Das neue James-Webb-Teleskop lieferte eine historische Farbaufnahme des Weltraums. 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt nimmt es Bilder auf, welche der Menschheit zuvor nicht zugänglich waren.
Experten und Laien rund um den Globus sind begeistert. Ich finde das Bild ja auch grossartig, habe aber keine Ahnung, was man da jetzt sieht und was denn so einzigartig ist. Keine Frage: Unsere hellste watson-Kerze Dani Huber muss mich aufklären.
It's here–the deepest, sharpest infrared view of the universe to date: Webb's First Deep Field.
— NASA (@NASA) July 11, 2022
Previewed by @POTUS on July 11, it shows galaxies once invisible to us. The full set of @NASAWebb's first full-color images & data will be revealed July 12: https://t.co/63zxpNDi4I pic.twitter.com/zAr7YoFZ8C
Sag mal, Dani, was sehe ich eigentlich auf diesem Bild?
Dani Huber: Es zeigt einen winzigen Ausschnitt des Südhimmels im Sternbild Fliegender Fisch (Volans).
Wie gross ist denn dieser Ausschnitt?
Die NASA drückt es in einem hübschen Vergleich aus: Der Ausschnitt des Himmels sei etwa so gross wie ein Sandkorn, das jemand, der auf der Erdoberfläche steht, eine Armlänge vom Auge entfernt hält.
Und was genau sehen wir jetzt auf dem Bild?
Hauptsächlich den Galaxienhaufen SMACS 0723. Daneben einige Sterne und weitere Galaxien. Die Sterne sind diese leuchtenden weissen Punkte, von denen jeweils acht Strahlen ausgehen. Die werden durch Beugungseffekte an den Kanten der sechseckigen Spiegelsegmente des Teleskops verursacht. Bei den anderen Gebilden, die wie Flecken aussehen oder linsenförmig sind, handelt es sich um Galaxien.
Warum haben die unterschiedlichen Farben?
Das hat mit der sogenannten kosmologischen Rotverschiebung zu tun. Weil sich das All ausdehnt, bewegen sich entfernte Galaxien schnell von uns weg. Deren Licht benötigt eine lange Zeit, bis es bei uns ankommt. In dieser Zeit dehnt sich das All weiter aus und damit die Wellenlänge des Lichts – das Licht wird gewissermassen «gedehnt». Die rötlich gefärbten Galaxien sind also noch weiter entfernt als die weissen im Zentrum des Bilds.
Von welchen Entfernungen sprechen wir da?
Es sind unfassbare Distanzen – wie eigentlich immer, wenn es um kosmische Verhältnisse geht. Schon die weissen Galaxien aus dem Galaxienhaufen SMAC 0723 sind rund 4,6 Milliarden Lichtjahre entfernt. Das ist ziemlich weit, wenn man bedenkt, dass das Licht in einer einzigen Sekunde knapp 300'000 Kilometer zurücklegt (das ist etwa 7,5 Mal rund um den Erd-Äquator). 4,6 Milliarden Lichtjahre bedeutet also: Das Licht war 4,6 Milliarden Jahre lang unterwegs, bis es bei uns ankam. Als es seine Reise begann, entstand gerade unser Sonnensystem und mit ihm die Erde.
Unvorstellbar.
Ja, aber es geht noch weiter. Das Licht der rötlichen Galaxien war noch weit länger unterwegs: rund 13 Milliarden Jahre. Das heisst, es war fast so lange unterwegs, wie das Universum überhaupt besteht. Seit dem Urknall sind knapp 13,8 Milliarden Jahre vergangen. Wir werfen also einen Blick in die tiefe Vergangenheit des Alls, in seine Kindheit. Diese fernen Galaxien gehören zu den ersten, die entstanden. Was wir jetzt sehen, gibt es so längst nicht mehr.
Was ist der helle Stern fast in der Mitte des Bildes?
Tut mir leid, das weiss ich nicht.
Sehen wir Schwarze Löcher?
Schwarze Löcher können wir nie direkt sehen, da sie ja kein Licht herauslassen. Wir können sie höchstens indirekt feststellen.
