Das Cambridge Dictionary’s Wort des Jahres beschreibt ein sehr ... umstrittenes Thema
Diese Woche publizierte das berühmte Cambridge Dictionary sein Wort des Jahres: «manifest», also «Manifestieren». Während vor einigen Jahren noch vor allem junge Frauen auf Social Media wussten, was das (heute) bedeutet, dürfte es mittlerweile auch der grösseren Masse ein Begriff sein. Dem trug das populärste Wörterbuch der Welt nun Rechnung und fragte sich gleichzeitig:
Ja – warum eigentlich? Diese und weitere Fragen zum Wort des Jahres beantwortet das Cambridge Dictionary zum Thema «Manifestieren».
Was «Manifestieren» genau heisst
Früher eben geläufig als Wort, das «etwas deutlich zeigen» bedeutete, versteht das englische Wörterbuch heute auch (oder in erster Linie) folgendes darunter:
Manifestieren, das
Wenn berühmte Künstler, Spitzensportlerinnen und einflussreiche Unternehmer behaupten, dass sie etwas erreicht haben, weil sie es «manifestiert» haben (wir erinnern uns alle an Melanie Winiger, die ihren Freund herbei «manifestiert» hat), dann meinen sie gemäss Cambridge Dictionary damit: «Sie wenden bestimmte Praktiken an, um ihren Geist auf etwas zu konzentrieren, das sie sich wünschen, um zu versuchen, es Wirklichkeit werden zu lassen.» Mit anderen Worten: Die Macht der Gedanken und des positiven Denkens führt am Ende auch das gewünschte Ziel herbei.
Wie sich das Wort «Manifestieren» über die Zeit veränderte
«Manifest» ist laut dem Wörterbuch fast 130'000 Mal auf der Webseite des Cambridge Dictionary nachgeschlagen worden, was es zu einem der meistgesuchten Wörter des Jahres 2024 macht. In diesem Jahr hat das Wort damit den Sprung von Social-Media-Plattformen in die Mainstream-Medien und damit in den täglichen Gebrauch zahlreicher, «normaler» Menschen geschafft.
Die Praxis des Manifestierens wuchs in ihrer Beliebtheit während der Pandemie – und damit besonders auf Social Media. Zu dieser Zeit stiegen die Suchanfragen nach dem Wort im Internet drastisch an:
Google-Suchinteresse von «Manifest» im Verlauf der Zeit, weltweit
Das Ziel dieser Anfragen im Internet war oder ist es in erster Linie, sich Tipps für das Wahrwerden von allem Möglichen geben zu lassen – vom Traumhaus über den Traum-Job bis zur lang ersehnten Antwort des Schwarms.
Die Verwendung des Begriffs «manifest» habe mit der zunehmenden Zahl «manifestierender Influencer», die diese «wissenschaftlich unbewiesene Praxis», wie Cambridge Dictionary betont, in den sozialen Medien propagieren, an Popularität gewonnen. Und zwar so sehr, dass er schliesslich im Mai 2023 in das Cambridge Dictionary aufgenommen wurde.
Google-Suchinteresse von «Manifestieren» im Verlauf der Zeit, schweizweit
Und richtig populär wurde es, als es die grossen Popstars und Berühmtheiten ebenfalls zu propagieren begannen: Anfang des Jahres wurde Popsängerin Sabrina Carpenter zum Beispiel von ihren Fans als «Manifestationskönigin» bezeichnet, weil sie auf der «Eras Tour» mit Taylor Swift auftrat. Und Sängerin Dua Lipa meinte, sie habe ihr Konzert auf dem Glastonbury Festival vor mehr als 100'000 Menschen manifestiert.
Wer genau hinsieht, findet im globalen Google-Suchverlauf in diesem Jahr zudem einen Peak im Sommer. Cambridge Dictionary erklärt: «Von Ende Juli bis Anfang September 2024 haben die Olympischen Spiele und die Paralympics dem Manifestieren weltweite Aufmerksamkeit verschafft, als Goldmedaillengewinner wie Simone Biles, Ezra Frech und Mallory Weggemann ihre Erfolge auf die Praxis des Manifestierens zurückführten.»
In der Schweiz fällt der Höhepunkt der Google-Suchanfragen noch deutlicher aus, und zwar im April dieses Jahres – dem Monat, in dem die SRF-Doku über Melanie Winiger und ihre «Manifestationskünste» erschien.
Wie das Wort des Jahres ausgesucht wird
Bei der Wahl des Wortes des Jahres im Cambridge Dictionary berücksichtige man drei Faktoren, heisst es auf der Webseite des beliebtesten Wörterbuches: Nutzerdaten, Zeitgeist und Sprache.
Dazu werden folgende Fragen gestellt: «Welches Wort wurde am häufigsten nachgeschlagen oder war besonders beliebt? Welches Wort fängt wirklich ein, was in dem betreffenden Jahr passiert ist? Und was ist an diesem Wort aus sprachlicher Sicht interessant?»
«Manifest» hat in diesem Jahr gewonnen, «weil es bei den Suchanfragen deutlich zugenommen hat, seine Verwendung in allen Medien stark zugenommen hat und es zeigt, wie sich die Bedeutungen eines Wortes im Laufe der Zeit verändern können», so die Verlagsleiterin des Cambridge Wörterbuchs.
Welche Wörter auch noch im Rennen waren
Ein weiteres Wort auf der Liste für 2024 war zum Beispiel «brat» – inspiriert vom gleichnamigen Titel des Albums der Sängerin Charli XCX, das im Juni veröffentlicht wurde. Anfang dieses Monats kürte bereits das ebenfalls bekannte, englische Collins Dictionary «brat» zum Wort des Jahres und definierte es als jemanden, der oder die sich «durch eine selbstbewusste, unabhängige und hedonistische Einstellung» auszeichnet.
Ebenfalls dabei war das Wort «resilience» (Deutsch: Resilienz), was so viel bedeutet wie «Stärke» und «Anpassungsfähigkeit». Oder auch «ecotarian», das auf den Trend zu einem umweltbewussten Leben verweist.
Frühere Cambridge Dictionary’s Wörter des Jahres
Das waren die englischen «Wörter des Jahres» der letzten zehn Jahre:
- 2023: «hallucinate» (Halluzinieren)
- 2022: «homer» (Abkürzung für Homerun im Baseball)
- 2021: «perseverence» (Etwa: Ausdauer, Beharrlichkeit. Nach dem «Perseverance Rover» der Nasa, der den Mars erkundete.)
- 2020: «quarantine» (Quarantäne. Aus Gründen.)
- 2019: «upcycling» (Wenn Abfallprodukte oder andere nicht mehr genutzte Stoffe in neuwertige Produkte verarbeitet werden.)
- 2018: «nomophobia» (Kofferwort aus dem englischsprachigen Raum und eine vom UK Post Office geprägte Abkürzung für «No-Mobile-Phone-Phobia», also: «Kein-Mobiltelefon-Angst».)
- 2017: «populism» (Populismus. Auch aus Gründen)
- 2016: «paranoid»
- 2015: «austerity» (Austerität, also: Strenge, Sparmassnahmen, oder: Sparpolitik)