Es gab eine Zeit, da war das Bermudadreieck in aller Munde. Bars benannten sich aus offensichtlichen Gründen nach jener mysteriösen Meeresregion im westlichen Atlantik, in der anscheinend immer wieder Schiffe und Flugzeuge spurlos verschwanden. Seit dem Höhepunkt in den 70er- und 80er-Jahren ist der Hype um das Bermudadreieck – auch «Teufelsdreieck» genannt – etwas abgeflaut. Fast schien es, als ob das Bermudadreieck selbst im Bermudadreieck verschwunden wäre. Doch die Theorien, die das angebliche Mysterium erklären wollen, sind zum Teil so abenteuerlich, dass sich ein Blick darauf lohnt.
Zuerst aber: Wo ist das Bermudadreieck überhaupt? Und wie ist es berühmt-berüchtigt geworden?
Das grösste Dreieck der Erde besteht aus drei gedachten Linien, die ein Meeresgebiet im westlichen Atlantik von etwa 1,3 Millionen Quadratkilometern Fläche umreissen – etwa so gross wie Spanien, Frankreich und Italien zusammen. Üblicherweise ist es durch folgende Eckpunkte definiert: im Nordosten die namensgebenden Bermuda-Inseln, im Süden San Juan auf der Antillen-Insel Puerto Rico und im Westen Miami an der Küste des US-Staats Florida. Manchmal wird aber auch ein wesentlich grösseres Gebiet darunter verstanden; vielleicht auch, um vermeintlich mysteriöse Vorgänge dem Dreieck zuordnen zu können.
Schon der Seefahrer Kolumbus berichtete aus dieser Meeresgegend merkwürdige Vorkommnisse; in seinem Logbuch notierte er am 13. September 1492, sein Kompass zeige nicht länger nach Norden, sondern etwa sechs Grad nach Nordosten. So etwas hatte man noch nie gesehen. Und am 11. Oktober beobachtete er ein seltsames Licht am Horizont. Diese Logbucheinträge wurden später oft als Beleg dafür herangezogen, dass es in diesem Seegebiet nicht mit rechten Dingen zuging.
Allerdings fand bereits Kolumbus die Erklärung für die verrückte Kompassnadel: Diese ist nicht auf den geografischen, sondern auf den magnetischen Nordpol ausgerichtet; die Abweichung wird als Deklination bezeichnet. Seeleute, die sie nicht beachten, können vom Kurs abweichen und in Schwierigkeiten geraten. Nur an wenigen Stellen zeigt die Nadel tatsächlich zum geografischen Nordpol; eine davon liegt im Bermudadreieck. Eine andere befindet sich vor der Ostküste Japans und wird «Teufelsmeer» genannt; auch dort soll es mysteriöse Fälle von verschwundenen Schiffen gegeben haben.
Trotz der Berichte von Kolumbus entstand der Mythos vom Bermudadreieck erst viel später, nämlich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Anlass dazu gab ein Vorfall im Dezember 1945 – der mysteriöse «Flight 19». Fünf amerikanische Torpedobomber verschwanden damals spurlos über dem Atlantik, ebenso ein Flugboot, das nach ihnen suchte. 1950 brachten dann amerikanische Zeitungen mehrere Artikel über rätselhafte Vorfälle im «Teufelsdreieck». Und 1964 prägte Vincent Gaddis in seinem Artikel «The Deadly Bermuda Triangle» erstmals den Begriff «Bermudadreieck».
Doch erst zehn Jahre später brach das «Bermudafieber» so richtig aus. Verantwortlich dafür war Charles Berlitz, der mit seinem Buch «The Bermuda Triangle» einen weltweiten Bestseller landete. Und dies, obwohl sein Anspruch, er habe diese mysteriösen Ereignisse wissenschaftlich untersucht, von Kritikern gnadenlos zerpflückt wurde. Berlitz vermengte die Berichte über das Verschwinden von Schiffen und Flugzeugen mit dem Atlantis-Mythos und brachte als Erklärung – ganz wie der Schweizer Autor Erich von Däniken – Ausserirdische ins Spiel.
Berlitz' pseudowissenschaftliche Melange traf den Zeitgeist perfekt, und 1977 legte er mit «Without a Trace – More Evidence from the Bermuda Triangle» erfolgeich nach. In seinem Gefolge schossen die Theorien zum «Friedhof des Atlantiks» ins Kraut – von Aliens über Seeungeheuer bis zu Monsterwellen. Bevor wir uns diesen zum Teil abenteuerlichen Erklärungsversuchen zuwenden, folgt hier eine kurze Übersicht über rätselhafte Vorfälle im Bermudadreieck, beginnend mit dem berühmten «Flight 19».