Warum ist das Webb-Teleskop besser als Hubble?
Vergleicht man denselben Ausschnitt in einer Aufnahme des Hubble-Teleskops, wird der Unterschied sofort augenfällig. Das betagte Hubble-Teleskop – es ist seit 1990 im All – konnte diese weit entfernten Galaxien trotz wochenlanger Belichtungszeit nicht mehr abbilden, da sie zu lichtschwach sind und ihr Spektrum zudem zu weit ins Rote verschoben ist. Zu weit für das Hubble-Teleskop, das den Nah-Infrarotbereich nur teilweise abdeckt.
Und das Webb-Teleskop?
Das Webb-Teleskop hingegen hat einen sechsmal grösseren Spiegel und ist daher weit empfindlicher. Seine Near-Infrared Camera (NIRCam) kann das Licht verschiedener Wellenlängen im nahen und mittleren Infrarotbereich empfangen. Webb ermöglicht daher einen tieferen Blick in die Vergangenheit des Alls als Hubble: 13,5 statt 12,5 Milliarden Jahre. Für dieses Bild, das aus mehreren Aufnahmen zusammengesetzt ist, benötigte das Webb-Teleskop nur 12,5 Stunden Belichtungszeit.
Was ist jetzt eigentlich so sensationell an diesem Bild?
Die unglaubliche Auflösung, die es bietet. Wir sehen Dinge, die es zuvor nicht zu sehen gab. Statt verschmierter, nebelartiger Flecken sehen wir deutlich erkennbare, scharf abgegrenzte Galaxien.
Aber was genau sehen wir jetzt zum ersten Mal?
Der Galaxienhaufen SMAC 0723 mit seiner ungeheuren Masse – die hauptsächlich aus Dunkler Materie besteht – wirkt wie eine Gravitationslinse. Das heisst, seine enorme Schwerkraft lenkt das Licht der hinter ihm liegenden Galaxien ab und vergrössert sie wie eine Lupe. Auf dem Bild sind solche Effekte in Form der langgezogenen, gebogenen Strukturen zu sehen, die um das Zentrum herum gruppiert sind. Das Webb-Teleskop hat diese fernen Galaxien in beispielloser Schärfe abgebildet. Es sind dort winzige Strukturen – darunter Sternhaufen – erkennbar, die vorher noch nie gesehen wurden.
Was will die NASA mit diesem Projekt?
Zum einen soll es die Frühzeit des Universums erforschen, also Licht der ersten Sterne und Galaxien nach dem Urknall einfangen und so auch die Entwicklung von Galaxien seit ihrer Entstehung besser verständlich machen. Zum anderen soll es neue Erkenntnisse zur Entstehung von Sternen und Planeten ermöglichen. Zu diesem Zweck wird es insbesondere protoplanetarische Scheiben um Sonnen ins Blickfeld nehmen. Und dann soll das Teleskop auch die Atmosphären von Exoplaneten – also Planeten, die ausserhalb unseres Sonnensystems um andere Sterne kreisen – mittels Spektralanalyse untersuchen.
Kann das James-Webb-Teleskop so ausserirdisches Leben finden?
Das neue Teleskop kann bei relativ nahen Objekten – etwa bei Gasriesen in unserem Sonnensystem, aber auch bei protoplanetarischen Scheiben rund um nahe Sterne – Wasser und einfache organische Moleküle erkennen und so Anhaltspunkte dafür liefern, ob dort Leben in unserem Sinne möglich ist.
Dann frage ich halt dich. Gibt es jetzt ausserirdisches Leben oder nicht?
Ähm, das ist eine schwierige Frage. Angesichts der Grösse des Alls und der Vielzahl der Planeten und Monde müsste es fast ausserirdisches Leben geben. Aber es gibt auch das Fermi-Paradox: Wenn es intelligentes Leben gäbe ausserhalb unseres Sonnensystems (aber in der Milchstrasse), müsste es uns schon längst begegnet sein. Jedenfalls ist bisher noch NIE ausserirdisches Leben nachgewiesen worden.
(dhr/fox)