Spätestens seit den Fünfzigerjahren leben wir im Plastik-Zeitalter. Von der PET-Flasche bis zur Zahnbürste: Plastik ist in unserem Alltag omnipräsent. Plastik ist dauerhaft – und genau das ist ein Problem: Grosse Mengen Plastik gelangen ins Meer und schwimmen herum. Mittlerweile müssten nach vorsichtigen Schätzungen mindestens eine Million Tonnen Plastik auf den Ozeanen treiben. Vermutlich ist es viel mehr: Jedes Jahr gelangen laut dem UNO-Umweltprogramm (Unep) rund 6,4 Millionen Tonnen Müll ins Meer.
Doch der Plastik verschwindet. Merkwürdigerweise ist die Plastiksuppe extrem dünn: Es sind nur gerade zwischen 7000 und 35'000 Tonnen Plastikabfälle, die auf der Wasseroberfläche der Weltmeere schwappen. Dies zumindest ist das Ergebnis aus tausenden von Wasserproben, die Wissenschaftler während der Forschungsexkursion Malaspina 2010 an 141 unterschiedlichen Stellen weltweit gesammelt und ausgewertet haben.
«Zahlen aus den Siebzigerjahren über die schwimmenden Plastikmengen sind hundertmal grösser als unsere aktuellen Schätzungen», schreibt das Forscherteam um Andrés Cózar von der Universidad de Cádiz im Fachblatt «Proceedings of the National Academy of Sciences».
Die neuen Zahlen könnten mithin zu einer gewissen Entwarnung Anlass geben – doch das mysteriöse Verschwinden des Plastikmülls alarmiert die Meeresbiologen eher als sie zu beruhigen. Besorgnis erregt vor allem die Tatsache, dass besonders die Menge von Partikeln im Bereich von 0,5 bis 5 Millimeter – der Plastikmüll zerfällt im Lauf der Zeit in immer kleinere Teilchen – kleiner war als erwartet. Offenbar verschwinden bedeutende Mengen von Plastiksegmenten dieses Grössenbereichs von der Wasseroberfläche.
Doch wie und wohin? Die Forscher denken an vier verschiedene Prozesse, die dafür verantwortlich sein könnten:
Welchen Anteil jeder dieser Prozesse am Verschwinden des Mülls hat, können die Wissenschaftler noch nicht beziffern. Sicher ist aber: Die Forscher beunruhigt vor allen Dingen die Tatsache, dass Meerestiere Plastikteilchen verschlucken. Sie verwechseln sie mit Beutetierchen derselben Grösse.
Welche Auswirkungen dies langfristig hat, ist noch kaum erforscht. Befürchtet wird, dass toxische Stoffe aus dem Plastik ins Gewebe der Tiere gelangen und sich über die Nahrungskette anreichern. In einigen Nordsee-Fischen und Langusten sei bereits Mikroplastik entdeckt worden, berichtet zum Beispiel Spiegel Online.
Sylvia Frey von Ocean Care kennt die neue Studie noch nicht, wie sie watson sagt. Sie weist aber darauf hin, dass der Plastikabfall, der direkt auf der Wasseroberfläche treibt, lediglich einen Teil der gesamten Müllmenge ausmacht. Es sei ohnehin schwierig, die Müllmenge nach den verschiedenen Kompartimenten aufzuschlüsseln, und sicher sei, dass grosse Mengen von Plastikteilchen in der Wassersäule unter der Oberfläche schwebten.
Je kleiner die Plastikteilchen würden und je mehr Plastik in grosse Tiefen absinke oder von Meeresbewohnern verschluckt werde, desto schwieriger werde es zudem, den Müll wieder aus dem Meer herauszubringen, warnt Frey. Auch Projekte wie jenes des Holländers Boyan Slat, der die Ozeane mit gigantischen Filteranlagen säubern will, würden dann an Wirksamkeit einbüssen.
Das Absinken von Plastikpartikeln in die Tiefsee ist auch deshalb ein Problem, weil es unsere Kenntnis von der Welt trübt, in der wir leben. «Die Tiefsee ist eine unbekannte Welt», sagt Cózar. «Die Anreicherung von Plastik in der Tiefsee würde dieses mysteriöse Ökosystem – das grösste der Welt – verändern, bevor wir es kennenlernen könnten.»