Es besteht kein Zweifel, dass im Bermudadreieck eine ganze Anzahl von Schiffen und Flugzeugen verschwunden sind, was allerdings auch auf andere Meeresgebiete vergleichbarer Grösse zutrifft. Die «New York Times» schrieb 2006, in den vergangenen 500 Jahren seien mindestens 50 Schiffe und 20 Flugzeuge verschwunden. Die Autorin Gail B. Stewart trumpft in ihrem Buch «The Bermuda Triangle» mit bedeutend höheren Zahlen auf: Sie behauptet, allein zwischen 1945 und 1975 seien mehr als 67 Schiffe und 192 Flugzeuge verschwunden. Seither seien es im Schnitt jedes Jahr 20 Schiffe und 4 Flugzeuge.
Manche dieser Vorgänge konnten nicht restlos aufgeklärt werden, manche lösten ein grosses Medienecho aus. Hier eine Auswahl von sechs bekannten Fällen:
Allen diesen Vorfällen ist gemein, dass die Flugzeuge spurlos verschwanden. Dies erscheint allerdings weniger rätselhaft, wenn man bedenkt, dass die Wetterbedingungen im Bermudadreieck schnell wechseln und der Golfstrom, der durch das gesamte Seegebiet fliesst, Stürme begünstigt. Die Meeresströmung sorgt obendrein dafür, dass Wrackteile in kurzer Zeit weit weg von der Absturzstelle verfrachtet werden. Darauf hat auch die NOAA, die US-Wetter- und Ozeanografie-Behörde, in einem 2010 veröffentlichten Statement hingewiesen.
Mit solchen prosaischen Erklärungen geben sich nicht alle zufrieden. Spurlos verschwundene Flugzeuge und Schiffe sind Wasser auf die Mühlen von Leuten, die unorthodoxe Theorien vertreten – deren Bandbreite von hanebüchen bis plausibel reicht. Die wichtigsten Beispiele:
Ausserirdische als Verursacher der mysteriösen Vorfälle brachte schon Berlitz 1974 in seinem Bestseller ins Spiel. Darin behauptete er etwa, ein Funkamateur habe 1945 von Charles Taylor, dem Staffelführer des unglücklichen «Flight 19», den Satz aufgefangen: «… sie sehen aus, als ob sie aus dem Weltraum wären.» Die Aliens verquickte Berlitz gleich mit dem Atlantis-Mythos: Diese angeblich versunkene Stadt sei eine verlassene Alien-Basis und liege vor der zu den Bahamas gehörenden Insel Bimini; ihre Relikte seien eine Reihe von mächtigen Steinblöcken unter Wasser, die sogenannte Bimini-Road.
In der Alien-Basis, zu der die Ausserirdischen sporadisch zurückkehrten, seien leistungsstarke Energiemaschinen vorhanden, die durch elektromagnetische Signale der modernen menschlichen Verkehrsmittel aktiviert würden. Ihre enormen Energiefelder würden dann nicht nur Kompassnadeln und Funksignale stören, sondern könnten selbst Schiffe und Flugzeuge in eine andere Zeit- und Raumdimension katapultieren.
Die Alien-Theorie zog naturgemäss viele Befürworter an. Das Bermudadreieck war in ihren Augen eine Art Einfallstor der Ausserirdischen zu unserem Planeten; die Aliens könnten dort Technologien und Menschen behändigen, um ihre Forschungen über unsere Spezies voranzutreiben – Berlitz nannte dies «Spacenapping»; die Aliens brauchten die verschollenen Menschen für einen Weltraumzoo. Dies würde erklären, warum viele verschwundene Menschen, Flugzeuge und Schiffe nie gefunden wurden.
Wurmlöcher sind in der Science Fiction ein praktisches Mittel, um interstellare oder gar intergalaktische Reisen zu ermöglichen. Ob sie real existieren, ist nicht klar; jedenfalls gibt es keine experimentellen Hinweise darauf, dass es sie tatsächlich gibt – ohnehin hätten sie physikalisch nicht viel mit ihren Vettern in der Fiktion gemein. Das hindert fantasiebegabte Theoretiker nicht daran, das Bermudadreieck mit einem Wurmloch in Verbindung zu bringen. Demnach wäre das Seegebiet ein Portal zu einem anderen Raum und einer anderen Zeit, das Schiffe und Flugzeuge samt ihren Insassen aus ihrem irdischen Zusammenhang reissen und an einen anderen Ort der Raumzeit verfrachten würde.
Der amerikanische Pilot Bruce Gernon behauptete, er sei bei einem Flug über dem Bermudadreieck plötzlich in einen bedrohlichen Nebel geraten und sein Kompass habe verrückt gespielt. Er sei dann durch eine Art Zeittunnel geflogen und habe sich plötzlich 160 Kilometer weiter in Flugrichtung befunden. 2017 veröffentlichte Gernon, der nach eigenen Angaben zuvor nicht an Zeitreisen oder Teleportation geglaubt hatte, ein Buch über seine Erfahrungen.
