Donald Trump kündigt 100-Prozent-Zölle auf Pharmaprodukte an – das Wichtigste in 7 Punkten
Was ist neu?
US-Präsident Donald Trump hat Zölle von 100 Prozent auf Arzneimittelimporte in die Vereinigten Staaten ab dem 1. Oktober angekündigt. Er will die Produktion von Arzneien in die USA verlagern. Zudem verlangt der Republikaner von der Pharmabranche tiefere Medikamentenpreise.
Welche Produkte sind ausgenommen?
Sollten Arzneimittelhersteller eine Produktionsstätte in den USA bauen, könnten sie damit den Zoll umgehen, schrieb Trump auf seiner Plattform Truth Social. Unter «bauen» versteht Trump Produktionsstätten, die sich in Bau befinden oder deren Baubeginn geplant ist, wie er ausführte.
Was bedeutet das für die Schweiz?
Der Entscheid dürfte die Schweiz hart treffen. Die Pharmaindustrie ist der Wachstumsmotor des Landes: Die Schweiz erwirtschaftet fast 10 Prozent des Bruttoinlandprodukts, trägt seit 2020 rund 40 Prozent zum jährlichen Wirtschaftswachstum bei und generiert über die Hälfte aller Exporte.
Auf die beiden grösseren Pharmakonzerne dürften die Zölle hingegen gemäss Analysten weniger grosse Auswirkungen haben. Roche und Novartis hätten bereits umfassende Investitionen und neue Produktionsstätten in den USA geplant.
Roche habe gerade den Spatenstich für eine neue Fabrik in North Carolina bekannt gegeben, und Novartis plane ebenfalls neue und erweiterte Produktionsstätten in den USA, erklärte die Bank Vontobel in einem Kommentar. Auch Sandoz sei abgesichert, da das Geschäft mit Generika von den Zöllen ausgenommen sei.
Unklarer dagegen sei die Lage für Galderma, hiess es. Der Spezialist für Hautpflege und ästhetische Dermatologie produziert bestimmte Präparate wie Neuromodulatoren ausserhalb der USA und das neue Mittel Nemluvio werde nur teilweise in den USA hergestellt.
Vontobel betonte zudem, dass höhere Medikamentenpreise in den USA politisch unerwünscht seien und drohende Engpässe den Druck auf die Regierung verstärken würden. Zudem könnten Strafzölle die geplanten Investitionen der Branche in den USA gefährden und die führende Position des Landes in der Medikamentenentwicklung schwächen.
Was sind die Auswirkungen auf die Börse?
Die drohenden Pharmazölle liessen die Schweizer Pharmariesen Roche und Novartis an der Börse zunächst kalt. Nach einem ersten kurzen Schock stehen sie inzwischen sogar im Plus.
So ziehen Novartis gegen 10.00 Uhr um 0,5 Prozent an und Roche legen 0,2 Prozent zu. Auch die Papiere des Generikaherstellers Sandoz verteuern sich um 0,6 Prozent und jene des Pharmazulieferers Lonza gewinnen 1,3 Prozent. Derweil ist der Gesamtmarkt gemessen am SPI nach einem leicht tieferen Start mittlerweile mit 0,47 Prozent klar im Plus.
Was sagt die Pharmabranche dazu?
Die Schweizer Pharmaindustrie hat scharf auf die angekündigten 100-Prozent-Strafzölle auf Arzneimittelimporte reagiert. Solche Abgaben würden die globale Versorgung von Patientinnen und Patienten gefährden, teilte der Branchenverband Interpharma der Nachrichtenagentur AWP am Freitag mit.
Die Strafzölle würden die Produktions- und Lieferketten unterbrechen sowie Forschung und Entwicklung behindern. Zudem drohten sie, die enge und wirtschaftlich bedeutende Partnerschaft der Schweiz mit den USA nachhaltig zu beschädigen, hiess es weiter. Man hoffe darauf, dass die bilateralen Gespräche fortgesetzt und Arzneimittel von Zöllen doch noch ausgenommen oder die Zölle reduziert werden könnten.
Die Ankündigung sei ein «ultimativer Weckruf», schrieb Interpharma. Trumps Vorhaben treffe die wichtigste Exportbranche der Schweiz, die nicht nur für den Wohlstand, sondern auch für Steuereinnahmen und den Forschungsstandort zentral sei. Allein 2024 exportierte die Pharmaindustrie Medikamente im Wert von über 100 Milliarden Franken.
Der Verband forderte die Schweizer Politik auf, nun schnell sichtbare Signale zu senden, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Dazu gehörten ein Stopp bei neuen Regulierungsprojekten und eine Modernisierung des Preisfestsetzungsmechanismus für innovative Therapien.
Mittelfristig brauche es eine umfassende Life-Science-Strategie, die Verwaltung, Politik und Industrie gemeinsam entwickeln müssten. Ohne ein klares Zielbild für die Rolle der Pharma in Wirtschaft und Gesundheitswesen würden bestehende Blockaden bestehen bleiben. «Einfach weiter wie bisher ist keine Option», so Interpharma. Nur mit konstruktiven Lösungen lasse sich der Wachstumsmotor Pharma erhalten.
Was ist Trumps Überlegung dabei?
Pharmazölle führen zu höheren Preisen. Die US-Regierung verfolgt laut dem Raiffeisen-Chefökonom Fredy Hasenmaile aber zwei Ziele: Neben tieferen Medikamentenpreisen geht es um die Rückverlagerung der Produktion in die USA.
Die beiden Ansätze würden sich widersprechen, sagte Hasenmaile zur Wirtschaftsagentur AWP. Zollmassnahmen sind im Urteil des Ökonomen kein geeignetes Mittel, um die Produktion nachhaltig in die USA zurückzuholen. Der Aufbau neuer Produktionsstätten dauere Jahre, sei teuer und der Genehmigungsprozess langwierig und komplex.
Wie reagiert die Schweizer Pharmabranche?
Der Schweizer Pharmakonzern Novartis bemüht sich, die Arzneipreise in den USA zu senken. Novartis arbeite mit der Regierung zusammen und versuche, «konstruktive Lösungen zu finden», sagte Konzernchef Vas Narasimhan in einem in einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» vom Samstag. Er nahm Länder ausserhalb der USA in die Pflicht, für Innovationen einen höheren Anteil zu leisten. Insbesondere in der Schweiz seien die Medikamentenpreise viel zu tief, sagte er.
Angesichts der US-Zollpolitik fanden zwischen dem Bundesrat und der Pharma-Industrie am Montag Gespräche statt. Wirtschaftsminister Guy Parmelin sprach von einem «konstruktiven» Austausch, ohne jedoch konkrete Hinweise zu geben.
Auf die Frage nach einer möglichen Erhöhung der Medikamentenpreise in der Schweiz antwortete Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider, dass dies nicht die Frage sei. Es gehe vielmehr darum, «wie wir daran arbeiten, den Pharmastandort Schweiz aufzuwerten, indem wir mit dem Auftrag des Parlaments und der aktuellen Rechtsgrundlage in Übereinstimmung sind».
Die beiden Schweizer Pharmariesen Novartis und Roche hatten im Frühling bereits Investitionen in den USA angekündigt, um sich gegen mögliche Zollschranken zu wappnen. Novartis kündigte an, in den nächsten fünf Jahren 23 Milliarden Dollar in zusätzliche Fabriken und Forschungslabors in den USA zu investieren. Roche will im selben Zeitraum gar 50 Milliarden für die Kapazitätserweiterung ausgeben.
(dab/sda/dpa)