Die Korallenriffe vor der Küste Floridas haben in den letzten 40 Jahren gemäss einer aktuellen Studie rund 90 Prozent ihrer Korallen verloren. Nach einem geschichtsträchtig warmen Sommer sind nun auch die restlichen zehn Prozent in akuter Gefahr: Seit Mitte März 2023 beobachtet die staatliche US-Klimaforschungsbehörde NOAA infolge des menschengemachten Klimawandels und des aktuellen Wetterphänomens «El Niño» einen stetigen Anstieg der Meerestemperaturen.
In den letzten sieben Monaten übertraf jeder einzelne Tag alle bisher gemessenen Meerestemperaturen – und gemessen wird seit 1982. Allein im September lag die globale Durchschnittstemperatur der Ozeane mehr als ein Grad über dem langjährigen Mittel (1982 bis 2011).
In einigen Gebieten herrschten in diesem Sommerhalbjahr besonders hohe Temperaturen. Dazu gehören gemäss dem NASA Earth Observatory unter anderem die Meeresregionen um Florida, Kuba und die Bahamas, was die dortigen Korallenriffe einem besonderen Hitzestress aussetzt, wie eine Animation besonders eindrücklich zeigt.
Global ocean temperatures reached record-high levels over the summer of 2023. All the added heat stressed coral reefs around Florida, Cuba, and the Bahamas, triggering bleaching watches and alerts for the area. https://t.co/8Cvp5jK4D1 pic.twitter.com/5v9pVPAOT7
— NASA Climate (@NASAClimate) October 18, 2023
Gezeigt werden in der Animation oben nicht etwa die effektiven Meerestemperaturen, sondern die Degree Heating Weeks (DHW). Liegt die Wassertemperatur innerhalb von drei Monaten zwei Wochen lang zwei Grad höher als die langjährige, durchschnittliche sommerliche Maximaltemperatur, spricht man von 4 DHW (2 Wochen mal 2 Grad). Ab einem Schwellenwert von 3 DHW kann es zu einer erheblichen Bleiche kommen, ab 8 DHW ist ein extremer Verlust der Korallenbedeckung zu erwarten.
Gemäss Daten der NOAA Coral Reef Watch stieg der kumulierte Hitzestress in weiten Teilen der Meeresregionen um Florida, Kuba und die Bahamas bereits im August über 8 DHW. Bis Ende September erreichte der Hitzestress regional gar 22 DHW, mehr als das Dreifache des bisherigen Rekords. US-Forscher rechnen deshalb mit der schlimmsten Korallenbleiche in der Geschichte Floridas.
Wie schlimm das Ausmass ist, erfuhr kürzlich ein Team rund um Korallenexperten des Shedd Aquarium in Chicago und Wissenschaftler der University of Miami. Noch im Juni untersuchten die Forscher ein intaktes Korallenriff im Dry Tortugas National Park 110 Kilometer westlich von Key West. Als sie nun zurückkehrten, hatte sich das komplette Riff in einen regelrechten Friedhof verwandelt.
Kein Wunder, schliesslich stieg die durchschnittliche Wasseroberflächentemperatur in diesem Sommer teilweise auf bis zu 33 Grad an – über drei Grad über dem langjährigen Schnitt. «Angesichts der Rekordtemperaturen seit Juli haben wir mit einer starken Bleiche gerechnet und uns auf den Worst Case vorbereitet, und genau das haben wir leider erlebt. An 35 Orten, wo wir vor ein paar Monaten gesunde Populationen von Hirschhornkorallen beobachtet hatten, waren nun fast alle tot», erklärte Dr. Ross Cunning gegenüber dem TV-Sender «Local 10 News». 90 bis 95 Prozent aller Korallenarten in den Keys und den Dry Tortugas seien innert Kürze ausgebleicht.
Ein schwerer Schlag: Denn die Forscher hofften, dass diese Hirschhornkorallen der Schlüssel zur Rettung der Korallen von morgen sein könnten. Sie hatten sich in der Vergangenheit als deutlich resistenter gegen Hitzestress und Krankheiten erwiesen als viele andere Korallenarten.
Die grosse Hoffnung momentan ist, dass sich die Korallen bei den sich im Oktober langsam abkühlenden Meerestemperaturen irgendwie erholen können. «Aber selbst wenn sie zurückkommen, sind diese Korallen jetzt viel stärker gestresst und anfälliger für Krankheiten», erklärt Cunning.
Nicht nur Florida ist von der aussergewöhnlichen Korallenbleiche betroffen – im gesamten Golf von Mexiko und der Karibik sterben die Korallen, teils über Hunderte von Kilometern. «So etwas habe ich noch nie gesehen», sagte Korallenexperte Lorenzo Alvarez-Filip von der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko, nachdem er sich vor der Küste von Cancun Mitte September selbst ein Bild von der aktuellen Situation gemacht hatte.
Korallenriffe bedecken zwar lediglich 0,2 Prozent des Meeresgrundes, sind aber überaus wichtig für die Artenvielfalt. Sie beherbergen rund ein Viertel des Lebens in den Ozeanen. Auch Millionen Menschen hängen indirekt von ihnen ab: Fische und andere Meerestiere, die in und an den Riffen leben, sind in vielen Regionen Grundnahrungsmittel, die Korallenriffe dienen den Küsten als Wellenbrecher und den Anwohnern als Einnahmequelle, weil sie Touristen anziehen.
Das Global Reef Monitoring Network und die International Coral Reef Initiative schätzten 2020 in einem gemeinsamen Bericht den Wert von Waren und Dienstleistungen im Zusammenhang mit Korallenriffen auf 2,7 Billionen US-Dollar (gut 2,2 Billionen Franken) im Jahr.
Noch einmal so eine Hitze dann wars das...
Dass sich die Natur noch erholen könnte, wenn wir sie denn liessen hat die Pandemie gezeigt. Aber die Prioritäten liegen mittlerweile woanders, leider.