Geschichten von Riesenkraken sind unter Seefahrern seit der Antike verbreitet. In der nordischen Mythologie kommt das Seeungeheuer «Kraken» vor, das so gross wie eine Insel ist und jedes Schiff versenken kann. Auch in anderen Teilen der Welt gibt es Legenden über tentakelbewehrte Seeungeheuer, etwa At-kor-kamuy in Japan und Te Wheke-a-Muturangi in Neuseeland. Diese Ungeheuer sind womöglich durch real existierende Riesenkalmare inspiriert, die auch in den Gewässern des Bermudadreiecks vorkommen. Sie können eine beträchtliche Grösse erreichen; das grösste je gemessene Exemplar war 13 Meter lang.
13 Meter sind in der Tat beeindruckend, und es ist durchaus möglich, dass in der Tiefsee noch mehr als doppelt so grosse Exemplare umherschwimmen. Doch 150 Meter lange Riesenkraken, deren Existenz der «Bermuda-Forscher» Rob Simon behauptete, dürften ebenso ins Reich der Legende gehören wie der skandinavische Kraken. Erwähnungen dieser Kreaturen finden sich daher auch nur auf obskuren Webseiten.
Nicht nur gigantische Kopffüsser werden für verschwundene Schiffe verantwortlich gemacht, sondern auch riesige, eigentlich längst ausgestorbene Urzeitgeschöpfe, etwa der Urhai Megalodon. Bild.de spekulierte 2016 unter dem süffigen Titel «Was macht der Urhai bei den Nazi-U-Booten?», Megalodon könnte vielleicht gar nicht ausgestorben sein, und berichtete: «Einige Experten denken, dass sich der Urhai ... im Bermuda-Dreieck versteckt.»
Bedeutend plausibler als Riesenkraken oder Urhaie als Ursache für verschwundene Schiffe sind Monsterwellen. Diese auch «Rogue Waves» oder «Freak Waves» genannten Wellen, von denen man lange annahm, sie kämen nur im Seemannsgarn abergläubischer Seeleute vor, sind seit 1995 dank Satellitenaufnahmen nachgewiesen. Die grössten unter ihnen können sich bis zu 30 Metern auftürmen; ihre Entstehung ist noch nicht vollständig geklärt, hat aber mit der Überlagerung mehrerer kleinerer Wellen zu tun. Monsterwellen entwickeln eine extreme Kraft von bis zu 100 Tonnen pro Quadratmeter – moderne Schiffe können 15 Tonnen pro Quadratmeter widerstehen. Rogue Waves können kleinere Schiffe zerschlagen und grössere versenken.
In einigen Regionen des Weltmeers sind die Bedingungen für die Entstehung sich überlagernder Wellen eher gegeben als anderswo, und das Bermudadreieck könnte zu diesen Gebieten mit erhöhter Wahrscheinlichkeit gehören, auch wenn dies bisher nicht nachgewiesen ist. Computermodelle eines Teams um den Ozeanographen Simon Boxall von der britischen Universität Southampton legen dies jedoch nahe. Boxall nimmt denn auch an, dass einige der im Dreieck verschwundenen Schiffe solchen Monsterwellen zum Opfer gefallen sind.
Anhand eines Modells der USS Cyclops, die 1918 zwischen Barbados und Virginia mit 309 Menschen an Bord spurlos verschwand, zeigte Boxall die verheerende Gewalt von Monsterwellen. Als die USS Cyclops verschwand, hätten sich im Atlantik drei schwere Stürme gekreuzt. Boxall berechnete den Verlauf einer Monsterwelle, die sich daraus hätte ergeben können, und simulierte den Wellengang in einem Tank mit dem Modell des Schiffs. Die Welle begrub das Schiff in kürzester Zeit unter sich.
Die Theorie der Monsterwellen ist plausibel, um das Verschwinden von Schiffen zu erklären, zumindest wenn die Wetterverhältnisse dazu passen. Boxalls Versuch wurde denn auch von verschiedenen Medien unter Titeln wie «Mysterium des Bermudadreiecks gelöst?» präsentiert. Doch die Theorie kann die Flugzeugabstürze nicht erklären.
Im Gebiet des Bermudadreiecks befinden sich beträchtliche Vorkommen von «Methaneis». Dabei handelt es sich um Methanhydrat, das in Wassertiefen von 300 bis 2000 Metern durch den Druck stabil bleibt. Wenn aber Druck oder Temperatur sich ändern, kann Methan aus den Brocken entweichen – zuweilen auch explosionsartig in grossen Mengen. In diesen Fällen spricht man von einem «Blowout». 2016 entdeckten norwegische Forscher riesige Krater auf dem Grund der Barentssee, die vermutlich auf solche Blowouts zurückzuführen sind.
