Sex in der Antike – wer denkt da nicht an dekadente römische Orgien oder freizügige Darstellungen auf griechischen Vasen? Dass es damals ziemlich wild zur Sache gegangen sein muss, legt doch schon die Tatsache nahe, dass unser erotisches Vokabular mit vielen Begriffen glänzt, die aus der lateinischen und griechischen Sprache entlehnt sind: Cunnilingus, Fellatio, Koitus, Pornographie oder Prostitution.
Die Wirklichkeit, soweit sie uns bekannt ist, sieht allerdings deutlich differenzierter aus. Das liegt zum einen schlicht daran, dass die griechisch-römische Antike einen Zeitraum von rund anderthalb Jahrtausenden umfasst, in denen sich die griechische und die römische Gesellschaft erheblich wandelten. Zum anderen betrachten wir diese längst im Nebel der Vergangenheit versunkene Welt mit modernen Augen und laufen daher Gefahr, antike Vorstellungen mit heutigen Kategorien zu vermischen.
Ein Beispiel dafür ist die männliche Homosexualität. Die berüchtigte griechische Knabenliebe (Päderastie) wird oft als Beleg dafür herangezogen, dass Homosexualität im antiken Griechenland weitverbreitet und völlig akzeptiert gewesen sei. Doch die Päderastie war bestimmten Regeln unterworfen – so spielte neben der mehr oder minder ausgeprägten sexuellen Komponente auch ein pädagogischer Anspruch eine Rolle: Der ältere Beziehungspartner sollte den Jugendlichen zu «männlicher Tugend» erziehen.
Zudem war nur der Schenkelverkehr gesellschaftlich akzeptiert, der Analverkehr hingegen galt als verpönt, da er die männliche Identität des empfangenden Partners infrage stellte. Aus demselben Grund waren homosexuelle Beziehungen zwischen erwachsenen Männern gesellschaftlich geächtet, da die passive Sexualrolle als «weibisch» und für Männer entehrend galt. Das heutige westliche Verständnis von Homosexualität unterscheidet sich davon und die Grenzen des gesellschaftlich Akzeptierten verlaufen anders.
Anders als heute waren in der Antike auch die Mittelchen und Tipps, die Ratsuchenden zu einem erfüllten Sexualleben verhelfen sollten. Verbreitet waren Liebeszauber und -tränke, um begehrte Menschen an sich zu binden, und eine Vielzahl von Aphrodisiaka, die Potenz und Lust steigern sollten. Die Wirksamkeit dieser Zauber und Mittelchen darf mit Fug bezweifelt werden – eine Salbe aus Eselsmist wirkt vermutlich weniger zuverlässig als eine Viagra-Tablette.
Auch der römische Dichter Ovid (Publius Ovidius Naso) empfiehlt in seinem berühmten Gedichtwerk Ars amatoria («Liebeskunst») natürliche Mittel, um die Lust zu stimulieren: Zwiebeln, Honig und Pinienkerne. Ovid gab Männern wie Frauen darüber hinaus eine Reihe von Tipps, die sie zu Meistern der Liebe machen sollten. Dabei geht es ums Kennenlernen, Flirten, ja sogar um die Körperpflege.
Ovid, der vielleicht wegen seiner Ars amatoria vom sittenstrengen Kaiser Augustus aus Rom in ein Kaff am Schwarzen Meer verbannt wurde, lehnte allerdings magische Mittel ab, sowohl für die Geliebte wie für den Liebhaber:
Magische Mittel waren aber in der Antike durchaus beliebt. Das zeigen etwa die Papyri Graecae Magicae (PGM), die in Ägypten gefunden wurden. Darin sind zahlreiche magische Sprüche enthalten, die zur Kategorie der Liebeszauber gehören und begehrte Personen binden oder anziehen sollen. Sie scheinen überwiegend von Männern ausgeführt worden zu sein, wie auch dieses Beispiel zeigt:
Teilweise werden aber auch explizite sexuelle Wünsche geäussert:
Daneben sind auch Rezepte in den PGM zu finden, die dem Mann zu besserer Standfestigkeit verhelfen sollen:
Honig scheint eine wichtige Rolle als Aphrodisiakum zu spielen:
Neben Honig sollen allerdings auch andere Substanzen tierischer Herkunft das sexuelle Erleben verstärken. Etwa Schaum aus dem Maul eines Hengstes:
Eine ganze Reihe von erotischen Hilfsmitteln zählt der römische Gelehrte Plinius der Ältere in seiner Naturalis historia («Naturgeschichte») auf. Dabei ist nicht klar, ob der Universalgelehrte selbst an deren Wirkung glaubt oder ihnen skeptisch gegenübersteht. Die Liste ist imposant:
Die griechische Hebamme Salpe empfahl laut Plinius, das Genital eines Esels siebenmal in siedendes Öl zu tauchen und die Geschlechtsteile zur Stimulation damit zu bestreichen. Um den sexuellen Appetit der Frau anzuregen, sollte man Wolle mit dem Blut einer Fledermaus tränken und unter den Kopf der begehrten Person legen. Noch besser wirkt gemäss Plinius der Darm einer Hyäne: Wer einen solchen am linken Oberarm trage, der «solle ein Weib so geil machen können, dass sie ihm sofort folge». Wer diesen Ratschlag besonders befremdlich findet, ist damit vermutlich nicht allein.
Auch Mittel pflanzlicher Herkunft sollen laut Plinius die sexuelle Leistungsfähigkeit steigern: So weise die Wurzel des Sandkrauts zwei Knötchen auf, die den Hoden ähnelten.
Auch das Satyrkraut wirkt laut Plinius als Aphrodisiakum, wegen der an Hoden erinnernden Form seiner Wurzeln, aber auch wegen seines Namens. Satyrn sind in der griechischen Mythologie – oft bocksbeinige – Mischwesen, die manchmal abgebildet werden, wie sie lüstern Nymphen verfolgen.
All diese antiken Liebeszauber und Potenzmittelchen sind nach heutigem Wissensstand wirkungslos oder gar schädlich. Falls es nicht schon längst klar ist, sei es deshalb an dieser Stelle noch ausdrücklich festgestellt: Nicht ausprobieren, nichts davon! Viel eher sollte man sich an Ovids Maxime ut ameris, amabilis esto halten: Um geliebt zu werden, musst du liebenswert sein.
Mehr Substanz. 😉👍🏻