In unseren Weltmeeren haben sich zig Millionen Tonnen Plastik angesammelt. Bis dieser sich zersetzt, braucht es zwischen 20 und 400 Jahren. Doch täglich kommt neuer Konststoff-Müll dazu. Der Unrat sammelt sich in bestimmten Meeresstrudeln, die so zu gigantischen Müllstrudeln werden. Dort schwimmen Unmengen von Kunststoff-Verpackungen, Stücke von synthetischen Kleidern und andere Plastik-Teile unserer sogenannten Zivilisation.
Die Folgen für den Menschen sind mittlerweile absehbar – absehbar übel. Das Plastik zerfällt in kleineres Mikroplastik, das von Fischen und Seevögeln für Futter gehalten wird. Gelangt der Kunststoff erstmal in deren Mägen, wandert er in der Nahrungskette weiter nach oben – was nach Säugetieren und grösseren Fischen schliesslich auch den Menschen betrifft.
Erkannt ist diese Gefahr schon lange – gebannt wird sie aber dennoch nicht. Noch immer kommen zu den geschätzt 5,25 Trillionen Plastik-Teilen in den Ozeanen jährlich 8 Millionen Tonnen hinzu. Trotzdem: Es gibt Hoffnung. Dank Menschen, die diese Umweltkatastrophe nicht so einfach schlucken wollen. Hier drei vielversprechende Projekte gegen die Vermüllung unserer Ozeane.
Gestatten: die «Seekuh». Ein Katamaran aus Aluminium, unter dem ein simples Netz angebracht ist, mit dem pro Einsatz zwei Tonnen Plastikmüll aus dem Meer gefischt werden können. Das Boot ist derzeit im Bau, wird wohl Ende Juli fertig sein und – wenn sich das System bewährt – den Auftakt einer ganzen Flotte von maritimen Müllsammlern sein.
In Auftrag gegeben hat das Schiff ein deutscher Verein: One Earth, One Ocean. Im Einsatz fährt der Katamaran nur zwei Knoten, damit Fische dem Netz problemlos ausweichen können. Die ersten Einsätze sind ebenfalls schon geplant: Vor Kapstadt, vor Rio und im Niger-Delta soll das Boot die Gewässer säubern.
Selbst Öl kann die Seekuh beseitigen: Dabei wird eine Spezialwolle verwendet, die der Verein in Nigeria bereits einem Praxistest unterzogen hat. Die «Pure»-Wolle saugt Chemikalien auf, Wasser dagegen nicht. Bis zum zehnfachen des Eigengewichts nimmt die Wolle auf, bevor sie an Land wieder ausgepresst werden kann. Der Vorteil: Auch Küstenbewohner können mit diesen Fasern das Meer vor ihrer Haustür säubern.
Eine zukünftige Version der Seekuh, der See-Elefant, soll zukünftig sogar direkt Plastik in Öl umwandeln können. «Anders funktioniert es nicht», sagt Vereinsgründer Günther Bonin im Fachblatt «Ingenieur». Er will aus einer Tonne Plastik 900 Liter leichtes Heizöl gewinnen. Ein weiteres Zukunftsprojekt: Der Aufbau einer internationalen Datenbank über den Verschmutzungsgrad der Meere.
Reedereien liefern dafür Wasserproben aus aller Welt ab, die dann in Deutschland ausgewertet werden. Zu diesem Zweck hat der Verein seit vergangenem Oktober einen zweiten Angestellten: einen Mikrobiologen.
Die Idee zu diesem Projekt hatte Boyan Slat bereits, als er 16 Jahre alt war – und bei einem Tauchurlaub in Griechenland 2011 statt Unterwasser-Natur vor allem Plastik vor die Maske bekam. Ein Jahr später präsentiert er sein Vorhaben: Mit grossen Barrieren soll der Müll in den Strudeln konzentriert und durch eine automatische Förderanlage aus dem Wasser geholt werden.
Über eine Crowdfunding-Kampagne sammelte der Niederländer 2,2 Millionen Dollar für die Anschubfinanzierung ein und erstellte eine Machbarkeitsstudie. Während Slat anfangs noch belächelt wurde, überzeugte er seine Kritiker durch Hartnäckigkeit und Intelligenz – spätestens als rund 100 Wissenschaftler seinem Vorhaben ihren Segen gaben, war aus der vermeintlich fixen Idee ein seriöses Grossprojekt geworden.
