Zwei Finger dick ist die perfekte Schaumkrone eines frisch gezapften Biers. Die Freude über diesen Anblick hält freilich nicht immer gleich lang an – bei manchen Bieren fällt die Krone in sich zusammen, bevor man noch den ersten Schluck genommen hat. Andere Biersorten zeichnen sich hingegen durch eine stabile Krone aus.
Warum das so ist, hat ein Forschungsteam um Jan Vermant, Professor für Weiche Materialien an der ETH Zürich, sieben Jahre lang untersucht, wie aus einer Mitteilung der ETH hervorgeht. Die Wissenschaftler der ETH und der Technischen Universität Eindhoven in den Niederlanden analysierten die Stabilität des Schaums verschiedener kommerzieller Biersorten – von Schweizer Lagerbieren bis zu belgischen Trappistenbieren – während mehrerer Phasen des Gärungsprozesses. Sie verwendeten dabei fortschrittliche bildgebende Verfahren und Rheometrie – die Messung der Festigkeit von Schaum. Ihre Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift Physics of Fluids veröffentlicht.
Um es vorwegzunehmen: Belgische Tripel-Biere haben den stabilsten Schaum, dicht gefolgt von Dubbel-Bieren. Am wenigsten stabil ist die Schaumkrone dagegen bei Lagerbieren. Unter diesen Lagerbieren, die das Forschungsteam analysierte, habe sich auch ein Bier einer grossen Schweizer Brauerei befunden, sagt Vermant und fügt schmunzeld an: «Da lässt sich noch einiges verbessern – wir helfen gerne.»
Bierschaum besteht – wie jeder andere Schaum auch – aus unzähligen Luftbläschen, die durch dünne Flüssigkeitsfilme voneinander getrennt sind. Wenn diese Filme zusammenbrechen, platzen die Bläschen und der Schaum fällt zusammen. Er kann jedoch auf drei Arten stabilisiert werden: durch verklumpende Proteine, die aus dem Gerstenmalz stammen; durch die Zähflüssigkeit und den Widerstand der Oberflächenschicht (Oberflächenviskosität) oder durch spezielle Moleküle, die die Oberflächenspannung verringern – sogenannte Tenside, die auch in Seifen und Waschmitteln enthalten sind.
Welcher dieser Mechanismen sorgt nun wirklich für eine feste Schaumkrone? Die Antwort hängt offenbar von der Biersorte ab. Bei untergärigen Bieren wie Lager spielt vornehmlich die Oberflächenviskosität eine Rolle. Diese wird durch die im Bier vorhandenen Proteine beeinflusst: Je mehr Proteine im Bier vorhanden sind, desto zähflüssiger wird der Film um die Bläschen und desto stabiler wird der Schaum.
Die Proteine reichern sich an der Grenzfläche zwischen dem Bier und der Luftblase an und bilden ein zusammenhängendes, eher starres Netzwerk. Diese zähe Schicht immobilisiert die Oberfläche der Blasen und bremst das Abfliessen der Flüssigkeit aus den Wänden der Schaumblasen (die sogenannte Drainage). Der Schaum bleibt dadurch länger stabil, weil die Blasen nicht so schnell austrocknen und platzen.
Anders verhält es sich bei obergärigen Bieren – etwa belgischen Ales wie Tripel oder Dubbel. Bei diesen Biersorten ist die Oberflächenviskosität minimal. Die Stabilität entsteht vielmehr durch sogenannte Marangoni-Spannungen – Kräfte, die durch Unterschiede in der Oberflächenspannung entstehen. Dabei treten Strömungen auf, die auf der Oberfläche zirkulieren. Halten solche Strömungen lange an, stabilisieren sie die Bläschen im Bierschaum.
Verschiedene Biere, unterschiedliche Braubedingungen und darum unterschiedliche Schaumphysik: Die Lösung liegt in der Struktur und der Dynamik von proteinreichen Hüllen, die die Bläschen umgeben. Im belgischen Singel-Bier verhalten sich diese proteinreichen Hüllen so, als würden sich kleine, kugelförmige Partikel dicht an der Oberfläche der Blasen anordnen. Dies entspricht einer zweidimensionalen Suspension, das heisst einer Mischung aus einer Flüssigkeit und fein verteilten Feststoffen, die wiederum die Blasen stabilisiert.
Im Bier vom Typ Dubbel bilden Proteine eine netzartige Struktur, die wie eine Membran die Bläschen noch stabiler macht. Bei Tripel-Bieren wird die Physik noch komplexer: Die Dynamik der Bläschenoberflächen ähnelt der von Tensiden – Molekülen, die Schaum in vielen alltäglichen Anwendungen stabilisieren. Der genaue Grund für das unterschiedliche Verhalten ist noch unbekannt. Es scheint aber so, dass das Protein LPT1 (lipid transfer protein 1) eine entscheidende Rolle bei der Stabilisierung des Bierschaumes spielt.
Obwohl sein Forschungsteam die Faktoren entschlüsseln konnte, die die Stabilität des Bierschaums beeinflussen, warnt Vermant davor, die Komplexität des Phänomens zu unterschätzen: «Die Stabilität des Schaums hängt nicht linear von einzelnen Faktoren ab. Man kann nicht einfach ‹etwas› ändern und es ‹richtig› einstellen.» So könne es den Schaum beispielsweise sogar instabiler machen, wenn man die Viskosität durch zusätzliche Tenside erhöhe. Damit verlangsame man nämlich die Marangoni-Effekte zu stark. «Entscheidend ist, gezielt an einem Mechanismus zu arbeiten – nicht an mehreren gleichzeitig. Bier macht das offensichtlich von Natur aus gut!», sagt Vermant.
Die Erkenntnisse der Studie sind nicht nur für ein besseres Bier relevant, sondern auch für ganz andere Anwendungen – man denke etwa an die Stabilisierung von Milchschaum durch Proteine. In einem anderen Bereich geht es hingegen um die gezielte Zerstörung von unerwünschten Schäumen – etwa bei Schmiermitteln von Elektrofahrzeugen, die schäumen können, was gefährlich ist. Ein weiteres Ziel ist die Entwicklung nachhaltiger Tenside, die auf Fluor oder Silizium verzichten. «Unsere Studie ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung», so Vermant. (dhr)
Hinweis: In einer früheren Version stand fälschlicherweise, dass Tripel-Biere dreifach vergoren seien. Richtig ist, dass sich Singel-, Dubbel- und Tripel-Biere nicht in der Anzahl der Gärungen unterscheiden. Mit der Bezeichnung Tripel wird darauf hingewiesen, dass das Bier einen höheren Alkoholgehalt hat als ein Singel- oder ein Dubbel-Bier.