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Eroberung Berlin: Wie Stalin am 1. April 1945 die Alliierten austrickste

FILE - Soviet leader Josef Stalin raises his right hand in salute while reviewing a May Day Parade in Red Square in Moscow, on May 1, 1946. Abortions were banned under Stalin but became commonplace un ...
Josef Stalin während einer Parade 1946 in Moskau. Bild: keystone

Der «grösste Aprilscherz der Geschichte» – wie Stalin 1945 die Westmächte austrickste

Frühling 1945. Die Wehrmacht steht mit dem Rücken zur Wand, die Alliierten lauern im Osten und Westen vor den Toren Berlins. Um zu verhindern, dass die deutsche Hauptstadt zuerst den westlichen Mächten in die Hände fällt, greift Josef Stalin in die Trickkiste.
01.04.2025, 09:4801.04.2025, 13:28
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Anfang 1945 war bereits allen Beteiligten klar: Nazi-Deutschland wird den Krieg verlieren. An der Ostfront musste die Wehrmacht nach dem Debakel von Stalingrad Niederlage um Niederlage einstecken und verlor immer mehr eroberte Gebiete. Und auch an der Westfront sah es für Hitlers Armeen nach der Landung der Alliierten in der Normandie im Juni 1944 düster aus.

Sowohl die westlichen Mächte um die USA und Grossbritannien als auch die Sowjetunion träumten von der Eroberung Berlins – und dem Ende des blutigsten Konflikts der Menschheitsgeschichte. Eine Parade im Herzen von Hitlers geliebter Reichshauptstadt hatte für beide Seiten grossen propagandistischen Wert, galt Deutschland und vor allem Berlin doch lange als uneinnehmbare Festung.

Eroberung der Ludendorff-Brücke

Grosse Bewegung in die Sache kommt, als es einer kleinen Vorhut von US-Soldaten im März 1945 gelingt, in Remagen in der Nähe von Bonn die einigermassen intakte Ludendorff-Brücke (auch als Brücke von Remagen bekannt) zu erobern.

Ludendorff-Brücke von Remagen, 1945
Die Ludendorff-Brücke ebnete den Alliierten den Weg nach Berlin (März 1945). Bild: Wikipedia

Dadurch ergab sich für die westlichen Mächte erstmals die Möglichkeit, den Rhein zu überqueren – das letzte grosse natürliche Hindernis vor Berlin. Der Weg hin zur deutschen Hauptstadt war für die Soldaten der US-, der britischen und der kanadischen Armee nun frei – mit grosser Geschwindigkeit preschte man vor.

Stalins Griff in die Trickkiste

Die erfolgreiche Überquerung des Rheins kam bald auch Stalin zu Ohren. Der sowjetische Diktator befürchtete in der Folge, dass ihm ein Siegesmarsch durch Berlin von Amerikanern, Briten und deren Verbündeten weggeschnappt würde, da seine Truppen im Osten nicht so richtig vom Fleck kommen wollten.

Für Stalin war darum der richtige Zeitpunkt gekommen, um in die Trickkiste zu greifen. Er gab ein Telegramm in Auftrag – gestempelt auf den 1. April 1945 –, in welchem er zu verstehen gab, dass Berlin für die UdSSR keinen strategischen Wert besitze – und die Rote Armee den Alliierten den Vorzug lassen werde.

Wie sich später herausstellte, war das alles nur ein Vorwand Stalins, um von seinen tatsächlichen Plänen abzulenken und den Amerikanern und Briten bei der Eroberung Berlins zuvorzukommen. Historikerinnen und Historiker bezeichnen das Telegramm darum gerne auch als «grössten 1.-April-Scherz der Geschichte». Und Stalins Legende als gewiefter Taktiker war endgültig zementiert.

Denn in Wirklichkeit liefen die sowjetischen Pläne für eine Eroberung Berlins im Hintergrund auf Hochtouren. Stalin beauftragte gleich zwei seiner Generäle, Marschall Georgi Schukow und Marschall Iwan Konew, Berlin noch vor den Verbündeten einzunehmen.