Für dieses ist jede Menge Pionierarbeit nötig: Erst untersuchte ein Team, in welchen Wasserschichten der Müll verteilt ist. Im August 2015 startete dann eine grosse Expedition, bei der 30 Schiffe in den grossen pazifischen Müllstrudel gefahren sind, um herauszufinden, von welcher Plastikmenge die Umweltschützer eigentlich ausgehen müssen.
Das Resultat? «Die Ergebnisse der Expedition sind noch nicht veröffentlicht worden», sagt uns Vivian ten Have, die für die Pressearbeit verantwortlich ist. «Die Proben, die dabei gesammelt werden, werden von fünf Personen in einem Labor im niederländischen Delft ausgewertet. Mehr ins Detail gehen kann ich im Moment nicht.» Klingt, als wenn dabei mehr herausgekommen ist, als erwartet – doch ten Have lässt sich nicht in die Karten gucken.
Wie geht es weiter? Ten Have verweist auf das anstehende Nordsee-Projekt: In den Gewässern vor der niederländischen Küste soll erstmals getestet werden. «Wir haben letztes Jahr hier einige Simulationen gemacht und werden zum ersten Mal einen Prototypen vor der niederländischen Küste einem Praxistest unterziehen. Das wird in der zweiten Jahreshälfte passieren.»
Warum dauert das so lange? «Die verschiedenen Abteilungen wie Ingenieurswesen, Produktion und andere müssen erst aufeinander abgestimmt werden, bevor wir tatsächlich ins Wasser können», erklärt ten Have. «Wir sind Pioniere, sowas ist noch nie gemacht worden. Die Entwicklung braucht viel Zeit.»
Nach diesem Schritt soll das erste funktionstüchtige System vor der japanischen Insel Tsushima installiert werden.
Gleicht geht's zu Beispiel Nummer 3, doch vorher kurz ein Hinweis:
Und schon geht's weiter!
Während die ersten beiden Vorhaben eher handwerklicher Natur und auch ein bisschen Zukunftsmusik sind, zielt das Plastic Garbage Project auf den Kopf – und hat bereits 2012 begonnen. Damals taten sich das Zürcher Museum für Gestaltung und die Zürcher Hochschule der Künste zusammen, um eine Ausstellung über die Vermüllung der Meere auf die Beine zu stellen.
«Wir waren der Ansicht: Man muss etwas machen. Das Problem hat ein enormes Ausmass erreicht», erinnert sich Roman Aebersold vom Museum für Gestaltung. «Es geht aber auch um Design, um das Ende des Lebens eines gestalteten Produktes. Das Design trägt eine Mitverantwortung dafür, wie das Produkt beschaffen und wie gut es recyclierbar oder biologisch abbaubar ist.»
Nach der Premiere ging die Ausstellung auf Wanderschaft: in Hafenstädten wie Hamburg und Hongkong, Ghent und Göteburg zu sehen. Aber auch in Orten ohne Meer-Anschluss wie Graz oder Amman in Jordanien präsentierten die Zürcher ihre Arbeit – und sammelten beispielsweise in Marokko und Ägypten zusammen mit Schulklassen auch gleich selber Müll ein.
Als das Museum für Gestaltung 2012 die Ausstellung konzipierte, sei das Bewusstsein für die Konsequenzen des Problems hierzulande noch nicht besonders gross gewesen. «Im Gespräch hat man gemerkt, dass sich die Leute nicht vorstellen konnten, was das für Mengen sind. Ich habe das Gefühl, heute ist dieses Bewusstsein grösser, aber was noch fehlt, ist das Bewusstsein dafür, dass die Leute ein Teil der Lösung des Problems sein können.»
Gemeint sind auch solche Schweizer, die unbedarft annehmen, als Alpen-Land müsse uns das nicht interessieren. «10 Prozent des Mülls im Meer kommt von Schifffahrtsindustrie und 10 Prozent direkt vom Strand. Aber 80 Prozent kommen aus Flüssen – und dabei beträgt der Plastikanteil 75 Prozent.» Filteranlagen holten zwar das Gröbste heraus, das Problem sei aber das kleinteilige Plastik.
«Die Kunststofffasern der Kleidung, die wir etwa zum Skifahren tragen, verliert bei jedem Waschgang Mikrofasern aus Plastik, die kein Filter herausholt. Auch ein Zürcher Konsument trägt so zur Meeres-Verschmutzung bei: Wir sind ein Teil des Problems und müssen deshalb auch ein Teil der Lösung sein», erläutert Aebersold.