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Bilder des James-Webb-Teleskops: Darum sind sie so bahnbrechend

This image provided by NASA on Monday, July 11, 2022, shows galaxy cluster SMACS 0723, captured by the James Webb Space Telescope. The telescope is designed to peer back so far that scientists can get ...
Dieses Bild fasziniert Experten und Laien gleichermassen.Bild: keystone
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Darum sind die Aufnahmen des James-Webb-Teleskops so bahnbrechend

Die NASA veröffentlichte am Dienstag ein erstes Bild des James-Webb-Teleskops und überbietet sich selbst mit Superlativen. Weitere Bilder wurden im Verlaufe des Nachmittags publiziert. Aber was sehen wir da überhaupt? Unsere hellste Kerze, Dani Huber, erklärt.
13.07.2022, 08:16
Reto Fehr
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Das neue James-Webb-Teleskop lieferte eine historische Farbaufnahme des Weltraums. 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt nimmt es Bilder auf, welche der Menschheit zuvor nicht zugänglich waren.

Experten und Laien rund um den Globus sind begeistert. Ich finde das Bild ja auch grossartig, habe aber keine Ahnung, was man da jetzt sieht und was denn so einzigartig ist. Keine Frage: Unsere hellste watson-Kerze Dani Huber muss mich aufklären.

Weitere Bilder des James-Webb-Teleskopes
Am Dienstagnachmittag veröffentlichten Wissenschaftler weitere Bilder, die mit dem neuen James-Webb-Teleskop gemacht wurden. Astronomen auf der ganzen Welt zeigen sich begeistert ab dem tiefen Einblick in das Universum. Hier kannst du die Bilder selber bestaunen:
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So sieht das Universum aus – die Bilder des Webb-Teleskops
Der Galaxienhaufen SMACS 0723, aufgenommen vom Webb-Teleskop, veröffentlicht im Juli 2022.(NASA/ESA/CSA via AP)
quelle: keystone
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Sag mal, Dani, was sehe ich eigentlich auf diesem Bild?
Dani Huber: Es zeigt einen winzigen Ausschnitt des Südhimmels im Sternbild Fliegender Fisch (Volans).

Wie gross ist denn dieser Ausschnitt?
Die NASA drückt es in einem hübschen Vergleich aus: Der Ausschnitt des Himmels sei etwa so gross wie ein Sandkorn, das jemand, der auf der Erdoberfläche steht, eine Armlänge vom Auge entfernt hält.

Sternbild fliegender Fisch Volans
So sieht man den Fliegenden Fisch von der Südhalbkugel aus mit blossem Auge.Bild: AlltheSky.com/Till Credner

Und was genau sehen wir jetzt auf dem Bild?
Hauptsächlich den Galaxienhaufen SMACS 0723. Daneben einige Sterne und weitere Galaxien. Die Sterne sind diese leuchtenden weissen Punkte, von denen jeweils acht Strahlen ausgehen. Die werden durch Beugungseffekte an den Kanten der sechseckigen Spiegelsegmente des Teleskops verursacht. Bei den anderen Gebilden, die wie Flecken aussehen oder linsenförmig sind, handelt es sich um Galaxien.

Warum haben die unterschiedlichen Farben?
Das hat mit der sogenannten kosmologischen Rotverschiebung zu tun. Weil sich das All ausdehnt, bewegen sich entfernte Galaxien schnell von uns weg. Deren Licht benötigt eine lange Zeit, bis es bei uns ankommt. In dieser Zeit dehnt sich das All weiter aus und damit die Wellenlänge des Lichts – das Licht wird gewissermassen «gedehnt». Die rötlich gefärbten Galaxien sind also noch weiter entfernt als die weissen im Zentrum des Bilds.

Diese Entdeckung war womöglich die letzte grosse des Hubble-Teleskops:

Von welchen Entfernungen sprechen wir da?
Es sind unfassbare Distanzen – wie eigentlich immer, wenn es um kosmische Verhältnisse geht. Schon die weissen Galaxien aus dem Galaxienhaufen SMAC 0723 sind rund 4,6 Milliarden Lichtjahre entfernt. Das ist ziemlich weit, wenn man bedenkt, dass das Licht in einer einzigen Sekunde knapp 300'000 Kilometer zurücklegt (das ist etwa 7,5 Mal rund um den Erd-Äquator). 4,6 Milliarden Lichtjahre bedeutet also: Das Licht war 4,6 Milliarden Jahre lang unterwegs, bis es bei uns ankam. Als es seine Reise begann, entstand gerade unser Sonnensystem und mit ihm die Erde.

Unvorstellbar.
Ja, aber es geht noch weiter. Das Licht der rötlichen Galaxien war noch weit länger unterwegs: rund 13 Milliarden Jahre. Das heisst, es war fast so lange unterwegs, wie das Universum überhaupt besteht. Seit dem Urknall sind knapp 13,8 Milliarden Jahre vergangen. Wir werfen also einen Blick in die tiefe Vergangenheit des Alls, in seine Kindheit. Diese fernen Galaxien gehören zu den ersten, die entstanden. Was wir jetzt sehen, gibt es so längst nicht mehr.

Was ist der helle Stern fast in der Mitte des Bildes?
Tut mir leid, das weiss ich nicht.

