An der Eliteuniversität Cornell im Bundesstaat New York gibt es ein Institut, das mit dem Ziel gegründet wurde, ausserirdisches Leben zu finden. Benannt ist es nach dem Astrophysiker und Science-Fiction-Autor Carl Sagan, der in der Wissenschaft den Weg für die Suche nach ausserirdischem Leben gelegt hat.
Die Österreicherin Lisa Kaltenegger leitet das Institut und führt Sagans Werk fort – mit besseren Instrumenten. Sie hofft, mit dem James-Webb-Teleskop zum ersten Mal ausserirdisches Leben nachzuweisen.
Lisa Kaltenegger: Eigentlich ist es kein schlechtes Zeichen, dass sich das Teleskop verspätet hat. Man hat beim Test Probleme erkannt und sie behoben. Blöd wäre gewesen, wenn man zu früh gestartet wäre. Auf ein Auto wartet man auch lieber länger, dafür ist man sicher, dass die Airbags funktionieren.
Planeten, auf denen Leben denkbar ist. Wir kennen derzeit fast 5000 Exoplaneten. An die 40 davon sind mögliche andere Erden, kleine Planeten in der sogenannten habitablen Zone. Sie umkreisen ihren Stern in einem Abstand, in dem eine Temperatur herrscht, dass Wasser in flüssiger Form auftreten kann. Sie können sich das vorstellen wie bei einem Lagerfeuer: Ist man zu nahe dran, ist es zu heiss, ist man zu weit weg, ist es zu kalt.
Leider nicht. Das Teleskop eignet sich ja nicht nur zur Beobachtung von Exoplaneten, sondern etwa auch zur Betrachtung von Schwarzen Löchern und der Erkundung der Entstehung des Weltalls. Alle Astrophysiker wollen es nutzen, die Zeit ist begrenzt. Und die Erforschung eines kleinen, erdenähnlichen Planeten ist sehr aufwendig. Wir werden alle 40 kurz anschauen, können aber nur eine Hand voll genauer betrachten. Natürlich sprechen wir uns mit den anderen Teams ab, die ebenfalls Exoplaneten erforschen. Es macht ja keinen Sinn, wenn alle das Teleskop auf denselben Stern richten.
Wir fokussieren uns am Anfang auf die Exoplaneten im Sonnensystem Trappist-1. Es sieht so aus, als ob wir da die besten Chancen hätten, um Leben aufzuspüren – und das nicht, weil das Sonnensystem nach dem belgischen Bier Trappist benannt wurde (lacht). Um diesen roten Stern, der viel kleiner ist als unsere Sonne, kreisen sieben Planeten. Vier befinden sich in der habitablen Zone und sind alle etwa gleich gross wie die Erde. Da haben wir gleich mehr als einen Planeten, der wie die Erde sein könnte. Das ist hochinteressant: Wir können da erforschen, wie sich die Bedingungen verändern, wenn ein Planet ein paar tausend Kilometer weiter entfernt vom Stern liegt.
Ungefähr 39 Lichtjahre.
Der ist auch sehr interessant. Das Problem aber ist, dass dieser in einem ungünstigen Winkel um seinen Stern kreist, sodass wir ihn nicht gut beobachten können.
Das nicht. Aber es ist das erste Teleskop, das genug Fläche hat, um das Licht von kleinen, erdenähnlichen Planeten in fremden Sonnensystemen aufzunehmen. Das ist deshalb spannend, weil das Sternenlicht, das durch die Planetenluft gefiltert wird, Spuren der Gase enthält, die sich in der Atmosphäre befinden.
Genau. Das Licht reagiert unterschiedlich mit verschiedenen Molekülen. Anhand der Farben oder Wellenlänge, die dem Licht fehlt, lässt sich rückschliessen, mit welchen Molekülen es interagiert. Wir bestimmen quasi den spektralen Licht-Fingerabdruck einer neuen Welt. So erkennen wir beispielsweise, ob es in der Atmosphäre des Planeten Wasserdampf gibt.
Richtig. Aber wir können aufgrund des spektralen Fingerabdrucks nachweisen, ob es auf dem Planeten Spuren von Leben gibt. Finden wir in der Atmosphäre eines Planeten in der habitablen Zone die Kombination von Sauerstoff und Methan, so lässt sich das nur mit Leben erklären. Denn normalerweise reagiert Methan mit Sauerstoff zu Wasserdampf und Kohlendioxid. In der unbelebten Natur können diese Gase auf einem warmen Planeten so nicht nachproduziert werden. Es braucht dazu Lebewesen. Eine andere Erklärung gibt es dafür nicht.
