High Heels – Höhepunkte der Modegeschichte
Als «heiliger Gral der Hollywood-Memorabilia» angepriesen, kam im Dezember 2024 in New York ein Stück Filmgeschichte unter den Hammer: Die «Ruby Slippers», die Judy Garland 1939 in «The Wizard of Oz» trug. Auf 32,5 Millionen Dollar belief sich die Kaufsumme nach der Auktion. So viel Geld für ein paar alte getragene Schuhe?
Warum nicht, sind deren Absätze doch mit Zauberkräften ausgestattet, erfährt man im populären Kinderbuch von Lyman Frank Baum und im darauf basierenden Filmmusical, das zum Weltdokumentenerbe der UNESCO gehört. Die glitzernden Pumps sind darin zentrales Requisit und Kostümelement, spielen eine Schlüsselrolle und führen wie ein roter Faden durch die Geschichte.
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Wertsteigernd war das filmreife Schicksal der Absatzschuhe jenseits des Films: Als Leihgaben im Judy-Garland-Museum ausgestellt und von dort 2005 gestohlen, konnte sie das FBI nach jahrelanger Fahndung in einer verdeckten Operation sicherstellen und dem Besitzer mit viel Pathos retournieren.
Objekte der Sehnsucht und Begierde
Nicht nur in der Film- und Märchenwelt können Absatzschuhe eine nahezu magische Anziehungskraft, ja fast surreale Machtwirkung auf Frauen wie Männer ausüben. Als Objekte der männlichen und weiblichen Begierde tauchen sie in der Kultur- und Modegeschichte in verschiedenen Epochen und in vielerlei Gestaltungsformen auf. Sie stellen Projektionsflächen für Sehnsüchte dar und wecken positive wie negative Emotionen und Assoziationen. Doch worin gründet die Faszination für High Heels, abgesehen davon, dass sie als Kunstwerke für den Fuss im wahrsten Sinne des Wortes «anziehend» wirken können?
Neben dem primären Nutzen eines jeden Schuhs, den Fuss beim Gehen zu schützen und im Nebeneffekt als Accessoire einen möglichst stilvollen Akzent zur Kleidung zu setzen, erfüllen Absatzschuhe zusätzlich ästhetische Bedürfnisse wie das «Strecken» der eigenen Körpergrösse und die optische Verlängerung der Beine. Je höher die Absätze, desto mehr verlagert sich der Körperschwerpunkt. Die notwendigen Ausgleichbewegungen für die Balance beim Gehen führen zu Hüftbewegungen, die oft als sinnlich und verführerisch interpretiert werden.
Alles in allem können das veränderte Erscheinungsbild und die neue Körpersprache ein gesteigertes Selbstbewusstsein, ja sogar ein Gefühl von Stärke gegen innen und aussen vermitteln. Oder in den vielzitierten Worten, die gerne Marilyn Monroe zugeschrieben werden: «Gib einer Frau die richtigen Schuhe und sie kann die Welt erobern».
Persische Krieger als Vorreiter
Zunächst war es jedoch nicht die Frau, sondern der Mann, der auf Absatzschuhen den Eroberungszug antrat – hoch zu Pferd. Konkret waren es persische Reitersoldaten mit «fussfestem» Grund für das Tragen von hohen Hacken: der sichere Halt in den Steigbügeln während des Gefechts. Seit dem 10. Jahrhundert in persischem Gebiet nachweisbar, verschaffte der Absatz beim Bekämpfen des Gegners mit Pfeil und Bogen in stehender Reitposition kämpferische Vorteile.
Doch wie fand der Absatz seinen Weg von den Schlachtfeldern Vorderasiens auf das europäische Modeparkett? An der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert verfolgten der europäische Westen und der persische Schah Abbas I. ein gemeinsames Interesse: das Osmanische Reich in Schach zu halten. Zwecks Ausbau und Pflege diplomatischer Beziehungen suchten persische (Militär-)Gesandte europäische Fürstenhöfe auf. Im Gegenzug empfing Abbas I. europäische Delegationen an seinem Hof in Isfahan.
Die auffälligen persischen Absatzschuhe beeindruckten. Sie wurden mit Macht und Männlichkeit assoziiert, galt die persische Streitmacht doch als effizient und stark, ihre Reitersoldaten als kampferprobt und «potent». Das «Kampf-Accessoire» hielt schon bald Einzug an den europäischen Fürstenhöfen.
