketten von Aminosäuren. Davon gibt es rund 20 verschiedene und jede einzelne wird in der Molekularbiologie mit einem Buchstaben abgekürzt.
In der Bioinformatik wird das Spike-Protein des Coronavirus entsprechend als lange Buchstabenkette dargestellt. YouTube-Molekularbiologe Moder beschreibt es folgendermassen: «Schaut aus, als hätte man auf Twitter einen Schlaganfall gehabt, ist aber die Aminosäuresequenz des Spike-Proteins.» Gegen diesen Teil bildet sich bei der Infektion als auch bei der Impfung eine Immunantwort.
Eine solche Buchstabenkette gibt es auch für das Syncytin-1-Protein. Und tatsächlich ist es so, dass sich diese zu einem geringen Grad ähneln. Der Teil, der noch am ehesten ähnlich ist, ist der folgende: Oben sieht man die entsprechende Sequenz des Syncytin-1-Protein (das für die Schwangerschaft wichtig ist) und unten sieht man die Teilsequenz des Spike-Proteins vom Coronavirus.
Der Experte nimmt dabei die Impfgegner sogar etwas in Schutz: «Wenn man nie mit Proteinen gearbeitet hat, kann das auf einen wirken, als gäbe es da nennenswerte Ähnlichkeiten. Aber solche minimalen Überlappungen finde ich zwischen praktisch allen Proteinen.»
Zur Kontrolle vergleicht er Proteine von Schnupfen mit dem Syncytin-1-Protein und siehe da: Bei Rhinoviren (die meist für eine Erkältung verantwortlich sind) finden sich genau so viele Ähnlichkeiten.
Und der Vergleich des Experten leuchtet ein: Wenn man bei einem Buch zwei Seiten vergleichen würde, kämen dort vermutlich auch von Zeit zu Zeit zwei oder mehr gleiche Wörter hintereinander vor – trotzdem wäre der Zusammenhang ein ganz anderer.
Würde unser Körper sich von so minimalen Ähnlichkeiten irritieren lassen, würde er pausenlos seine eigenen Strukturen angreifen.
Und dann hat die Theorie der Impfgegner noch eine ganz andere Schwäche: Wäre an der Argumentation der Impfgegner etwas dran, hätten Frauen nach einer Infektion mit dem Coronavirus nicht wieder schwanger werden können. Denn die gleichen Antikörper, die man dank der Impfung in sich trägt, tragen auch Menschen in sich, die sich vor mit dem Virus angesteckt haben und diese entsprechenden Antikörper gebildet haben.
Inzwischen dürften sich rund 50 Millionen Frauen weltweit mit dem Coronavirus infiziert haben – und es gibt keine Hinweise darauf, dass diese seither weniger fruchtbar sind. Schwangerschaften nach SARS-CoV-2-Infektionen wurden in mehreren Studien untersucht und kommen alle zum gleichen Ergebnis: Covid-19 hat keinen Einfluss auf die Fruchtbarkeit.
Experte Moder kritisiert besonders, dass von Impfgegnern oft wissenschaftliche Begriffe und Konzepte verwendet werden. So scheint es oft, dass diese Theorien auch aus wissenschaftlichen Arbeiten stammen – aber keine wissenschaftliche Arbeit stützt dieses Unfruchtbarkeitsgerücht.
Dieser Unfruchtbarkeits-Mythos existiert schon länger. Die Argumente sind in der Zwischenzeit nicht besser, aber komplexer geworden. Es dauert also länger und ist schwieriger, die Widerlegung dieser falschen Argumentationen zu verstehen.
Der Experte des Robert-Koch-Instituts stellt daher klar: «Es ist sehr leicht, Unsicherheit zu verbreiten. Aber es ist sehr viel schwieriger, Ängste durch rationale Überlegungen wieder loszuwerden. Da spielen die Impfgegner einfach das leichtere Spiel.»
Das rund 10-minütige Video endet mit den Worten: «Es ist schade, dass sich viele jetzt gar nicht richtig auf den Immunschutz freuen können, weil sie sich von irgendwelchen Gerüchten haben verunsichern lassen. Denn eigentlich ist es ziemlich geil, nicht krank werden zu können.» (lea)