Die Zahl der gerichtlichen Hinrichtungen ist laut dem alljährlichen Bericht von Amnesty International zur weltweiten Anwendung der Todesstrafe im vergangenen Jahr mit mindestens 1518 auf den höchsten Wert seit 2015 gestiegen. Damals wurden 1634 Hinrichtungen registriert. Von den 15 Ländern, die im letzten Jahr Hinrichtungen vollzogen, sind allerdings nur wenige für den extrem hohen Anstieg der Zahl verantwortlich.
So entfallen allein auf den Iran mit mindestens 972 fast zwei Drittel aller registrierten Hinrichtungen – bei einem Anstieg um 48 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für 2023 hatte Amnesty insgesamt 1153 Hinrichtungen in 16 Ländern registriert.
«Iran, Irak und Saudi-Arabien tragen die Verantwortung für den drastischen Anstieg der Hinrichtungen im vergangenen Jahr», erklärte Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, in einer Mitteilung. «Allein diese drei Länder haben mehr als 90 Prozent der uns bekannten Todesurteile weltweit vollstreckt», so Duchrow. Insbesondere in Saudi-Arabien und Iran werde die Todesstrafe eingesetzt, «um all jene mundtot zu machen, die mutig genug sind, ihre Meinung zu sagen».
In einigen Ländern, die für den häufigen Einsatz der Todesstrafe bekannt sind, gilt die Zahl der Hinrichtungen allerdings als Staatsgeheimnis und wird unter Verschluss gehalten. In der Gesamtzahl sind deshalb die tausenden Hinrichtungen nicht enthalten, die vermutlich in China vollzogen wurden. Gleiches gilt für Exekutionen in Vietnam und Nordkorea, auch hier geht Amnesty International davon aus, dass die Todesstrafe in grossem Umfang angewandt wurde.
Schon seit dem Beginn der Corona-Pandemie steigt die Zahl der vollstreckten Todesstrafen weltweit wieder an. Zuvor verzeichnete Amnesty International nach dem Negativ-Höhepunkt im Jahr 2015 mit 1634 Hinrichtungen einen stetigen Rückgang.
Am zweitmeisten erfasste Todesurteile nach dem Iran wurden gemäss der Amnesty-Aufstellung für 2023 in Saudi-Arabien registriert. Mindestens 345 Exekutionen (23 Prozent) wurden dort durchgeführt. Auch der Irak (63 Exekutionen), Jemen (38), die USA (25) und Ägypten (13) haben im vergangenen Jahr wieder mehr Todesurteile vollstreckt als noch im Vorjahr.
Im Oman wurden die ersten bekannten Hinrichtungen seit 2021 vollstreckt. Insgesamt drei Menschen wurden im Land am östlichsten Zipfel der arabischen Halbinsel exekutiert.
Das einzige westliche Land, in dem im Vorjahr Hinrichtungen vollstreckt wurden, sind die USA. Die Gesamtzahl der Exekutionen stieg von 24 auf 25, der zweithöchsten Zahl seit 2015. Vier US-Bundesstaaten (Georgia, Indiana, South Carolina und Utah) führten erstmals wieder Hinrichtungen durch. Alabama verdreifachte die Zahl seiner Hinrichtungen von zwei im Jahr 2023 auf sechs im Jahr 2024. Drei zum Tode verurteilte Personen wurden begnadigt.
Amnesty-Generalsekretärin Duchwrow kritisierte zuletzt Äusserungen von US-Präsident Donald Trump, der versprach, die Todesstrafe «energisch zu verfolgen», um amerikanische Familien vor «gewalttätigen Vergewaltigern, Mördern und Monstern» zu schützen. «Die entmenschlichenden Äusserungen Trumps stricken weiter an dem Märchen, dem zufolge die Todesstrafe Menschen besonders davon abschreckt, Straftaten zu begehen», sagte Duchrow. Die Todesstrafe verhindere keine Verbrechen, sagte sie. «Das ist wissenschaftlich gut belegt.»
Zum ersten Mal seit 2018 wurde in Bangladesch keine Hinrichtung mehr dokumentiert. Auch für Palästina konnte Amnesty International keine Hinrichtung ausweisen. Aufgrund des aktuellen Konflikts mit Israel waren von dort keine gesicherten Zahlen verfügbar. Amnesty geht aber davon aus, dass im Westjordanland und vor allem im Gazastreifen Exekutionen stattgefunden haben.
Rund 42 Prozent der Hinrichtungen basierten im vergangenen Jahr auf Drogendelikten. Besonders betroffen davon seien arme Menschen und Angehörige ethnischer Minderheiten, teilt Amnesty International dazu mit. Es sei Zeit, «dass Regierungen und die UNO den Druck auf jene erhöhen, die für diese eklatanten Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, und dafür sorgen, dass internationale Schutzmassnahmen eingerichtet werden».
Bei den weiteren Gründen fehlen die Prozentzahlen. Angegeben ist nur noch, in welchen Ländern Personen wegen eines entsprechenden Vergehens exekutiert wurden.
Die folgenden Hinrichtungsmethoden kamen im vergangenen Jahr weltweit zur Anwendung: Enthauptung, Erhängen, Erschiessen, Giftinjektion und Erstickung durch Stickstoffgas. Nicht mehr zum Einsatz kommt der elektrische Stuhl. Zuletzt wurde im Jahr 2020 im US-Bundesstaat Tennessee eine Person mit dieser Methode hingerichtet.
In den letzten Jahren haben immer mehr Länder die Todesstrafe abgeschafft, zuletzt kamen Simbabwe (2024 und Ghana (2023) dazu. Damit hatten gemäss Amnesty per Ende 2024 insgesamt 113 Länder die Todesstrafe vollständig abgeschafft.
Dennoch wurden im letzten Jahr noch immer 2087 neue Todesurteile in insgesamt 46 Ländern verhängt. Das sind 14 Prozent weniger als noch im Vorjahr (2428 Todesurteile). Als unrühmlicher Spitzenreiter gilt auch hier China. Allerdings gibt es für das Reich der Mitte, wie auch für viele andere Länder, nur wenige bestätigte Fälle. Die Dunkelziffer dürfte deshalb deutlich höher liegen.
Die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Julia Duchrow, begrüsste bereits im letzten Jahr, dass sich immer mehr Länder von der Todesstrafe verabschiedeten. Als sehr besorgniserregend befand sie jedoch, dass ein paar wenige Staaten immer mehr Menschen hinrichten.