Der Absatz als Adels- und Hoheitszeichen
Der Absatzschuh verbreitete sich rasch unter den Adligen im Zeitalter des Barocks. Er gehörte bald untrennbar zur gehobenen Männerwelt, in der er zum Standesmerkmal ohne direkten funktionalen Nutzen mutierte. Seine «Unpraktikabilität» im Alltag verdeutlichten Prestige und Privileg des Trägers, der sich mit Absatzschuhen über das einfache Volk erhob. Dieses war bei der Arbeit auf praktisches Schuhwerk angewiesen – wenn es sich denn überhaupt Schuhe leisten konnte.
Als Hoheitszeichen der Sonderklasse galt ab Mitte des 17. Jahrhunderts der leuchtrote Absatz. Der prominenteste Träger dieser Extravaganz war der eher kleingewachsene «Sonnenkönig» Ludwig XIV., der sich seinem namensgebenden Zentralgestirn in hochhackigen Schuhen um einige Zentimeter näher fühlen durfte.
Heute muss nicht mehr adlig sein, wer rote Absätze tragen will. Doch genug Geld auf der hohen Kante ist erforderlich für den Kauf von «Louboutins»: Die roten Sohlen und Absätze an den High Heels des französischen Schuhdesigners Christian Louboutin sind in über 50 Ländern der Welt als eingetragene Marke rechtlich geschützt, was der Europäische Gerichtshof 2018 nach einem langjährigen Rechtsstreit bestätigte. Diesem aussergewöhnlichen Markenschutz nicht unterstellt ist, so urteilte das Bundesgericht, die Schweiz.
Als sich Frauen den Absatz zu eigen machten
Zurück an die europäischen Fürstenhöfe. Die neumodischen hohen Hacken kamen auch bei den Frauen gut an, die im Verlaufe des 17. Jahrhunderts in Sachen schuhtechnischer Hochstapelei aufholten. Während sich breite Absätze bei Männern etabliert hatten, galten bei Frauen bald schon dünnere, filigranere Absätze als modisch. Im 18. Jahrhundert verbreitet war der Louis-XV-Absatz mit gegen Innen geschwungener, mittig eingezogener Form. Die Absatzhöhe korrespondierte meist mit der Höhe des sozialen Status.
So trippelten adlige Männer und Frauen während Jahrzehnten gemeinsam auf hohen Absätzen durch das privilegierte Leben auf dem Edelparkett fernab von Strassendreck und Feldarbeit. Doch spätestens im Zuge der Französischen Revolution galten Absatzschuhe wie alle anderen höfischen Extravaganzen als démodé. Es kamen eher flache, unauffälligere Schuhe für Mann und Frau auf, wobei sich in der Gestaltung eine klarere Trennung zwischen maskulinem und femininem Schuhwerk abzeichnete.
Nach dem Niedergang die Wiederauferstehung
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts tauchten Absätze in moderater Höhe wieder an Frauenschuhen auf, etwa an Schnür- und Knöpfstiefelletten oder Ballschuhen. In dieser Zeit, um 1851, wurde in Schönenwerd bei Solothurn die Schuhfabrik Bally gegründet. Schon früh exportierte sie: ab 1860 zunächst nach Argentinien und Uruguay. In Montevideo entstand 1870 die erste aussereuropäische Niederlassung. Absatzschuhe wurden schon bald zu einem rentablen Exportprodukt.
Mit dem Aufkommen und der Verbreitung der Fotografie wurde der Absatzschuh ein gerne inszeniertes Accessoire in Aktaufnahmen. Dass High Heels in Verbindung mit weiblichen Kurven offensichtlich, wenn auch verdeckt, erotische Assoziationen provozierten, war mitunter ein Faktor, dass die Nachfrage zum Fin de Siècle hin anstieg.
Dank der sich ausbreitenden industriellen Massenproduktion konnte sich inzwischen eine wachsende weibliche Käuferschaft aus gut situierten Verhältnissen schlichtere Absatzschuhe leisten, während luxuriöse handgefertigte Modelle für die zahlkräftige Klientel nach wie vor auf Mass gefertigt wurden. In den «goldenen» 1920er-Jahren, als kurze Röcke die Beine wieder ins Blickfeld rückten, die Schuhe als Accessoire wieder vermehrt in den Fokus rückten und die Absätze höher wurden, waren auch in der Schweiz vermehrt elegantere Absatzschuhe an Frauenfüssen zu sehen, wobei es sich meistens um Pumps in eher dezenterer Form- und Farbgebung handelte.