Schnell machten Spekulationen die Runde, dieses Phänomen sei für das Verschwinden von Schiffen im Bermudadreieck verantwortlich – obwohl die Forscher diese Schlussfolgerung explizit ablehnten. Bei einem Blowout steigt das Methan in Form von vielen kleinen Blasen an die Wasseroberfläche auf; dieses Gas-Wasser-Gemisch ist viel weniger dicht als Meerwasser. Die Theorie geht davon aus, dass ein Schiff, das sich über einem solchen Gemisch befindet, schlagartig an Auftrieb verlieren und unter die Wasseroberfläche fallen würde, ohne noch einen Notruf absetzen zu können. Möglich wäre auch, dass sich das Methan am Schiff entzünden und zu einer Explosion oder einem Feuer führen könnte.
Dass ein Blowout einem Schiff tatsächlich zum Verhängnis werden könnte, legt ein im Jahr 2000 gefundenes Schiffswrack vor der schottischen Küste nahe. Dort befindet sich ein «Hexenloch» genanntes Seegebiet, auf dessen Grund es ebenfalls Methan gibt. Das Wrack, ein zwischen 1890 und 1930 gebauter Fischkutter aus Stahl, stand vollkommen unversehrt und aufrecht auf dem Meeresboden.
Die Methanblasen-Theorie eignet sich allerdings nur sehr bedingt dazu, das Verschwinden von Flugzeugen zu erklären. Zwar beobachteten mehrere Zeugen eine Explosion in der Ferne, als das Flugboot verschwand, das die Torpedobomber von «Flight 19» suchte. Die Explosion könnte durch aufgestiegenes Methangas verursacht worden sein, das sich am Flugzeugmotor entzündete. Bisher gibt es jedoch keine Hinweise darauf, dass aus dem Meer aufgestiegenes Methangas Verpuffungen in Flughöhe auslösen kann.
Alle Theorien zum Bermudadreieck, seien sie plausibel oder abstrus, versuchen eine Häufung von rätselhaften Vorfällen zu erklären. Hier, in diesem willkürlich definierten Seegebiet, verschwinden angeblich viel öfter Schiffe und Flugzeuge als in anderen Regionen des Weltmeers. Diese Prämisse der Bermudadreieck-Legende hat jedoch der amerikanische Pilot und Sachbuchautor Lawrence Kusche schon 1975 in seinem Buch «The Bermuda Triangle Mystery – Solved» entkräftet, das eine Antwort auf den Bestseller von Berlitz war.
Kusche wertete akribisch Statistiken über Unglücke auf den Weltmeeren aus und wies nach, dass es im Bermudadreieck nicht mehr Schiffsunglücke gibt als auf jedem anderen stark befahrenen Meeresgebiet vergleichbarer Grösse. Eine Studie des WWF über die zehn gefährlichsten Meere der Welt bekräftigte diesen Befund 2013. Und auch die US-Küstenwache verneint, dass im Bermudadreieck eine besondere Gefahr für den Flug- oder Schiffsverkehr herrsche:
In dieselbe Kerbe schlägt der australische Wissenschaftsautor Karl Kruszelnicki. Gemessen am Verkehrsaufkommen in der Region sei der Prozentsatz der vermissten Flugzeuge und Schiffe im Bermudadreieck nicht höher als anderswo auf der Welt.
Kusche zeigte überdies, dass viele verschollene Schiffe und Flugzeuge grosszügig dem Bermudadreieck in die Schuhe geschoben wurden, obwohl sie oft Hunderte Kilometer ausserhalb des Dreiecks verschwunden waren. Zudem kritisierte er den monokausalen Ansatz vieler Bermuda-Experten: Der Versuch, die vermeintliche Häufung von Unglücksfällen mit einer einzigen Theorie zu erklären, sei «etwa genauso logisch wie beispielsweise zu versuchen, für alle Autounfälle in Arizona ein und denselben Grund verantwortlich zu machen». Hardcore-Bermudadreieck-Enthusiasten werden sich von solchen Argumenten aber wohl kaum beeindrucken lassen ...
Also wie Riesenkraken aussehende Aliens, die über Wurmlöcher zur Erde reisen, leiden unter Blähungen und ihre Methanfürze führen zu Monsterwellen und Luftlöchern.
Bis auf die Wurmlöcher alles im Bereich des theoretisch Möglichen. Wurmlöcher werden durch exotische Materie offen gehalten. Exotische Materie strahlt stark. Das würde man messen können.
Vielleicht hat EvD eine bessere Theorie🤪😂