Die Ukraine trifft Russland an der schmerzhaftesten Stelle
Ein Anruf bei seinem Freund Viktor Orban genügt. Davon ist US-Präsident Donald Trump überzeugt. Er werde es deshalb versuchen und den ungarischen Ministerpräsidenten persönlich darum bitten, kein russisches Öl mehr zu kaufen, so Trump am Dienstag am Rande der UNO-Vollversammlung.
Der Europäischen Union käme das sehr gelegen. Seit mittlerweile dreieinhalb Jahren versucht sie, Ungarn vom russischen Öl wegzubringen. Vergeblich. Orban und mit ihm sein Nachbarland, die Slowakei, kaufen weiter fleissig Öl (und Gas) in Russland ein. Möglich ist es, weil die beiden Länder eine Ausnahme vom Embargo der EU bekommen haben. Ansonsten hätten sie den Sanktionen nie zugestimmt, für die in Brüssel bekanntlich das Einstimmigkeitsprinzip gilt.
Noch weniger als gegen die eigenen Mitglieder Ungarn und die Slowakei tun kann Europa aber, um Putin das weltweite Öl-Geschäft zu vermiesen. Gegen die Türkei, die sich zur neuen Drehscheibe für russische Rohstoffe gemausert hat, hat sie kaum eine Handhabe. Ebenso kann sie den Ländern in Asien und Afrika nicht verbieten, weiter Öl- und Öl-Produkte wie Diesel und Benzin aus Russland zu beziehen.
Selenskyj: «Brennende Öl-Lager sind wirksamste Sanktionen»
Doch es gibt ein Mittel gegen Putins Öl-Geschäft, das sich als durchaus effizient zeigt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj beschreibt es als «die wirksamste aller Sanktionen», da sie direkt an der Quelle ansetzt: in den russischen Öl-Depots und den Kraftstoff-Fabriken.
Seit August forciert die Ukraine gezielt ihre Angriffe auf Ölraffinerien in Russland. Mindestens 16 von insgesamt 38 Raffinerien wurden per Drohnenattacken getroffen. Viele davon gleich mehrmals, wie die grösste Raffinerie des Landes in Rjasan 180 Kilometer südöstlich von Moskau. Die Anlage hat eine Kapazität von 13,8 Millionen Tonnen pro Jahr.
Ukraine's SBU security service claims credit for a second strike in a week on Russia's big Gazprom Neftekhim Salavat oil refinery and petrochemical plant in Bashkortostan, 1400km away.
— Christopher Miller (@ChristopherJM) September 24, 2025
"The SBU continues to deliver targeted deep strikes on facilities that finance the war against… pic.twitter.com/URWbMZzMRE
Obwohl es in der offiziellen Stellungnahme von Russland hiess, dass die ukrainischen Drohnen abgeschossen wurden, berichteten Einwohner der Stadt von Feuer und Rauchsäulen. In sozialen Netzwerken sind etliche Fotos und Videos von brennenden Öl-Tanks zu sehen.
Der jüngste ukrainische Angriff fand am Mittwoch auf die Raffinerie Salavat statt. Sie ist ebenfalls eine der grössten des Landes und befindet sich in der Provinz Bashkortostan, notabene rund 1300 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Laut ukrainischen Angaben war es der zweite Schlag innerhalb einer Woche. Und Ölraffinerien sind komplexe Anlagen: Sie zu reparieren ist nicht eine Aufgabe von Tagen, sondern meist eher von Wochen.
Benzin ist knapp, Russen müssen an Tankstelle Schlange stehen
Die Kampagne scheint nun Früchte zu tragen: Die russischen Einnahmen aus dem Öl-Geschäft brechen laut Berechnungen der Nachrichtenagentur Reuters im September ein. Anfang September waren mindestens 17 Prozent der Verarbeitungskapazität oder 1,1 Millionen Barrel pro Tag lahmgelegt. Die Diesel-Exporte Russlands sinken in diesem Monat auf den tiefsten Stand seit dem Jahr 2020, schreibt die «Financial Times». Zusammen mit dem global gerade tiefen Ölpreis entgehen Russland dadurch Milliarden.
Aber auch innerhalb Russlands haben die ukrainischen Angriffe schmerzliche Auswirkungen. Es kommt zu Engpässen, vor allem beim Benzin. In mehreren Regionen, darunter auch in den besetzten Gebieten der Ukraine, bilden sich seit Wochen zu lange Schlangen vor den Tanksäulen. Ende September wurde sogar ein Exportverbot für Benzin verhängt. Die Grosshandelspreise sind seit Januar um 40 Prozent angestiegen.
Geht das so weiter, dürfte sich die Kraftstoffknappheit bald auch an der Front bemerkbar machen.