Sehen wir Schwarze Löcher?
Schwarze Löcher können wir nie direkt sehen, da sie ja kein Licht herauslassen. Wir können sie höchstens indirekt feststellen.

Warum ist das Webb-Teleskop besser als Hubble?
Vergleicht man denselben Ausschnitt in einer Aufnahme des Hubble-Teleskops, wird der Unterschied sofort augenfällig. Das betagte Hubble-Teleskop – es ist seit 1990 im All – konnte diese weit entfernten Galaxien trotz wochenlanger Belichtungszeit nicht mehr abbilden, da sie zu lichtschwach sind und ihr Spektrum zudem zu weit ins Rote verschoben ist. Zu weit für das Hubble-Teleskop, das den Nah-Infrarotbereich nur teilweise abdeckt.

image after
image before
Das Hubble-Teleskop («vorher») zeigt deutlich weniger Details als das Webb-Teleskop («nachher»). Quelle: NASA

Und das Webb-Teleskop?
Das Webb-Teleskop hingegen hat einen sechsmal grösseren Spiegel und ist daher weit empfindlicher. Seine Near-Infrared Camera (NIRCam) kann das Licht verschiedener Wellenlängen im nahen und mittleren Infrarotbereich empfangen. Webb ermöglicht daher einen tieferen Blick in die Vergangenheit des Alls als Hubble: 13,5 statt 12,5 Milliarden Jahre. Für dieses Bild, das aus mehreren Aufnahmen zusammengesetzt ist, benötigte das Webb-Teleskop nur 12,5 Stunden Belichtungszeit.

Was ist jetzt eigentlich so sensationell an diesem Bild?
Die unglaubliche Auflösung, die es bietet. Wir sehen Dinge, die es zuvor nicht zu sehen gab. Statt verschmierter, nebelartiger Flecken sehen wir deutlich erkennbare, scharf abgegrenzte Galaxien.

Bilder, die das Weltraumteleskop Hubble gemacht hat

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Bilder, die das Weltraumteleskop Hubble gemacht hat

Bild: AP Photo/NASA
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Aber was genau sehen wir jetzt zum ersten Mal?
Der Galaxienhaufen SMAC 0723 mit seiner ungeheuren Masse – die hauptsächlich aus Dunkler Materie besteht – wirkt wie eine Gravitationslinse. Das heisst, seine enorme Schwerkraft lenkt das Licht der hinter ihm liegenden Galaxien ab und vergrössert sie wie eine Lupe. Auf dem Bild sind solche Effekte in Form der langgezogenen, gebogenen Strukturen zu sehen, die um das Zentrum herum gruppiert sind. Das Webb-Teleskop hat diese fernen Galaxien in beispielloser Schärfe abgebildet. Es sind dort winzige Strukturen – darunter Sternhaufen – erkennbar, die vorher noch nie gesehen wurden.

Was will die NASA mit diesem Projekt?
Zum einen soll es die Frühzeit des Universums erforschen, also Licht der ersten Sterne und Galaxien nach dem Urknall einfangen und so auch die Entwicklung von Galaxien seit ihrer Entstehung besser verständlich machen. Zum anderen soll es neue Erkenntnisse zur Entstehung von Sternen und Planeten ermöglichen. Zu diesem Zweck wird es insbesondere protoplanetarische Scheiben um Sonnen ins Blickfeld nehmen. Und dann soll das Teleskop auch die Atmosphären von Exoplaneten – also Planeten, die ausserhalb unseres Sonnensystems um andere Sterne kreisen – mittels Spektralanalyse untersuchen.

Hier erklärte uns Dani kürzlich ein anderes Naturphänomen:

Kann das James-Webb-Teleskop so ausserirdisches Leben finden?
Das neue Teleskop kann bei relativ nahen Objekten – etwa bei Gasriesen in unserem Sonnensystem, aber auch bei protoplanetarischen Scheiben rund um nahe Sterne – Wasser und einfache organische Moleküle erkennen und so Anhaltspunkte dafür liefern, ob dort Leben in unserem Sinne möglich ist.

Dann frage ich halt dich. Gibt es jetzt ausserirdisches Leben oder nicht?
Ähm, das ist eine schwierige Frage. Angesichts der Grösse des Alls und der Vielzahl der Planeten und Monde müsste es fast ausserirdisches Leben geben. Aber es gibt auch das Fermi-Paradox: Wenn es intelligentes Leben gäbe ausserhalb unseres Sonnensystems (aber in der Milchstrasse), müsste es uns schon längst begegnet sein. Jedenfalls ist bisher noch NIE ausserirdisches Leben nachgewiesen worden.

(dhr/fox)

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51 Kommentare
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Palpatine
12.07.2022 15:50registriert August 2018
Ich als großer Astronomie-Fan bin begeistert vom Bild und vom Teleskop. Ich hoffe auf viel mehr Bilder und noch viel mehr Wissen.
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Sam1984
12.07.2022 15:39registriert Dezember 2014
Zum Vergleich, für die Hubble Extreme Deep Field Aufnahmen hat man über 100 Stunden lang das Licht gesammelt. Was man hier mit nur 12.5 Stunden Licht sammeln schon sieht ist einfach unglaublich!
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TommyGun
12.07.2022 16:26registriert Oktober 2020
Danke für den guten Artikel. Endlich mal etwas positives!
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