Marschall Schukow
Marschall Schukow 1941.Bild: wikipedia

Auch diese bewusste Entscheidung Stalins, zwei Generäle mit der Eroberung Berlins zu beauftragen und die beiden gegeneinander auszuspielen, stellte seine Gewieftheit unter Beweis. Denn Schukow und Konew verband eine grosse Rivalität. Beide wollten sich mit der Eroberung Berlins bei ihrem Führer beweisen.

Schlussendlich war es Schukow, dem es gelang, angetrieben durch die Rivalität mit Konew und unter hohen Verlusten, im April 1945 Berlin einzunehmen. Die Bilder der sowjetischen Armee im Herzen des Deutschen Reichs gingen um die Welt. Die auf dem Reichstag gehisste sowjetische Flagge markierte das Ende von Hitler und Nazi-Deutschland, die Eroberung wurde propagandistisch bis aufs Letzte ausgeschlachtet.

Sowjetische Flagge auf dem Reichstag.
Ein Bild der Weltgeschichte: Die sowjetische Flagge wird über dem Reichtstag gehisst. Im Hintergrund das zerstörte Berlin.bild: wikipedia

Eisenhower wollte Blutbad vermeiden

Dabei hätte es den Trick von Stalin mit dem Telegramm gar nicht gebraucht. Dwight D. Eisenhower, der damalige Oberbefehlshaber der US-Armee, entschied sich gegen einen übereilten Vorstoss auf Berlin.

Der spätere US-Präsident befürchtete (zu Recht) ein Blutbad beim Versuch, die deutsche Hauptstadt zu erobern, und überliess schlussendlich Schukow und der Roten Armee die Trophäe Berlin.

Am 8. Mai 1945 folgte die Kapitulation Nazi-Deutschlands, das Land verlor seine Souveränität, Berlin wurde unter den Hauptsiegesmächten aufgeteilt. Bis der Zweite Weltkrieg aber definitiv vorüber war, sollte es noch ein wenig dauern.

Erst als die US-Amerikaner im August 1945 zwei Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen hatten und der imperiale japanische Kaiser Hirohito infolgedessen am 2. September 1945 kapitulierte, fand der grösste Konflikt aller Zeiten endgültig ein Ende.

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Vermutlich eine der letzten Aufnahmen des «Führers»: Adolf Hitler besichtigt im April 1945 die zerstörte Reichskanzlei. Am 29. April heiratete der Diktator im Bunker unter der Kanzlei seine Freundin Eva Braun.
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Entschärfung von Weltkriegs-Bombe in Grossbritannien geht schief
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71 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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bebby
01.04.2025 11:03registriert Februar 2014
Der Vollständigkeit halber sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die USA mit den Atombombenabwürfen in Nagasaki und Hiroshima erfolgreich verhindern konnten, dass die Kapitulationsverhandlungen zwischen Moskau und Tokyo erfolgreich abgeschlossen wurden. Die US Regierung wollte auf jeden Fall verhindern, dass die Sowjetunion in Japan Einfluss erhält.
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En Espresso bitte
01.04.2025 10:17registriert Januar 2019
Ich finde die Geschichte hinter dem Bild mit der Flaggenhissung immer noch lustig. Der untere Typ trägt an beiden Handgelenken Uhren, was klar darauf hindeutet, dass er irgendwo geplündert hat. Das Bild wurde in sowjetischen Medien nur retuschiert veröffentlicht, damit die Plünderung nicht auffällt. Das Bild vom 2. Mai 1945 ist zudem inszeniert. Die eigentliche Flaggenhissung vom 30. April 1945 war nicht fotografiert worden.
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Der Micha
01.04.2025 12:00registriert Februar 2021
Dieser Vorfall hat nur eines gezeigt. Das Stalin Menschenleben in Kauf nahm um seine eigene Macht zu festigen. Deutschland stand zu diese Zeit mit dem Rücken zur Wand. Es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Deutschland kapituliert hätte.

Das Blutbad, was Stalin verursacht hat, war gar nicht notwendig. Genauso wenig wie später auch die beiden Atombombenabwürfe in Japan.
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