Auf einmal knirscht’s im Schädel. Ein lähmender Schmerz breitet sich aus, zieht von einer Seite des Kopfes bis ins Gesicht. Bei einigen Betroffenen kündigt sich ein Anfall mit Zickzack-Figuren aus gleissendem Licht im Sichtfeld an. Es handelt sich um eine sogenannte Aura. Nach diesem neurologischen Symptom kommt es zu Empfindungsstörungen, anschliessend folgt der Schmerz.
Migräne, ob nun mit oder ohne Aura, ist die dritthäufigste Erkrankung der Welt, heisst es von der Weltgesundheitsorganisation. Worin die Ursache liegt, ist jedoch noch immer schlecht erforscht. Das dürfte sich künftig ändern. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Kopenhagen haben hier einen kleinen Durchbruch geschafft: einen, der Sprünge bei der Entwicklung von Migräne-Medikamenten ermöglichen könnte. Die Studie ist im renommierten Fachblatt «Science» erschienen.
Das Forschungsteam um den Neuromediziner Martin Rasmussen untersuchte dafür Mäuse, die an Migräneschüben mit Aura leiden. Dabei schauten die Forschenden auch darauf, welche Proteine im Hirnwasser bei einem Schub freigesetzt werden.
Insgesamt sind es gleich zwölf, darunter etwa das Protein CGRP (ausgeschrieben und in Fachsprache: Neuropeptid Calcitonin Gene-Related Peptid), eines, das bereits zuvor im Zusammenhang mit Migräne bekannt war.
Mittels bildgebenden Verfahren stiessen die Forschenden auf einen bis dato unbekannten Signalweg, über den das zentrale Nervensystem im Gehirn und die restlichen Nervenzellen im Körper kommunizieren.
Dieser Weg verläuft über einen Knotenpunkt ausserhalb des Gehirns, auch Ganglion trigeminale genannt. Interessant dabei ist, dass es sich um eine Verbindungsstelle von Nervenzellen im Gesicht und Kopf handelt, dort also, wo sich der Schmerz bei einer Migräneattacke ausbreitet. Und dieser Punkt ist zentral für die Schmerzsignalverarbeitung.
Ausgerechnet dort stellten die Forschenden eine Lücke in der Blut-Hirn-Schranke fest, quasi ein körpereigenes Filtersystem für bestimmte Stoffe. Nur ist an dieser Stelle der Filter durchlässig, sprich vorbeirauschende Proteine können ihn passieren und an die Nervenzellen vor Ort binden. Darauf kommt es zu Wahrnehmungsstörungen und Schmerzen bei den Aura-Patienten.
Entscheidend an der Untersuchung ist natürlich: Nachfolgende Gehirnscans bei Migräne-Patienten haben laut Rasmussen ergeben, dass dieser Mechanismus auch bei Menschen vorkommt.
Entsprechend legen die Ergebnisse nahe, dass diese Migräne-Proteine letztlich auch die Schmerzen verursachen. Für die Erforschung von Migräne-Medikamenten ist das ein grosser Schritt. Denn in Folgestudien kann jetzt nach Wirkstoffen gesucht werden, die diese Proteine hemmen. Doch wie es eben in der Wissenschaft ist: Bis das so weit ist, wird es wohl noch ein ganzes Weilchen dauern.