Anfang 1945 war bereits allen Beteiligten klar: Nazi-Deutschland wird den Krieg verlieren. An der Ostfront musste die Wehrmacht nach dem Debakel von Stalingrad Niederlage um Niederlage einstecken und verlor immer mehr eroberte Gebiete. Und auch an der Westfront sah es für Hitlers Armeen nach der Landung der Alliierten in der Normandie im Juni 1944 düster aus.
Sowohl die westlichen Mächte um die USA und Grossbritannien als auch die Sowjetunion träumten von der Eroberung Berlins – und dem Ende des blutigsten Konflikts der Menschheitsgeschichte. Eine Parade im Herzen von Hitlers geliebter Reichshauptstadt hatte für beide Seiten grossen propagandistischen Wert, galt Deutschland und vor allem Berlin doch lange als uneinnehmbare Festung.
Grosse Bewegung in die Sache kommt, als es einer kleinen Vorhut von US-Soldaten im März 1945 gelingt, in Remagen in der Nähe von Bonn die einigermassen intakte Ludendorff-Brücke (auch als Brücke von Remagen bekannt) zu erobern.
Dadurch ergab sich für die westlichen Mächte erstmals die Möglichkeit, den Rhein zu überqueren – das letzte grosse natürliche Hindernis vor Berlin. Der Weg hin zur deutschen Hauptstadt war für die Soldaten der US-, der britischen und der kanadischen Armee nun frei – mit grosser Geschwindigkeit preschte man vor.
Die erfolgreiche Überquerung des Rheins kam bald auch Stalin zu Ohren. Der sowjetische Diktator befürchtete in der Folge, dass ihm ein Siegesmarsch durch Berlin von Amerikanern, Briten und deren Verbündeten weggeschnappt würde, da seine Truppen im Osten nicht so richtig vom Fleck kommen wollten.
Für Stalin war darum der richtige Zeitpunkt gekommen, um in die Trickkiste zu greifen. Er gab ein Telegramm in Auftrag – gestempelt auf den 1. April 1945 –, in welchem er zu verstehen gab, dass Berlin für die UdSSR keinen strategischen Wert besitze – und die Rote Armee den Alliierten den Vorzug lassen werde.
Wie sich später herausstellte, war das alles nur ein Vorwand Stalins, um von seinen tatsächlichen Plänen abzulenken und den Amerikanern und Briten bei der Eroberung Berlins zuvorzukommen. Historikerinnen und Historiker bezeichnen das Telegramm darum gerne auch als «grössten 1.-April-Scherz der Geschichte». Und Stalins Legende als gewiefter Taktiker war endgültig zementiert.
Denn in Wirklichkeit liefen die sowjetischen Pläne für eine Eroberung Berlins im Hintergrund auf Hochtouren. Stalin beauftragte gleich zwei seiner Generäle, Marschall Georgi Schukow und Marschall Iwan Konew, Berlin noch vor den Verbündeten einzunehmen.
Auch diese bewusste Entscheidung Stalins, zwei Generäle mit der Eroberung Berlins zu beauftragen und die beiden gegeneinander auszuspielen, stellte seine Gewieftheit unter Beweis. Denn Schukow und Konew verband eine grosse Rivalität. Beide wollten sich mit der Eroberung Berlins bei ihrem Führer beweisen.
Schlussendlich war es Schukow, dem es gelang, angetrieben durch die Rivalität mit Konew und unter hohen Verlusten, im April 1945 Berlin einzunehmen. Die Bilder der sowjetischen Armee im Herzen des Deutschen Reichs gingen um die Welt. Die auf dem Reichstag gehisste sowjetische Flagge markierte das Ende von Hitler und Nazi-Deutschland, die Eroberung wurde propagandistisch bis aufs Letzte ausgeschlachtet.
Dabei hätte es den Trick von Stalin mit dem Telegramm gar nicht gebraucht. Dwight D. Eisenhower, der damalige Oberbefehlshaber der US-Armee, entschied sich gegen einen übereilten Vorstoss auf Berlin.
Der spätere US-Präsident befürchtete (zu Recht) ein Blutbad beim Versuch, die deutsche Hauptstadt zu erobern, und überliess schlussendlich Schukow und der Roten Armee die Trophäe Berlin.
Am 8. Mai 1945 folgte die Kapitulation Nazi-Deutschlands, das Land verlor seine Souveränität, Berlin wurde unter den Hauptsiegesmächten aufgeteilt. Bis der Zweite Weltkrieg aber definitiv vorüber war, sollte es noch ein wenig dauern.
Erst als die US-Amerikaner im August 1945 zwei Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen hatten und der imperiale japanische Kaiser Hirohito infolgedessen am 2. September 1945 kapitulierte, fand der grösste Konflikt aller Zeiten endgültig ein Ende.
Das Blutbad, was Stalin verursacht hat, war gar nicht notwendig. Genauso wenig wie später auch die beiden Atombombenabwürfe in Japan.