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Forscher warnen vor Giftstoffen aus dem Permafrost

Forscher warnen vor Giftstoffen aus dem Permafrost

Der Klimawandel lässt die Permafrostböden schmelzen, der Meeresspiegel steigt. Doch es gibt noch ein weiteres massives Problem, sagen deutsche Experten.
10.04.2023, 19:4310.04.2023, 19:57
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A two million-year-old trunk from a larch tree is stuck in the permafrost within the coastal deposits at Kap Kobenhavn, Greenland. The tree was carried to the sea by the rivers that eroded the former  ...
Bild: keystone
Ein Artikel von
t-online

Durch das Tauen von Permafrostböden unter Industrieanlagen in der Arktis steigt Fachleuten zufolge das Risiko grossflächiger Umweltschäden erheblich. In den arktischen Regionen seien über Jahrzehnte hinweg giftige Abfälle vor Ort in Kleindeponien im oder auf dem bislang dauerhaft gefrorenen Erdreich abgelagert worden, erklärte das Alfred-Wegener-Institut (AWI) am Dienstag in Bremerhaven unter Verweis auf eine eigene Untersuchung. Durch das Auftauen des Permafrosts im Zuge des Klimawandels verschwinde die «Barrierewirkung».

«Die über Jahrzehnte in der Arktis angereicherten Schadstoffe können in Bewegung geraten und sich über grössere Regionen verteilen», warnte das Institut. Die Bandbreite der Substanzen reiche dabei von Dieselkraftstoff über hochgefährliche Schwermetalle bis hin zu radioaktiven Abfällen. In der Arktis gebe es insgesamt eine grosse Zahl stillgelegter und aktiver Anlagen zur Öl- und Gasförderung sowie Bergwerke und militärische Installationen.

«Tatsächliches Problem könnte sogar grösser sein»

Zu diesen gehören nach Angaben der AWI-Experten lokale Deponien mit giftigen Schlämmen, Seen voller aufgestauter Industrieabwässer oder Schutthalden aus dem Minenbetrieb. Auf eine aufwändige Entsorgung sei oftmals in dem Glauben verzichtet worden, der gefrorene Boden schliesse die Abfälle dauerhaft ein.

IAuf der Karte sind die Gebiete angezeigt, in denen Permafrost herrscht.
Wo der Permafrost herrschtBild: AWI

Laut einer jetzt in der Fachzeitschrift «Nature Communications» erschienenen Untersuchung von AWI-Experten existieren in der Arktis im Umkreis von etwa 4500 Industrieansiedlungen mindestens 13'000 bis 20'000 belastete Flächen, von denen in der Zukunft durch das Tauen des Permafrostbodens ein höheres Risiko ausgehen könnte. Etwa 3'500 bis 5'200 davon lägen sogar in Regionen, in denen der Schmelzprozess vor Ende des laufenden Jahrhunderts beginnen werde.

Dabei handelt es sich nach Angaben der Wissenschaftler indessen nur um eine grobe Orientierung, da mangels umfassender Daten ein genauerer Überblick fehlt. «Das tatsächliche Problem könnte sogar noch grösser sein», erklärte AWI-Experte Moritz Langer. Die Forschenden fordern langfristige Strategien.

Situation insbesondere in Sibirien unklar

Unklar ist der auf Hochrechnungen in Computermodelle gestützten Untersuchung zufolge insbesondere die Situation in Sibirien, weil in Russland anders als etwa in Kanada und im US-amerikanischen Bundesstaat Alaska keine Datenbanken zu kontaminierten Flächen existieren. Aus Russland gebe es «eher spärliche Informationen» etwa aus Presseberichten.

Verschärft wird die Lage laut AWI künftig durch zunehmende wirtschaftliche Aktivitäten in der sich erwärmenden Arktis. Die Folge davon seien immer mehr Industrieanlagen, aus denen giftige Substanzen austreten könnten, erklärte das Institut. Nicht nur von Deponien gehe dabei eine Gefahr. Wegsackender tauender Permafrostboden destabilisiere etwa auch Pipelines und Lagertanks. (afp/t-online)

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18 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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banda69
10.04.2023 23:34registriert Januar 2020
"Seen voller aufgestauter Industrieabwässer oder Schutthalden aus dem Minenbetrieb."

"Die Folge davon seien immer mehr Industrieanlagen, aus denen giftige Substanzen austreten könnten...."

usw. usw. usw. usw.

.....und die Klimakleber, die darauf aufmerksam machen, erhalten mehr Hass (orchestriert von SVPlern und Konsorten) als die Verantwortlichen dieser kommenden Katastrophe.

Don't look up!
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Rethinking
10.04.2023 22:51registriert Oktober 2018
Der Mensch ist einfach ein (egoistisches) Schwein…

Alls muss er versauen / verseuchen / vergiften…
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HugoBalls
10.04.2023 22:18registriert November 2019
Die Forscher warnen schon seit Jahren. Interessieren tut es einfach Niemanden - leider.
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