Ja, das wäre der Jackpot. Natürlich würde man zuerst die Daten noch einmal sehr genau anschauen, um Fehler auszuschliessen. Dann würde man sie anderen Teams zur Verfügung stellen und sie fragen: Könnt ihr euch das anders erklären als mit ausserirdischem Leben? Hoffentlich würde dann niemand eine andere Lösung präsentieren können.
Dann würden wir noch einmal nachmessen. Und länger hinschauen. Ich glaube, es wäre ziemlich einfach, mehr Zeit zu bekommen, wenn man den Verantwortlichen des Teleskops sagen könnte: Schaut her, sieht so aus, als hätten wir Aliens gefunden! Wenn wir nichts falsch gemacht haben, würden sich die Daten bestätigen. Das wäre dann die erste Entdeckung von ausserirdischem Leben. Atemberaubend, dass wir in der Zeit leben, wo das passieren kann.
Die Idee mit der Nachricht wird in der Wissenschaft tatsächlich kontrovers diskutiert – auch in meinen Vorlesungen. Stephen Hawking beispielsweise hat gesagt, macht das bloss nie, sonst kommen die und essen uns auf. Ich glaube das eher nicht. Es wäre eine sehr weite Reise. Und warum sollten sie das tun? Für Rohstoffe, da könnten sie auch zu näheren Planeten oder Asteroiden in ihrem eigenen System fliegen - und als Sklaven eignen wir uns eher schlecht, wenn man uns mit Robotern vergleicht.
Das kommt darauf an, ob sie auch den Himmel nach Lebensspuren absuchen wie wir. Der spektrale Fingerabdruck gibt erst einmal keinen Aufschluss darüber, wie weit entwickelt das Leben ist. Seit zwei Milliarden Jahren gibt es die Kombination von Sauerstoff und Methan in der Atmosphäre der Erde. Lange bevor es Menschen gibt, die eine solche Nachricht aus dem All hätten empfangen können.
Die Primzahlreihe ist keine schlechte Idee. Es muss auf jeden Fall ein Signal sein, bei dem klar ist, dass es nicht natürlichen Ursprungs sein kann. Es scheint mir eher unwahrscheinlich, dass Aliens Englisch oder Deutsch verstehen. Die Sprache der Mathematik hat aber gute Chancen, dass sie andere intelligente Lebewesen auch verstehen. Wie soll man beispielsweise Astrophysik betreiben ohne Mathematik? Doch damit kann man eigentlich nur zeigen, dass man über Intelligenz verfügt, nicht aber sich über Gott und die Welt unterhalten... (überlegt) Kennen Sie den Film «Arrival», der behandelt das Thema sehr gut – basierend auf dem Roman von Ted Chiang?
Gegen Ende kommt es zum Eklat, weil «Werkzeug» als «Waffe» missverstanden wird. Das Problem: Wie kann man Sprache verstehen, ohne dass sie einem erklärt wird? Wie aber sie jemandem erklären, den man nicht versteht, da eine gemeinsame Sprache noch fehlt. Gesten helfen weiter, wenn man sich aber nicht einmal sieht, wird es enorm schwierig.
Rein statistisch kreist um jeden fünften Stern ein Planet, der sich in der habitablen Zone befindet und klein genug sein sollte, damit er aus Felsen und nicht aus Gas besteht - also eine mögliche andere Erde. Bei 200 Milliarden Sternen in unserer Galaxie scheinen mir die Chancen recht hoch, dass es weiteres Leben gibt. Doch wir wissen nicht, ob es dieses auf den meisten erdenähnlichen Planeten gibt. Das James-Webb-Teleskop wird uns helfen, diese Frage zu beantworten. Wenn wir auf Leben stossen sollten, so wird das unser Bild des Universums komplett verändern. Falls wir kein Leben finden sollten, hilft uns das dahin gehend weiter, dass wir für die Zukunft besser wissen, nach welchen Exoplaneten wir Ausschau halten sollten – die Erforschung anderer erdenähnlicher Planeten fängt ja gerade erst an.
(aargauerzeitung.ch)