Schweizer Absatzschuhe für die Frau von Welt
Dank Bally war die Schweiz im Geschäft mit dem Absatzschuh weltweit vorne mit dabei. Im Bally-Schuharchiv sind über ein Drittel der 600 Damenschuhe aus der Zeit zwischen der Weltwirtschaftskrise 1929 und dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hochhackige Abendschuhe für die Frau. Darunter finden sich vielerlei aufwendig gestaltete mondäne Modelle mit höheren Absätzen, Applikationen und Strassschnallen. Letztere dienten zum Schliessen der zeittypischen Riemchen, die den Schuh beim «wilden» Charleston und später beim Swing am Fuss hielten.
Es waren jedoch nicht vorwiegend die Schweizer Frauen, die sich diese mondänen Schuhe samt dem damit verbundenen Lebensstil leisteten. Sie waren in erster Linie für den lukrativen nordamerikanischen Absatzmarkt bestimmt, der seit 1919 mit Bally-Exporten bedient wurde und für den Erfolg von Bally von grosser Bedeutung war. Seit 1923 war Bally mit einer Handelsvertretung in New York präsent.
Das Kommen und Gehen der Plateauschuhe
Keine eigentlichen Absatzschuhe, aber Schuhwerk mit extrem hoher Sohle, ja eher Stelze oder Sockel, waren in Asien und Nordafrika schon in der Antike «geläufig». Sie hatten meist einen rein praktischen Verwendungszweck: die (Fuss-)Kleidung vor dem schmutzigen, nassen, heissen oder kalten Boden zu schützen.
Als europäisches Pendant können die mittelalterlichen Trippen betrachtet werden: Überschuhe, in die man samt den eigentlichen Schuhen reinschlüpfen konnte. Sie waren aus einer hölzernen Plateausohle und einem daran befestigten Lederriemen geschaffen.
Chopinen mit extrahoher Plateausohle wurden vom 15. bis 17. Jahrhundert in Spanien und Italien von Patrizierdamen und in Venedig von Kurtisanen getragen, um sich und ihren – sozialen oder erotischen – Status förmlich vom gemeinen Volk abzuheben und sich quasi auf ein Podest gestellt in erhöhter Position zu präsentieren.
Wie die Chopinen wurden die Plateauschuhe, die im Verlauf der 1930er-Jahre aufkamen, ausschliesslich von Frauen getragen. Sie fanden zunächst im Dunstkreis von Hollywood Verbreitung.
Auch Bally mischte auf dem Plateauschuhmarkt mit. Aufgrund des Exporteinbruchs während des Zweiten Weltkriegs stand der Binnenmarkt im Fokus. Die auffälligen Plattformschuhe fanden Anklang bei den jungen Frauen der florierenden Zürcher Jazz- und Swingszene. Jedenfalls suggeriert dies die grosse Aufmerksamkeit, die das Satiremagazin Nebelspalter dem Thema schenkte. Allein der Zürcher Grafiker Ernst Schoenenberger publizierte zwischen 1942 und dem Kriegsende 30 Karikaturen, die sich am amerikanischen Pin-up-Stil orientierten und die neumodischen Auswüchse auf die Schippe nahmen.
In der Nachkriegszeit verschwanden Plateauschuhe wieder von der Bildfläche. Gleichzeitig kam das Tragen von High Heels erst richtig zum Fliegen. Eine Innovation aus der Zeit Ende der 1950er-Jahre waren sogenannte Bleistiftabsätze, die zwecks Stabilität im Innern mit einem Stahlstift verstärkt wurden. Dies ermöglichte die Konstruktion von Stilettos, deren Bezeichnung von der gleichnamigen Stichwaffe inspiriert ist. Deren Extremvarianten, die «Killer Heels», gehören bis heute zur Königinnenklasse der «hehren» Schuhkunst.
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Plateauschuhe mit Absätzen waren gegen Ende der 1960er-Jahre wieder zurück, wo sie während rund zehn Jahren von Frauen und Männern fleissig getragen wurden. Katalysatoren für deren Beliebtheit waren die Musikidole des Disco-Funks und Glam-Rocks, darunter – in ihren frühen Jahren – Elton John, David Bowie und Freddie Mercury oder Bands wie Sweet, Kiss oder New York Dolls. Sie trieben ihre Bühnenauftritte mit ausgefallenen Outfits auf die Spitze und vollführten in exaltierten Absatzschuhen mit Plateau den Balanceakt zwischen Glitzerwelt und Subversion.
Männer und High Heels in den letzten Jahrzehnten
Männlich dominiert sind bis heute die grossen Namen das Schuhdesigns – früher Roger Vivier, Salvatore Ferragamo, Giuseppe Zanotti, aktuell Christian Louboutin, Jimmy Choo, Manolo Blahnik –, die hochhakige Schuhkunstwerke für Frauenfüsse herstellen. Die Mehrzahl der pathologischen Schuhfetischisten sind ebenfalls Männer. Im alltäglichen Strassenbild sind High Heels an Männerfüssen gegenwärtig eher eine Ausnahmeerscheinung. Zu Auftritten kommen sie hingegen auf Showbühnen, Laufstegen und roten Teppichen sowie in den sozialen Medien und der LGBTQ+-Szene. Nicht wegzudenken sind sie bei Drag-Queens und Catwalk-Trainern sowie an Gay-Prides und High Heel Runs.
Doch im Grossen und Ganzen ist es seit den 1980er-Jahren vorwiegend die Frau, die mit High Heels in Verbindung gebracht wird. Eine bekannte Ausnahme war der legendäre Musiker, Sänger und Entertainer Prince. Nur 1,58 Meter gross, bewegte er sich fast ausschliesslich in «Killer Heels». Dies wurde ihm, nomen est omen, zum tödlichen Verhängnis – jedenfalls indirekt: Aufgrund anhaltender Hüftschmerzen, verursacht durch das exaltierte Tanzen in zehn Zentimeter hohen Stiefeletten – er besass hunderte davon –, war Prince jahrelang medikamentenabhängig. 2016 starb er an einer Überdosis des umstrittenen Schmerzmittels Fentanyl.
Sexismus oder «Empowerment»?
Glamour, Sexappeal und Status in Ehren, sorgen High Heels doch auch immer wieder für Kontroversen. Wenn es um Sicherheit, Gesundheit und Komfort geht, fallen sie gegenüber flachem Schuhwerk hochkant durch. Neben Hüft-, Knie- und Rückenschmerzen sowie dem Hallux valgus, einer Deformation des Grosszehs, sind Stürze verbreitet.
Kommt hinzu: Im Zeitalter, in dem Bequemlichkeit in der Mode einen hohen Stellenwert geniesst und Sneakers ebenso selbstverständlich zum Anzug getragen werden wie Bikerstiefel zum Kleid, scheiden sich die Geister über Sinn und Zweck von High Heels. Einige sehen im Tragen solcher Schuhe die Unterwerfung unter ein sexistisches Modediktat auf Kosten von Gesundheit und Bewegungsfreiheit. Diese Kritik kontern andere damit, dass High Heels Instrumente und Symbole der weiblichen Selbstbestimmung sowie des feministischen «Empowerments» seien.
Einerseits könnte die geringe Beliebtheit von High Heels in der «Gen Z» ein Indiz dafür sein, dass sich erstere Argumente am Durchsetzen sind. Andererseits zeigt der Blick auf die aktuellen Markttrends global betrachtet ein konträres Bild. Jedenfalls verzeichnet der 2024 auf 43,6 Milliarden Dollar geschätzte Markt für High Heels ein stetiges Wachstum – dies auch in längerfristiger Perspektive.
Etwas weniger rosig sieht es im High-End-Bereich aus, da der Markt für persönliche Luxusgüter global einem Abwärtstrend ausgesetzt ist. Davon betroffen ist auch die mit «Swissness» assoziierte Marke Bally, die zum mittleren Luxussegment gehört. Seit 2024 im Besitz einer US-amerikanischen Investmentfirma, erfuhr der Schweizer Firmenhauptsitz (heute in Caslano im Tessin) einen Stellenabbau von rund einem Drittel der Belegschaft.
Landesmuseum Zürich
Accessoires waren schon immer mehr als blosse Dekoration: Hüte, Foulards, Handschuhe, Taschen und Schuhe spiegeln soziale, politische und religiöse Zugehörigkeiten, demonstrieren Macht und Status, schützen und formen den Körper oder stehen für modischen Fortschritt. Die Ausstellung zeigt anhand von Objekten aus der Sammlung des Schweizerischen Nationalmuseums, wie Accessoires vom gesellschaftlichen Wandel geprägt sind. Von den strikten Kleidervorschriften der frühen Neuzeit bis zum Spiel mit den Geschlechternormen der Gegenwart wirft die Ausstellung einen Blick auf Modegeschichte «von Kopf bis Fuss».
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